Agil(er) Kommunizieren
Immer mehr Organisationen und Unternehmen sehen enormen Nachholbedarf bei der Restrukturierung ihrer internen Kommunikation. Das ist einerseits eine Folge des großen Homeoffice-Experiments 2020/21, andererseits aber natürliche Nebenwirkung aller Arten der digitalen Transformation. Dass es jetzt damit so schnell gehen muss, liegt oft daran, dass man das Thema vorher zu lang verschlafen hat. Sie gehören dazu? Dann ist das hier der richtige Artikel für Sie!
Hier wird erklärt, wie Sie Ihre Teamkommunikation – von der „raschen Nachfrage“ beim Kollegen über das wohlstrukturierte virtuelle Meeting bis zur Archivierung alles Wichtigen im Intranet – zunächst evaluieren und dann den Bedürfnissen entsprechend neu strukturieren.
Zuallererst müssen Sie aber verstehen, dass Kommunikation nicht gleich Kommunikation ist. Sie ist extrem fall-, zweck- und zielabhängig. Wozu soll sie dienen? Was ist der Zweck und wie lang gilt er? Wer soll teilnehmen – und warum? Hier bietet es sich an, zuerst ganz grundsätzliche Unterscheidungen vorzunehmen und von dort aus alles Weitere neu zu konzipieren. Fragen Sie sich:
1. „Mal eben“ oder „Für die Ewigkeit“?
Unterscheiden Sie Kommunikationen nach Langlebigkeit: Teamchats, Onlinemeetings und Kurznachrichten dienen fast nie der Archivierung für die Ewigkeit. Schnelle Rückfragen wiederum sollten Sie nicht länger per Mail oder über das Intranet versenden, sondern in MS Teams, Slack und anderen dazu optimierten Kollaborationstools.
Um den Wildwuchs der Kommunikationswege einzudämmen, sollten Sie zunächst die Ihnen (und Ihrem Unternehmen) zur Verfügung stehenden Kommunikationsplattformen nach Art des Archivierungsauftrags ordnen.
Kurzfristig und kurzlebig
- Telefon/Handy
- SMS, MMS, WhatsApp, Signal
- Team- und 1&1-Meetings (MS Teams, Slack)
- 1&1-Videocalls
Projektbezogen und/oder mit Verfallsdatum
- Teamkanäle (MS Teams, Slack)
- Projektmanagementseiten (Confluence, Unternehmens-Wiki, Intranet)
- Meetingprotokolle
Archiv und Datenbank
- Unternehmens-Wiki
- Intranet (geschützter Bereich)
- Abteilungsserver (Cloud)
- physisches Archiv
Alles, was langlebig sein soll – und mehr oder weniger in Stein gemeißelt –, legen Sie dort ab, wo die entsprechenden Adressaten Zugang haben, aber keine Edit-Wars (im Inhalt) geführt werden können. Also im Intranet, im Unternehmens-Wiki, auf Ihrem nach außen hin gut gesicherten Abteilungsserver im entsprechenden Ordner.
Social Tools richtig eingesetzt
Harvard Business ManagerErst wenn am Archivierten die vorgängig diskutierten Änderungen vorgenommen wurden, die einzelne Personen oder Verteiler von Personen betreffen, schicken Sie diesen ein Update per Mail, Teamchat oder Teamkanal – mit Link zum Dokument, ohne dasselbe nochmals wiederzugeben oder mitzusenden. Umgekehrt gilt:
Hören Sie damit auf, Ihre Kollegen auf allen Kanälen mit Lappalien zu belästigen. Legen Sie intern fest, wofür Chatfenster und Telefonhörer genutzt werden sollen – und warum es sinnvoll ist, sich an die Regeln zu halten.
Natürlich gibt es Überschneidungen zwischen den einzelnen Archivierungsaufträgen, aber die meisten Kollaborationstools ermöglichen hier geschickte Nutzungskombinationen: Zum Beispiel können Sie in Microsoft Teams ganze Teamkanäle zu Meetings einladen – und das anschließende Protokoll dort jenen zugänglich machen, die teilgenommen haben (oder einem breiteren Kreis über die Cloud zustellen). Es lohnt sich, diese Grauzonen auszuloten und aktiv zu nutzen. So sinkt das tägliche E-Mail-Aufkommen, die Orientierung der Mitarbeiter ist einfacher und sowohl Kollaboration wie Kommunikation laufen flüssiger.
