Steht Ihre „People Agenda“ für das Jahr 2024?
„Dies ist die Zeit der großen Chancen.“ Mit diesen Worten stellte die Unternehmensberatung Mercer ihre „Global Talent Trends“-Studie vor: Klingt sehr positiv in Zeiten, in denen arbeitstätige Menschen sich eher folgende Fragen stellen: Nimmt mir die KI den Job weg? Wie geht es finanziell mit mir weiter? Wie viel Druck kann ich ertragen? Wohin mit meinen Ängsten? Wie sieht meine Zukunft aus und wie viel Einfluss habe ich überhaupt auf all diese Dinge?
Laut aktuellem PwC Global Workforce Hopes & Fears Survey haben gerade einmal 38 Prozent der Menschen am Monatsende noch Geld übrig und 44 Prozent fühlen sich mit ihrer Arbeit überfordert – was dazu führt, dass viele Menschen resignieren, statt in die eigene Weiterbildung und Weiterentwicklung zu investieren.
Auf der anderen Seite darf man sagen: Die letzten Jahre haben die Anstellungsverhältnisse modernisiert, und das zunehmend im Sinne der Arbeitnehmenden. Viele Unternehmen sind in der neuen Arbeitswelt angekommen, flexibler geworden, und ihre Angestellten haben mehr Gestaltungsfreiheit, was die eigene berufliche Rolle betrifft. An diesem Punkt hat Mercer angesetzt und wollte weltweit von 2400 Personalleitenden wissen, wie dieser Aufwärtstrend von HR-Verantwortlichen und Führenden nachhaltig unterstützt werden kann.
- Erfolgreiche Unternehmen investieren in ihre Mitarbeitenden. Die Zeit der Verwalter in der Personalabteilung läuft hingegen ab.
- Schritt 1: Das eigene Außenbild bewusst gestalten
- Schritt 2: Eine positive Unternehmenskultur fördern
- Schritt 3: Gesund in einem gesunden Unternehmen
- Schritt 4: (Weiter)Entwicklung in den Fokus stellen
- Schritt 5: Verantwortung übernehmen und einfordern
Folgend finden Sie eine Zusammenfassung der zentralen Themen der Studie – und weitere Hilfestellung aus unserer getAbstract-Bibliothek sowie unserem Journal. Welche Schritte regt Mercer im Hinblick auf die HR-Weiterentwicklung in diesem Jahr an?
Schritt 1: Das eigene Außenbild bewusst gestalten
Wofür stehen wir? Was ist uns wichtig? Welche Werte leben wir als Unternehmen? Genau das wollen (zukünftige) Mitarbeitende wissen, sagt die Studie. Es geht hier nicht nur darum, dass man für eine nachhaltig und sozial mitdenkende Organisation aktiv sein möchte. Es geht vor allem auch um die Sinnfrage im Job. Man will nicht irgendwas tun, „nur“ um Geld zu verdienen.
Um für Talente und bestehende Mitarbeitende attraktiv zu sein, braucht es also ein entsprechendes Image. Und das bedeutet mehr als „ein bisschen flexibel“ sein, wenn es um Arbeitszeiten geht. Es braucht vielmehr konstante Selbstkritik mit Blick auf die eigenen Werte und die gelebte Kultur. Und noch mehr braucht es ein Verständnis davon, welche Themen für Arbeitskräfte relevant sind.
Für die von Mercer Befragten stehen Dinge wie Umwelt und Nachhaltigkeit (83 %), Diversity, Equity und Inclusion (70 %) und eine gesunde Arbeitskultur sowie nachhaltige Arbeitsweisen (65 %) hoch im Kurs.
Wer sich in diesen Bereichen engagiert, zieht Talente an und hält die „Guten“ im Unternehmen. Was im Umkehrschluss heißt: Als Organisation müssen Sie die eigene Positionierung schärfen und so die interne und externe Wahrnehmung. Hier sind die Teilbereiche, auf die sich eine Fokussierung lohnt, und dazugehörige Leseempfehlungen:
- Analysieren Sie den Markt, Ihre Zielgruppen und die Konkurrenz:
- Stärken Sie Ihre Markenidentität:
- Setzen Sie strategische Ziele und entwickeln Sie einen Plan, wie diese erreicht werden:
Strategien für turbulente Zeiten
Harvard Business Manager Zusammenfassung ansehen- Fragen, evaluieren und kontrollieren Sie kontinuierlich:
Schritt 2: Eine positive Unternehmenskultur fördern
Flachere und stärker vernetzte Arbeitsmodelle sind keine Frage des „Obs“ mehr, sondern des „Wies“. Laut Mercer beginnt eine erfolgversprechende Transformation in diese Richtung damit, weniger in Clustern als vielmehr in Partnerschaften zu denken und transparente und respektvolle Zusammenarbeit in den Fokus zu stellen.
