Zurück ins Büro
Das wahrscheinlich größte Home Office-Experiment aller Zeiten nähert sich in vielen Ländern langsam seinem Ende, und immer mehr Firmen und Organisationen sind daran, ihre Mitarbeiter sukzessive zurück in die Büros zu lassen, aus denen sie sie vor Wochen überstürzt haben verbannen müssen. Aber was hat sich eigentlich durch die Lockdowns verändert?
Sind Schutzmasken, Handschuhe und Desinfektionsmittel, Weisungen zu notwendigen Abständen, damit wohl vielerorts verbundene Schichtarbeit, und Investitionen in Plexiglasscheiben in Großraumbüros wirklich das Ende der Fahnenstange? Oder hat die „Neue Normalität“, von der aktuell gern und viel gesprochen wird, ihren Namen doch verdient?
Ein paar Antworten und Anregungen aus Wissenschaft und Praxis.
Wie Sie in den Büroalltag zurückfinden
Auch wir bei getAbstract haben eine Ausnahmesituation wie diese bisher nicht erlebt – und ganz ähnlich geht es den Autorinnen und Autoren der über 20.000 Publikationen, die in unserer Bibliothek verfügbar sind. Allerdings: Viele der Ratschläge und Hinweise, die in ähnlichen Kontexten funktionieren, versprechen auch für die kommenden Wochen Erfolg. Eine Auswahl:
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In den vergangenen Wochen waren viele Büros verwaist, was eine ideale Gelegenheit bot, lang geplante (und oft noch länger geforderte) Projekte zu ihrer Optimierung anzugehen. Wer aktuell unter Möbeldesignern und Büroausstattern herumfragt, sieht den Verdacht bestätigt: Corona hat vielen Verantwortlichen offenbar auf die Sprünge geholfen, ihre Räumlichkeiten den neuen Arbeitsplatzanforderungen anzupassen. Ein schöner Artikel von Sabine von Fischer in der NZZ erklärt, wie die Experten aus der Branche – hier die Designfirma Vitra – auf diese Nachfrage reagieren:
Im Büro der Zukunft, zumindest gemäss Vitra, gibt es keine endlosen Tischreihen mit möglichst eng aneinandergepferchten Angestellten mehr. Das Grossraumbüro werden unsere Kinder nur noch aus alten Filmen kennen, denn nun führen Firmen und Institutionen ihre Produktivität in Kreativ-Lounges und Kommunikationszonen vor.
Sabine von Fischer, NZZ
Das wachsende Interesse daran, Arbeitskasernen zu -oasen zu machen, hat einen Grund darin, dass die Anforderungen an das Büro in verschiedener Hinsicht in kurzer Zeit stark gewachsen sind.
Egal, ob es um Hygiene, Sicherheit oder Infrastruktur geht: es herrscht akuter Handlungsbedarf – und noch ist es nicht zu spät, den von der Krise gebeutelten Kleinbetrieben von nebenan Aufträge zum Herausbrechen von Wänden, zum Entsorgen des nikotingelben Bürostuhls in Büro A38 oder zum Installieren einer neuen Videokonferenzanlage zu erteilen. Denn:
In Zukunft wird es keine engeren, sondern grundlegend neue Möblierungen geben. Platz gespart wird dann vor allem damit, dass die Leute erst gar nicht ins Büro kommen.
Sabine von Fischer, NZZ
Worauf also kommt es wirklich an? Was müssen die Rückkehrer beachten? Wie vermeidet man Aktionismus bei der Umgestaltung? Und: Welche Argumente für das Home Office, von denen wir in den letzten Monaten ununterbrochen gehört haben, sind – genau besehen – eher Argumente gegen ein Büro von vorvorgestern?
Prio I: Gesundheit
Ganz offen: Es gibt wohl keinen besseren Zeitpunkt als diesen, um Ihren künftigen Büroalltag so aus- und einzurichten, dass niemand ihm den krummen Rücken kehren, aufgrund akuten Lichtmangels ein gefundenes Fressen für Bakterien und Viren werden oder beim Herausnehmen eines Buches aus dem Gestell eine Staublunge bekommen muss!