Mehr zum Thema erfahren Sie hier:
2. Intern oder extern?
Eine Einteilung der gewünschten Kommunikationsmittel nach Adressatenkreis ist unumgänglich, um dem Ganzen aber noch mehr Struktur zu geben, können Sie hier auch strikt zwischen interner und externer Kommunikation trennen. So ist es zum Beispiel sinnvoll, bei Vorhandensein eines virtuellen Kollaborationstools intern vollständig darauf umzustellen und nur noch in besonderen Ausnahmefällen E-Mails, Faxe, oder Briefschaften an die Belegschaft zu senden. Klassische Telefon- oder Handynummern lassen sich hier ebenfalls integrieren, was den Kollegen auch dabei hilft, die Übersicht über physischen und virtuellen Arbeitsplatz zu behalten.
Wenn alles, was intern wichtig ist, in Microsoft Teams passiert (oder zumindest dort mitgeteilt wird), lösen sich viele Kommunikationsprobleme der ‚hybriden Arbeitswelt‘ schlicht in Luft auf.
In virtuelle Teams lassen sich auch externe Partner zweckorientiert oder zeitlich begrenzt einbinden, für alle anderen externen Kontaktaufnahmen nutzen Sie aber wie gehabt die klassischen Mittel. Das garantiert die hierzu oft notwendige formelle Distanz, während intern eine lässigere Diskussions- und Arbeitsatmosphäre (Stichwort: Kultur) gepflegt werden kann, wo gewünscht.
Das Handbuch für ortsunabhängige Unternehmen
Thomas DahlmannDer Schutzwall, den Sie hier errichten, dürfte sich aber nicht nur positiv auf das Arbeitsklima auswirken, sondern auch auf Ihr E-Mail-Postfach und Ihr Telefon: Beides wird Sie fortan seltener nerven – und wenn, dann aus gutem Grund.
In unserem Interview mit Aufmerksamkeits- und Digitalisierungsforscher Cal Newport finden Sie weitere wichtige Anregungen zur Abgrenzung verschiedenartiger Formen der Zusammenarbeit.
3. Formell oder informell?
Schutzwall hin oder her: Es macht auch intern noch einen enormen Unterschied, ob Sie formelle Informationen teilen wollen – oder informelle. Entsprechend sollten Sie für das eine einen anderen Weg wählen als für das andere. Die klassische E-Mail an spezielle Verteiler (je nach Team, Abteilung oder Hierarchiestufe) bewährt sich weiterhin, wenn es um offizielle Ankündigungen geht. Machen Sie sich aber vor dem Kommunizieren klar, was Sinn, Zweck, Ton und Verteiler einer Ankündigung sind und welche Implikationen sie haben kann.
Einige Beispiele:
- Sie wollen die Wochenarbeitszeit für Teams in einem speziellen Land oder auf einer gewissen Hierarchiestufe ändern? Tragen Sie die beschlossenen Änderungen zunächst im Unternehmens-Wiki (oder Intranet) ein und schreiben Sie dann eine kurze Nachricht mit den Eckdaten an die entsprechenden Verteiler – mit Link zu den Details auf Ihrer soeben aktualisierten Plattform. Gehen Sie stattdessen mit Halbfabrikaten raus oder informieren die Kollegen zwischen Stuhl und Bank, droht das Chaos. Die für alle zugängliche „Source of Truth“ muss aktuell sein, damit keine Verwirrung entsteht.
- Sie wollen Bilder vom letzten Team-Event mit Ihren Kollegen teilen? Tun Sie das nicht im „Allgemein“-Kanal Ihrer Teamchatsoftware, sondern im entsprechenden Teamkanal oder im spezifischen Aktivitäts-Chat des Teamkanals. E-Mails mit Hunderten von Bildanhängen landen nämlich entweder im Spam-Ordner oder werden gar nicht erst vollständig geöffnet.
- Sie wollen eine spezifische Vorgehensweise im Unternehmen (z. B. den Dienstweg), die im Unternehmens-Wiki festgehalten ist, neu aushandeln oder diskutieren? Tun Sie das niemals im entsprechenden Wiki selbst! Regen Sie ein Meeting zum Thema an, eventuell in einem Abteilungs-Weekly oder im Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, und diskutieren Sie dann dort. Erst wenn eine neue Vorgehensweise abgestimmt und bestimmt ist, wird es Zeit, das Wiki anzupassen.
4. Rechte und Pflichten
Dies führt zu einem weiteren wichtigen Punkt: Legen Sie klar fest, welche Leute im Unternehmen welche Zugänge und Rechte haben. Spannen Sie dazu Ihre IT-Abteilung ein und halten Sie die Anzahl derer, die alles ändern können, in einem überschaubaren Rahmen. Denn:
Wenn im Unternehmens-Wiki alle Mitarbeiter Administratorrechte genießen und keine Beschränkungen gelten, wird das Wiki schnell zur digitalen Müllkippe.