Alle ziehen an einem Strang, alle wollen die gleichen Ziele im Sinne der Organisation erreichen. Damit das möglich ist, braucht es ein entsprechendes unternehmerisches Ökosystem, auch Unternehmenskultur genannt.
Ein aktives Miteinander braucht natürlich den Einsatz von beiden Seiten – auch hier war sich das Gros der 2400 Befragten der Mercer-Studie sicher: Vonseiten des Unternehmens gilt es, die Grundlage dafür zu legen, dass vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit möglich ist. Was bedeutet, funktionierende Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Mitarbeitende sich wertgeschätzt, gehört und sicher fühlen. Und vonseiten der Mitarbeitenden braucht es Mut, Verständnis und Zustimmung. Dies fördern Sie, indem Sie:
- Transparent kommunizieren: Kommunizieren Sie offen und klar, schaffen Sie ein Umfeld, in dem Vertrauen und Ehrlichkeit gelebt werden. Zeigen Sie Anerkennung und Wertschätzung, denn regelmäßiges Lob und Anerkennung für gute Leistungen sind motivationstechnisches Gold. Egal ob formelle Auszeichnungen, persönliche Danksagungen oder öffentliche Anerkennung in Meetings: Mitarbeitende wollen spüren und erleben, dass ihre Arbeit gesehen wird.
- Gemeinsame Ziele festlegen: Legen Sie gemeinsame Ziele fest, die die Ausrichtung von Organisation und Mitarbeitenden stärken. Machen Sie deutlich, dass es nur als Gemeinschaft möglich ist, sie zu erreichen, und dass alle Teilbereiche einer Organisation ihren Beitrag zum Gesamtziel leisten können.
- Eine Feedback-Kultur schaffen: Fördern Sie eine Kultur, die konstruktives Feedback institutionalisiert, um so die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden zu aktivieren. Gehen Sie als Führende mit gutem Beispiel voran. Stellen Sie als HR-Verantwortliche sicher, dass Feedback kontinuierlich und in mehrere Richtungen erfolgen kann. Schaffen Sie dazu Kommunikationskanäle, in denen Mitarbeitende Kritik äußern können. Regelmäßiger Austausch fördert zudem das Verständnis für das Gegenüber und stärkt die Beziehung zwischen den Menschen, egal auf welcher Hierarchiestufe sie aktiv sind. Wichtig: Stellen Sie klare Regeln auf, wie kommuniziert wird und was nicht geduldet wird.
- Gemeinsam zu Entscheidungen finden: Beziehen Sie Mitarbeitende in Entscheidungsprozesse ein. Setzen Sie auf die Expertise Ihrer Leute – auch wenn Sie vielleicht meinen, es mitunter als Führungskraft besser zu wissen.
- Technologische Unterstützung anbieten: Stellen Sie Tools und Plattformen bereit, die die Zusammenarbeit erleichtern. Schulen Sie Ihre Mitarbeitenden im Umgang damit.
- Achten Sie auf Diversität und Inklusion: Legen Sie faire Einstellungspraktiken fest, führen Sie Schulungen zu Vielfaltsthemen durch und streben Sie Diversität vor allem auch in Führungspositionen an. Ebenfalls sollten Sie Mitarbeiter-Netzwerke ermöglichen, die sich eigenverantwortlich der Fortentwicklung von Fairnessbestrebungen widmen können.
- Nachhaltigkeit darf nicht nur ein Wort sein: Umweltbewusstsein und soziales Engagement sind wichtig – für bestehende Mitarbeitende, aber auch für Talente, die gewonnen werden wollen. Fördern Sie Initiativen und Projekte, die zeigen, dass das Unternehmen über den eigenen Tellerrand hinausblickt und innovativ Verantwortung übernimmt.
Schritt 3: Gesund in einem gesunden Unternehmen
Schon im Zuge der Swiss Benefits Survey 2022 sagte Lutz Krepper, COO und Commercial Head bei Mercer Schweiz: „COVID-19 hat die Erkenntnis der Unternehmen verstärkt, dass die Förderung körperlicher und mentaler Gesundheit durch die Arbeitgeber ein zunehmend wichtiges Handlungsfeld ist. Die Frage ist nun: Was machen Unternehmen konkret, und machen sie es in geplanter Weise unter Berücksichtigung von Benchmark-Daten?“ Die neue „Global Talent Trends“-Studie bestätigt, dass sich dieser Trend hin zu mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz konsequent fortsetzt.
Mitarbeitende wünschen sich ein Arbeitsumfeld, in dem sie psychisch und physisch gesund bleiben können.
Erneut kommt der Personalabteilung dabei eine wichtige Rolle zu: Personalleitende sind für die Betreuung der Mitarbeitenden verantwortlich und damit für die entsprechenden Arbeitsmodelle, das Gesundheitsmanagement und die Sicherheit am Arbeitsplatz. In enger Zusammenarbeit mit der Führungsriege sollten Sie sich auf die folgenden Themen fokussieren:
Psychische Gesundheit
- Schaffen Sie eine Kultur der Offenheit und Unterstützung: Eine Umgebung, in der Mitarbeitende sich sicher fühlen, weil sie wissen, dass sie über schlechte Nachrichten, unangenehme Situationen und Begebenheiten oder sogar ihre psychische Gesundheit sprechen können, ohne Angst vor Diskriminierung oder negativen Konsequenzen zu haben, hilft allen Beteiligten bei ihrer Entwicklung am Arbeitsplatz.
Praxistipp: Führen Sie regelmäßige Gespräche ein, bei denen Mitarbeitende ermutigt werden, über ihre Herausforderungen und Bedenken zu sprechen. Schaffen Sie eine interne Anlaufstelle, bei der sich Mitarbeitende melden können, wenn etwas für sie nicht stimmt – und ohne, dass andere das mitbekommen. - Stellen Sie Zugang zu psychologischer Beratung und Unterstützung bereit: Organisationen, die Ressourcen für psychologische Hilfe zur Verfügung stellen oder mit Beratungsdiensten zusammenarbeiten, entlasten nicht nur interne Anlaufstellen, sondern erschließen damit viele neue Hilfsressourcen.
Praxistipp: Unterstützen Sie Mitarbeitende, indem Sie kostenlose Sitzungen mit Expertinnen und Experten zu psychischer Gesundheit oder Coachings anbieten – auch oder vor allem außerhalb der Büroräume. - Fördern Sie Hilfe zur Selbsthilfe: Ermutigen Sie Mitarbeitende, eine gesunde Balance zwischen Berufs- und Privatleben zu finden. Bieten Sie den Rahmen und die Möglichkeiten, Überarbeitung und ständigen Stress zu vermeiden.
Praxistipp: Wer flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit zum Homeoffice bietet, um den Menschen zu helfen, ihre Arbeit besser mit ihrem Privatleben zu vereinbaren, hat auf Arbeitsmärkten aktuell einen enormen Vorteil. Die Bereitstellung von Rückzugs- und Begegnungsorten innerhalb der Büroräume stärkt außerdem die Möglichkeiten zum Austausch innerhalb der Belegschaft, was die Resilienz und das Wohlbefinden Ihrer Mitarbeitenden erhöhen kann.
Psychologische Sicherheit in Unternehmen
Springer Gabler Zusammenfassung ansehenPhysische Gesundheit
- Stellen Sie ergonomische Arbeitsplätze zur Verfügung: Stellen Sie sicher, dass die Arbeitsplätze „gesund“ gestaltet sind, um körperliche Belastungen zu minimieren – auch im Homeoffice. Dazu genügen überschaubare Budgets und wenige, einfache Regeln.
Praxistipp: Die Bereitstellung von ergonomischen Arbeitsmöbeln, um Haltungsschäden vorzubeugen, ist kein Luxus, sondern eine Selbstverständlichkeit. - Führen Sie gesundheitsfördernde Angebote ein: Bieten Sie die Chance, die körperliche Gesundheit durch Fitnessprogramme oder gesunde Ernährungsoptionen am Arbeitsplatz zu unterstützen.
Praxistipp: Die Subventionierung von Mitgliedschaften in Fitnessstudios oder die Bereitstellung von frischem Obst und gesunden Snacks im Büro sind vergleichsweise einfache und günstige Möglichkeiten, um ihren Leuten Anregungen zu einem gesunden Lebensstil zu bieten. - Machen Sie regelmäßige Pausen und etwas Bewegung zur Pflicht: Ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden, regelmäßige Pausen einzulegen und sich während der Arbeitszeit zu bewegen.
Praxistipp: Richten Sie „Bewegungspausen“ ein, bei denen Mitarbeitende kurze Übungen oder Spaziergänge machen können. Manche Firmen führen auch schon „bewegte Meetings“ durch – Mitarbeitende werden dabei angehalten, „zusammen“ (entweder physisch oder unter Zuhilfenahme eines Mobilgeräts in Videocalls) ein paar Schritte nach draußen zu machen, während sie über das angesetzte Thema sprechen.
Arbeitspausen gesundheits- und leistungsförderlich gestalten
Hogrefe Zusammenfassung ansehenPraxis-Guide Betriebliches Gesundheitsmanagement
Hogrefe Zusammenfassung ansehenSchritt 4: (Weiter)Entwicklung in den Fokus stellen
Beruflich relevantes Wissen steht Mitarbeitenden der meisten mittelgroßen und großen Unternehmen heute in der Regel umfassend und jederzeit zur Verfügung. Der Digitalisierung sei Dank können Arbeitsweltprobleme also heute in einem Bruchteil der Zeit gelöst werden als noch vor wenigen Jahren. Der „Zugriff auf alles“ hat viele Vor-, aber auch Nachteile für Unternehmen: Schlecht recherchiertes Halbwissen kann Mitarbeitende dazu bringen, falsche Entscheidungen zu treffen. Auf der anderen Seite kann durch das Unternehmen gelenkte und geförderte Wissenserweiterung für beide Seiten gewinnend sein.
Damit Personalleitende wissen, was heute und künftig relevant ist, müssen sie aber strategisch immer wieder neu herausfinden, welche Kompetenzen es im Unternehmen gibt und was mittel- und langfristig gebraucht wird. Erst wenn dieser „Skills und Knowledge Gap“ eruiert ist, kann er mit Schulungen und Weiterbildungen geschlossen werden – oder eben durch das Recruiting neuer Leute.
Michael Eger, Partner HR Transformation bei Mercer Central Europe, kommentiert die Ergebnisse der neuesten Studie deshalb wie folgt:
Themen und Reihenfolge legen nahe, dass Unternehmen sich durchaus bewusst sind, wie sie die Herausforderungen rund um strategische Personalplanung, Schaffung von Transparenz über vorhandene und benötigte Skills bis zur Frage Entwickeln, Rekrutieren oder Leihen meistern können. Dies ist offenbar jedoch vielfach eher noch eine theoretische Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass sich nur 12 Prozent der Befragten derzeit in der Lage sehen, die Skills im Unternehmen zu kennen und zu bewerten.
Michael Eger, Mercer
In den vergangenen Monaten haben wir zu diesem Thema viele Interviews und Artikel publiziert, die helfen können, die „theoretischen“ PS im HR endlich „auf die Straße“ zu bringen:
Schritt 5: Verantwortung übernehmen und einfordern
Das letzte, umfassende Fazit der Mercer-Studie ist, dass Personalleitende mehr Sichtbarkeit und Mitsprachemöglichkeiten in Unternehmen brauchen. Sie besetzen zwar längst Schlüsselpositionen, wenn es darum geht, eine Organisation nachhaltig erfolgreich zu machen – aber der Wandel von der Personalverwaltung zur Personalentwicklung verläuft vielerorts schleppend. Ziel sollte es sein, dass die HR-Experten als sogenannte People-Portfolio-Managerinnen und -Manager mit am Tisch der Entscheidenden sitzen und die Entwicklungen der Zukunft aktiv mitgestalten können. Umgekehrt gilt:
Wer sich in Sachen Personalabteilung weiterhin auf den Standpunkt stellt, dass es doch weitgehend ausreiche, Verträge aufzusetzen, bei Bedarf zu kündigen und zu schauen, dass das Urlaubstagekonto nicht überzogen wird, dessen Tage sollten im besten Interesse von ihren Organisationen gezählt sein. Auch im HR-Bereich warten viele agile Talente schließlich nur darauf, endlich Verantwortung übernehmen zu dürfen – und ihre Zeit kommt dort, wo die Zeit der genügsamen Verwalter abläuft.
In diesem Sinne: „Dies ist die Zeit der großen Chancen.“ Packen Sie sie!