Hier erfahren Sie, worauf Sie achten müssen – natürlich auch im Hinblick auf eine mögliche zweite Welle der Pandemie:
Handbuch Betriebliche Pandemieplanung
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastroph… Zusammenfassung ansehenPraxis-Guide Betriebliches Gesundheitsmanagement
Hogrefe Zusammenfassung ansehenUnd wenn wir schon bei Krankheiten sind: Ja, auch psychische Erkrankungen sind Erkrankungen. Und auch ihnen kann und sollte betrieblich wie persönlich vorgebeugt werden.
Prio II: Design
Von „Design Thinking“ wird gern und viel geredet – aber immer nur, wenn es um Produkte geht, nicht wenn es um die Räume geht, in denen sie erdacht werden. Wenn Sie also mit dem Gedanken spielen, das Büro nicht nur gesünder, sondern kollaborativer, kreativer, klüger und also effizienter zu machen, sollten Sie ein Team zusammenstellen, das die ganze Belegschaft als „Kunden“ imaginiert, die Ihnen neue Bürokonzepte auch „abkaufen“ würden. Heißt: Sie sollten vorhandene Probleme schonungslos ansprechen lassen – und dann alles für eine Verbesserung tun.
Wie das im Hinblick auf Arbeitsweisen, Organisation und Räumlichkeiten geht, erfahren Sie hier:
Prio III: Kreativität
Egal, wie Sie den künftigen Arbeitsplatz designen: In Zeiten, da der Wissensarbeiter die wertvollste Ressource eines Unternehmens ist, sollten Sie alles daran setzen, ihm seine Arbeit zu erleichtern, ihn zu unterstützen, auch seine Wege zu verkürzen. Sie sollten sich um ihn kümmern – sonst tun das andere für Sie! Leute, denen man z.B. die Mülleimer unter dem Bürotisch wegnimmt, weil man am Putzpersonal sparen will, vergeuden ab diesem Moment mehr Zeit beim Müllwegbringen als beim Ideenwälzen im kreativen Austausch.
Und nein, ein Etagenmülleimer ist kein „Treffpunkt“ für ihre besten Leute.
Nein, er wird das auch nie werden.
Setzen Sie eher auf die Kaffeemaschine, flexible Arbeitsplätze und die Wunder des cleveren Zeitmanagements:
Prio IV: Kollaboration
Entscheidend für den Erfolg des neuen Büros und des darin stattfindenden Lebens wird nicht nur die Infrastruktur, eine neue Kaffeemaschine oder ein bisschen erbauliche Kunst im Treppenhaus (Achtung: Feuerschutz!), sondern vor allem der Organisationsstil. Die Organisation des Betriebs bestimmt die Abläufe, und das neue Büro sollte diese Abläufe möglichst vereinfachen oder fördern. Anders gesagt: Eine agile Firma, die vielleicht sogar auf Holacracy setzt, wird das große Eckbüro mit Aussicht nicht zwingend wieder dem CEO zuweisen.
Prio V: Vertrauen
Die Überschrift dieses Abschnitts ist irreführend – denn Vertrauen ist zentral für alle Überlegungen zum Arbeitsplatz der Zukunft. Sie können bei der Umstrukturierung von Betrieb und Büro enorm viel Vertrauen gewinnen – sie können aber auch alles, was da war, verspielen.
Für die „Neue Normalität“ gilt: Sinn und Vertrauen sind zentrale, mitunter voneinander abhängige Ressourcen erfolgreicher Organisation. Der Arbeitsplatz sollte Vertrauen fördern und nicht länger bloß fordern. Das bedeutet aber auch, dass Führung in Vorleistung gehen muss: Sie sollten Sinn vorleben und der Belegschaft vertrauen, ihr also Freiräume gewähren, die vielleicht vor den nun endenden Lockdowns kaum denkbar waren.
Ja, die Leute waren und sind auch im Home Office fleißig!
Gewähren Sie ihnen ähnliche oder dieselben Freiheiten auch in Zukunft – im Büro oder jenseits des Büros, so, wie es für die Zusammenarbeit am Besten ist. Nach allem, was wir in den letzten Wochen gelernt haben, zahlt sich das aus. Auch in Zukunft.