Bestenfalls geben Sie nur einzelnen Personen Admin-Rechte für einzelne Plattformen und regeln dann die nachgelagerten Editorenrechte – und wann diese zum Zuge kommen. Die Administratoren werden einiges zu tun haben, und sie sollten sich aufgrund von klar definierten Regeln auch durchsetzen können: Wenn Finanzchef Müller im Wiki dumme Fragen stellt, wird sein Kommentar mit Hinweis auf die Regeln entfernt – genauso deutlich, wie wenn Praktikant Schmidt die Frage gestellt hätte.
Basis allen Austauschs an hybriden Arbeitsplätzen ist übrigens das Vertrauen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Kollegen mitziehen. Und die Kollegen müssen das Gefühl haben, dass die festgelegten Regeln durchdacht und keine Schnellschüsse sind. Hier erfahren Sie mehr zum Thema:
5. Meetings
An hybriden Arbeitsplätzen kommen Sie um virtuelle Meetings nicht herum. Die besten Leute sitzen eben selten alle in derselben Kleinstadt im Schwarzwald – auch nicht, wenn da der hübsch renovierte Firmensitz auf sie wartet. Gleichwohl sitzen dort, im süßen Hauch frischer Farbe, einige der besten Leute, und sie sollten weder bevorzugt noch diskriminiert werden, wenn es um Meetings geht. Der Grundsatz lautet also: Videomeetings geben allen die Chance, teilzunehmen. Egal von wo. Setzen Sie darauf, wenn physische Anwesenheit nicht unbedingt nötig ist.
Zu virtuellen Meetings selbst finden Sie hier, hier und hier alles, was Sie wissen müssen. Zusätzlich hier noch eine Handvoll nützlicher Anregungen, erfahrungsgesättigt nach 1,5 Jahren Pandemie:
- Um effektive virtuelle Meetings durchzuführen, müssen Sie die physische, soziale, kulturelle und technologische Distanz der Onlineumgebung überwinden.
- Berücksichtigen Sie deshalb den Zweck Ihrer Sitzung, die Teilnehmer, die Plattform, den Prozess selbst und die Partner.
- Der reibungslose Ablauf einer virtuellen Sitzung erfordert einen detaillierten Ablaufplan. Den müssen Sie vorher erstellen, bei nutzlosen Abweichungen schnell eingreifen – nützliche Umwege aber erkennen lernen, denn so entsteht Innovation.
- Der Moderator eines virtuellen Meetings muss häufig mit dem entfernten Publikum interagieren, um dessen Engagement und Einsatz zu fördern. Ja, auch häufiger als bei Meetings im Bürokonferenzraum.
- Klare Anweisungen und regelmäßiges Nachdenken fördern das Engagement der Teilnehmer – holen Sie auch diejenigen ab, die eher introvertiert sind. Bemühen Sie sich um Fairness.
- Sinnvolle Nachbereitungssitzungen steigern den Lerneffekt aller Beteiligten und beschleunigen den Fortschritt.
- Passen Sie Ihren Ansatz und Ihre Hilfsmittel an die Besonderheiten der virtuellen Sitzungen an, die Sie moderieren.
Weitere Hinweise zum Thema finden Sie in Veronika Huckes monatlicher Kolumne:
6. Kleine Tricks
Um herauszufinden, was in Ihrem Laden läuft und was schiefläuft, können Sie sich und andere beobachten. Finden Sie die benötigten Informationen zu einem Meeting gerade nicht? Ja, dann sind sie schlecht (oder gar nicht) abgelegt. Wissen Sie nicht, ob Sie einen Kollegen bei einer schnellen Rückfrage mit einem Anruf „stören“ sollen oder nicht? Legen Sie klare Regeln fest – und vermerken Sie selbst in Ihrem Kalender, wann Sie bei der Fokusarbeit nicht gestört werden wollen! Sie haben noch gar keine Kollaborationssoftware für Ihr Unternehmen? Okay, zugestanden, Sie sind zäh und haben es tatsächlich länger geschafft als andere – aber: Es wird Zeit!
