Kreativität – es geht eben immer auch anders
Das Kind schreit, der Mann flucht auf der anderen Seite des Küchentisches über den Kollegen und ich habe eigentlich ein Zoom-Meeting. Willkommen in der „Neuen Normalität“ (Teil II)! Bislang hatte ich mich ja eigentlich für eine ganz kreative Führungskraft dieses Kleinunternehmens namens Familie gehalten, doch ich wurde während der letzten Monate eines Besseren belehrt. Heute muss ich mich anstrengen, dieses Durcheinander als „kreatives Chaos“ zu bezeichnen.
Doch irgendwie musste ich – wie Millionen anderer Menschen auch – ja alles auf die Reihe bekommen. Und dafür braucht es neben Flexibilität und Selbstmanagement täglich auch eine gehörige Portion Kreativität. Die kommt aber bekanntlich nicht auf Abruf. Also beherzigte ich den ersten Rat von Kreativ-Experten: Ich suchte mir eine andere Perspektive. Raus also aus der alltäglichen Umgebung! An diesem Ort, der hier nicht verraten wird, experimentiere ich mit den folgenden drei Kreativtechniken.
- Brainstorming: Ungefiltert einfach aufschreiben, was einem zum Thema einfällt. Wichtig: Ein klares Zeitfenster setzen und beim Aufschreiben keine Bewertungen abgeben – auch nicht in Gedanken. Nach Ablauf der Zeit beginne ich damit, die aufgeschriebenen Dinge zu ordnen oder eventuell auch zu streichen.
- 6-Hüte-System: Man setzt in Gedanken verschiedenfarbige Hüte auf. Nicht lachen! Es funktioniert: Jeder Hut steht dabei für eine ganz bestimmte Betrachtungsweise: Analytisch, emotional, kritisch, optimistisch, kreativ und überblickend. Die unterschiedlichen Hüte werden dabei auf Karteikarten gemalt, von denen jeweils eine blind gezogen wird. (((UND DANN?)))
- Kopfstandmethode: Das Problem einfach von der anderen Seite betrachten, heißt es – warum nicht kopfüber? Weg von der Frage „Wie bekomme ich das Chaos in den Griff?“, hin zu „Wie könnte ich noch mehr Chaos anrichten?“ Daraus leiten sich oft interessante Lösungsvorschläge für die eigentlich zugrundeliegende Probleme ab.
Out-of-the-Box-Denken
Jede dahergelaufene Führungskraft fordert das „Thinking Out of the Box“ – und jede einzelne von ihnen weiß genau so gut, dass diese Forderung effektfrei verpufft, wenn der Rest des Teams keine Ideen hat oder von den bisher gesammelten Ideen nicht überzeugt ist. Um das zu ändern, muss man Anstöße geben, die Teammitglieder mitunter begeistern und motivieren, sich ebenfalls Gedanken zu machen, wie alle gemeinsam dem Chaos Paroli bieten könnten. Übertragen auf mein Home Office: Partner und Kinder. Unser Kleinster stellte sich dann überraschenderweise als der kreativste Kopf des Teams heraus. Ihm fiel es am leichtesten, einfache, schlaue, aber auch absurde, manchmal schier unmögliche Dinge auf den Tisch zu bringen, die wir Großen – ganz rational -, nicht immer gutheißen konnten.
Die besten Ideen tauchen oft in den unscheinbarsten Momenten des Tages auf.
Bas Kast
Auf der anderen Seite regten seine ausufernden Lösungsvorschläge auch dazu an, selbst einmal loszulassen und die eigene Position zu wechseln, Prämissen zu hinterfragen. In Unternehmen wird das als Reframing bezeichnet. Damit werden die eingefahrenen Denkmuster im Gehirn unterbrochen und es zeigen sich plötzlich ganz neue Perspektiven.
Genau das passierte bei uns im Kleinstunternehmen. Am Ende entschieden wir uns für eine Lösung, die jedem von uns Freiräume, aber auch Verpflichtungen im Office Home (!) zusprach. Und was soll ich sagen? Unser Kleinstbetrieb war noch nie so produktiv wie in den letzten Wochen. Es ist wichtig, in ver- oder festgefahrenen Situationen den Blick über den Tellerrand nicht zu vergessen und vom kreativen Potenzial des gesamten Teams zu profitieren. Als Führungskraft ist es dabei Ihre Aufgabe, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen oder hin und wieder kreative – vielleicht sogar absurd anmutende – Vorschläge einzubringen. Viel mehr aber müssen Sie kreativ darin werden, Ihre Mitarbeiter in ihrer Kreativität zu fördern – nur so haben Sie eine Chance auf exponentiell wachsende Problemlösungskompetenz.