Hier noch ein paar weitere Handreichungen:
- Vermeiden Sie Doppelspurigkeiten
Wenn klar ist, welche Kommunikationen wohin gehören, sollten Sie sich daran halten. Es ergibt keinen Sinn, offizielle Mitteilungen über E-Mail, die Teamchatsoftware und das Intranet zu verschicken. Bewährt hat sich die Vorgabe: „Allgemeines“ im Teamchatkanal und bedarfsgerecht per E-Mail mitteilen, die Details aber im Wiki hinterlegen. Personenspezifisches (Verträge, Mahnungen usw.) sollten Sie nie über den Teamchat versenden, sondern per E-Mail – und Vorabklärungen sowie Rückfragen immer möglichst direkt: Per Videocall oder Telefonanruf. Alles, was doppelt kommuniziert werden muss, weist auf fehlende Regeln (und schon bald: Wildwuchs) hin.
- Im Zweifel: Suchen Sie das direkte Gespräch statt eine E-Mail, eine Chatnachricht oder etwas anderes zu formulieren und zu versenden. In der Regel ist das der schnellste Weg, um Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. Und: Menschen mögen es, wenn es auch mal unbürokratisch zugeht.
- Nutzen Sie die Meeting-Minutes-Funktionen
Viele Teamchatlösungen bieten integrierte Protokollfunktionen. Diese sind für zugewiesene Protokollanten sehr nützlich, können sie doch während eines Termins mitschreiben und das Ergebnis gleich nach dem Treffen mit allen Teilnehmern teilen, ohne dazu andere Programme nutzen, Mailings und Verteiler vor- und nachbereiten und Dateien herumschicken zu müssen. Alles, was es dazu braucht, ist die klare Aufgabenzuteilung an einen (oder, falls alternierend: zwei) Meetingteilnehmer. Wenn diese dann für Änderungswünsche gleich noch eine Deadline mitteilen, haben Sie nie wieder Mühe damit, den Stand der Dinge zu dokumentieren – oder die Dokumentation zu suchen. Sie findet sich immer im zum Meeting gehörenden Chat.
- Konzentrieren Sie sich auf eine Sache
Apropos Chat: Sie kennen sicher Ihre Pappenheimer, die glauben, in einem Videomeeting mit einigen Personen auch gleich noch drei Chatfenster mit einigen anderen Personen bedienen zu können – ohne dass das auffiele. Es fällt auf. Und die Aufgabe einer Führungskraft (oder eines guten Freundes im Team) ist es, die Kollegen darauf hinzuweisen, dass man seine Konzentration auch in Meetings mit mehreren Personen auf das richten sollte, was gerade ansteht und besprochen werden soll. Ablenkungen gibt es genug. Wenn aber alle aufmerksam sind, lassen sich Wiederholungen vermeiden, Ziele schneller erreichen, also virtuelle Meetingzeiten radikal reduzieren. Allerdings: Wenn Ihnen als Führungskraft auffällt, dass die Teilnehmer in Ihren Meetings häufiger und zahlreicher abgelenkt sind, sollten Sie sich ebenso Gedanken über die Natur Ihrer Meetings machen. Inoffiziellen Schätzungen zufolge brauchen Sie für rund 50 Prozent der von Ihnen anberaumten Mehrpersonentreffen eigentlich gar keine – sondern eventuell bloß schnelle bilaterale Absprachen.
- Schalten Sie Notifications ab, wenn Sie ungestört sein wollen
Manchmal ist es ganz praktisch, Ihr Kollaborationstool als App auf dem Handy immer dabeizuhaben. Etwa wenn Müller eine Frage hat, Sie aber gerade – „beschäftigt“ – einen Martini am Strand schlürfen und trotzdem (noch) schnell reagieren können. In den meisten Fällen raubt Ihnen das ständige „Gepushe“ und „Gebimmel“ von Slack und Co. aber eher den letzten Nerv. Deshalb: Notifications abschalten, wenn Sie nicht arbeiten oder ohnehin vor dem Bildschirm sitzen. Dasselbe gilt für E-Mails: Outlook und Co. lassen sich so konfigurieren, dass Sie bei Bedarf alles aus Ihrem Postfach abholen können. Das ergibt Sinn, denn zum Briefkasten gehen Sie ja auch, wenn Sie die Post brauchen. Was eigentlich niemand braucht, sind schwebende Briefkästen, die alle zehn Minuten jede neu eingegangene Rechnung über Ihrem Kopf ausleeren, vollautomatisch und überall. Die Idee finden Sie absurd? Sehen Sie!
7. Worauf warten Sie noch?
Nun wissen Sie, was getan werden muss – und wie Sie es tun wollen. Der nächste Schritt ist das Aktivwerden, das Tun – die Änderung der Prozesse in Ihrer Organisation. Wie Sie das machen, steht auf einem anderen Blatt respektive in zwei anderen Artikeln. Hier lang: