Die Zeit, die nehm ich mir
Es gibt im Netz ein schönes Fundstück mit dem Titel: „Alle wichtigen Zeitmanagement-Statistiken im Überblick 2023“. Punkt für Punkt werden hier die Ergebnisse verschiedenster Studien weltweit aufgelistet. Und was da steht, sollte jeden Menschen kurz innehalten und über sein eigenes Zeitmanagement nachdenken lassen. Hier ein paar Auszüge:
- Der durchschnittliche Angestellte verbringt 51 Prozent seines Arbeitstages mit Aufgaben, die wenig bis gar keinen Wert haben.
- 88 Prozent der Berufstätigen prokrastinieren täglich. Außerdem gaben 31,9 Prozent an, dass sie zwischen zwei und drei Stunden pro Tag prokrastinieren, und 17 Prozent geben zu, dass sie täglich bis zu vier Stunden verschwenden, weil sie Aufgaben immer wieder aufschieben.
- Ablenkungen am Arbeitsplatz kosten jeden Arbeitnehmer durchschnittlich drei Stunden pro Tag. Das bedeutet, dass jeden Monat 60 Stunden für Ablenkungen am Arbeitsplatz verschwendet werden.
- Die meisten Menschen überprüfen ihr Telefon durchschnittlich 58-mal pro Tag. Die Hälfte aller Telefonchecks erfolgt innerhalb von drei Minuten nach einem vorherigen Check.
- Weniger als eine von fünf Personen (18 Prozent) hat ein richtiges Zeitmanagementsystem. 82 Prozent der Menschen haben gar keines, sie benutzen nur eine Liste oder ihr E-Mail-Postfach.
Jeder von uns hat am Tag genau 1440 Minuten Zeit. (Gesunden) Schlaf abgezogen, macht das rund 1000 Minuten am Tag. Und die scheinen wir, glaubt man den Statistiken, zu einem Gutteil zu verplempern. Wir lassen uns ablenken, sind unorganisiert, tun sinnloses Zeug – und vergessen offenbar, dass Unendlichkeit zwar fürs Universum gilt, aber nicht für unser Leben. Viele von uns sind also schlechte Zeitmanager.
Nun die positive Nachricht: Ihr stressiges Leben voller Ablenkung und Unorganisiertheit ist keine Notwendigkeit. Sicher haben wir Verpflichtungen, die Zeitaufwand bedeuten und sich nicht verschieben bzw. einplanen lassen, wie zum Beispiel ein krankes Kind. Effektiver und effizienter beim Planen und Arbeiten zu sein, kann diese „Sonderfälle“ aber abmildern – und in vielen Fällen sogar komfortabel abfedern. Wie? Hier sind vier Tipps aus der getAbstract-Bibliothek.
1. Machen Sie die Zeit zu Ihrem Freund!
4000 Wochen – so lange hat ein Mensch auf Erden, der 80 Jahre alt wird. Damit steigt Oliver Burkeman in sein Buch 4000 Wochen ein, um dann ein Plädoyer fürs Anti-Zeitmanagement zu halten. In seinen Augen gilt:
Je mehr man versucht, seine Zeit gezielt zu managen, um ein Gefühl der totalen Kontrolle und Freiheit von den unvermeidlichen Zwängen des Menschseins zu erreichen, desto stressiger, leerer und frustrierender wird das Leben.
Oliver Burkeman
Kerngedanke seines Buches ist, dass wir die uns zur Verfügung stehende Zeit besser nutzen. Dazu entwirft er keine komplizierten Pläne, sondern richtet seinen Fokus darauf, uns zu einem besseren Verhältnis zur Zeit zu verhelfen, damit wir sie – als knappes Gut – mehr schätzen und einschätzen lernen.
Wie das geht? So:
- Betrachten Sie Zeit nicht mehr als Ressource, die irgendwie aufgeteilt und produktiv genutzt werden muss, denn das führt Sie in ein Hamsterrad des Abhakens und Nicht-Erlebens.
- Machen Sie sich bewusst: Alle Aktionen ziehen Reaktionen nach sich, die wiederum einer Antwort bedürfen. Sprich: Je mehr Sie auf Ihrer To-do-Liste abhaken, desto mehr Reaktionen erhalten Sie, die dann wiederum Aktion von Ihrer Seite fordern.
- Halten Sie sich nicht ständig alle Optionen offen, sondern legen Sie sich bei wichtigen Entscheidungen fest. Treffen Sie diese Entscheidungen, vermeiden Sie ein ewiges „Was wäre, wenn …“. Wichtig: Das gilt für die essentiellen Entscheidungen.
- Üben Sie sich ansonsten in Geduld. Entschleunigen Sie Ihr Leben. Das gilt insbesondere, wenn Sie Dinge aus der Welt schaffen wollen. Erledigen Sie nicht alles sofort, das gilt auch im Hinblick auf das Lösen von Problemen. Nicht jede Herausforderung können und sollten Sie gleich lösen. Eben nur die zeitkritischen und extrem wichtigen. Grundsätzlich treffen Schnellschüsse bekanntlich aber meist nicht ins Ziel.
- Nehmen Sie sich Zeit für sich, indem Sie sich Zeit mit anderen nehmen. Wer freie Zeit mit anderen Menschen verbringt, stärkt seine Resilienz. Das Mittagessen mit der Familie (statt am Homeoffice-Schreibtisch), das einmal im Monat stattfindende Treffen mit der besten Freundin oder dem besten Freund, das Engagement in Sportclubs usw.
2. Es kommt auf die Agenda an!
Auch Markus Dörr ist sicher: Zeit lässt sich nicht managen. Sie vergeht einfach. Sie haben aber Einfluss darauf, wie Sie Ihre Zeit nutzen. Und im Gegensatz zu Oliver Burkeman findet er durchaus, dass man darauf achten sollte, seine Zeit sorgfältig zu planen. Nur so lässt sich in den Augen des Wirtschaftspsychologen aus den 1000 Minuten am Tag mehr rausholen.
Sein Credo:
Aus zehn Minuten Planung wird eine Stunde freie Zeit.
Markus Dörr
Gemeint ist, sich jeden Abend zehn Minuten Zeit zu nehmen, um den kommenden Tag zu strukturieren und eine To-do-Liste zu erstellen – aber in Form eines geordneten Mix aus privaten und beruflichen Aufgaben. Darauf sollten Sie dabei achten:
- Schreiben Sie zuerst alles auf, was für den nächsten Tag ansteht. Feste Termine versehen Sie mit Uhrzeiten, entsprechenden Kontaktdaten, wenn es sich um Anrufe handelt. Bei Terminen vor Ort notieren Sie die Location und wie Sie diese erreichen werden.
- Im zweiten Schritt bringen Sie Ordnung in die Liste. Schreiben Sie zuerst alle festen Termine auf und schauen Sie dann, welche Zeitfenster dazwischen noch zur Verfügung stehen. Diese werden mit den anderen Aufgaben gefüllt, und zwar nach dem Eisenhower-Prinzip. Sprich: Unterscheiden Sie in dringlich und wichtig. Dringlich-wichtige Aufgaben kommen zuerst. Dann folgen die wichtigen und darauf die dringlichen. Aufgaben, die weder dringlich noch wichtig sind, dürfen Sie erst einmal vertagen.
- Achten Sie beim Erstellen der Tagesagenda auf Ihre Tagesform. Wenn Sie ein Early Bird sind, legen Sie die Dinge, die viel Konzentration und Einsatz erfordern, auf den Vormittag. Wenn Sie spät aus dem Bett kommen, sollten Sie diese besser auf den frühen Nachmittag verschieben.
- Ihre Agenda sollte Ihnen und auch anderen heilig sein. Legen Sie bewusst Fokuszeiten fest und lassen Sie sich nur nicht von Ihrem Plan abbringen.
3. Finden Sie heraus, was Sie wirklich wollen!
Dritter im Bunde ist Thomas Hohensee. Der Lifecoach rät: Bevor Sie irgendetwas planen oder „managen“, sollten Sie sich bewusst machen, was Ihnen wirklich wichtig ist und was Sie wollen – und nicht, was andere für wichtig oder dringlich halten oder von Ihnen erwarten.
Und genau dafür setzen Sie Ihre Zeit ein. Sein Credo:
Sobald man für sich selbst erkannt hat, was wesentlich im eigenen Leben ist, kann man sich von allem Überflüssigen befreien.
Thomas Hohensee
Schauen wir, welche Schritte er vorschlägt, damit Sie für sich herausfinden, was wesentlich in Ihrem Leben ist:
- Fragen Sie sich, was für Sie persönlich eine sinnvolle Betätigung ist.
- Stellen Sie sich die Fee mit den drei Wünschen vor. Sie erscheint für wenige Augenblicke, das Zeitfenster, in dem Sie Ihre Wünsche aussprechen können, ist somit klein. Was würden Sie spontan antworten?
- Erinnern Sie sich an Zeiten, in denen Sie einfach glücklich waren und Stress in ganz weiter Ferne lag? Was war damals anders, als es vielleicht heute ist? Lassen sich Dinge, die Sie damals taten, eventuell im Jetzt wiederholen?
- Wenn Sie mit einer To-do-Liste arbeiten und ein neues To-do aus Pflicht spontan aufnehmen müssen, streichen Sie ein anderes von der Liste. Sorgen Sie täglich für eine überschaubare Agenda.
- Schreiben Sie zusätzlich eine Not-to-do-Liste. Diese führen Sie laufend fort. Hier kommt alles drauf, was Sie nicht tun wollen und auch nicht tun müssen, aber darum gebeten wurden, oder was Sie abstellen wollen. Notieren Sie auch die Dinge, für die Sie weniger Zeit aufwenden wollen.
- Es ist nur ein Mensch verantwortlich für Ihren Stress und Zeitmangel – das sind Sie selbst. Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre Lebenszeit und leben Sie selbstbestimmt.
- Setzen Sie all diese Dinge in kleinen Schritten um.
4. Vertrauen Sie auf Ihre innere Uhr – die tickt ganz richtig!
Daniel H. Pink stellt in seinem Buch When den „richtigen Zeitpunkt“ in den Fokus. Dazu hat er die Erkenntnisse verschiedenster Umfragen und Studien zur inneren, biologischen Uhr zusammengetragen. Jeder von uns hat seinen eigenen Rhythmus, das ist bekannt. Wichtig ist, herauszufinden, wie der schlägt bzw. schlagen sollte.
Wir sind klüger, schneller, begriffsstutzig, langsamer, kreativer und weniger kreativ, abhängig von der Tageszeit.
Daniel H. Pink
Grundsätzlich gilt: Am Vormittag steigt die Stimmung bei fast allen Menschen spürbar an. Nach dem Mittag fallen viele in ein „Loch“. Zum Abend hin bessert sich das eigene Wohlbefinden erneut. Je nachdem, welcher Chronotyp Sie sind, verteilen sich diese Aufs und Abs jedoch zeitlich ein wenig anders. Frühaufsteher, die Lerchen, sind besonders morgens kreativ, motiviert und bereit, Spitzenleistungen zu bringen. Die Langschläfer, Pink nennt sie Eulen, drehen hingegen erst am Nachmittag richtig auf – und sind in den frühen Abendstunden besonders gut unterwegs. Das Mittagstief erleben aber beide.
Finden Sie im ersten Schritt heraus, ob Sie eine Lerche sind, eine Eule oder ob Sie zu den Normvögeln gehören, also weder Früh- noch Spätaufsteher, sondern etwas dazwischen sind. Wenn Sie Ihren Chronotyp kennen, fahren Sie wie folgt fort:
- Organisieren Sie sich so, dass Sie analytische Aufgaben, die viel kognitive Arbeit benötigen, in Ihre Hochphase legen. Kreative Herausforderungen hingegen sind am besten in der Ruhephase aufgehoben, da hier das Gehirn die meisten Geistesblitze hat.
- Planen Sie nach dem Mittag eine Pause ein. Ihre Aufmerksamkeit ist dann auf dem Tiefpunkt. Studien zeigen, dass in dieser Phase (und in fast allen Lebens- und Arbeitsbereichen) die meisten Fehler und Unfälle passieren.
- Legen Sie über den Tag zudem kleine Achtsamkeitspausen ein. Halten Sie kurz inne, atmen Sie durch. Machen Sie einen Minispaziergang – am besten mit einem Kollegen oder einer Kollegin. Sorgen Sie so dafür, dass Sie danach wieder konzentriert ans Werk gehen können. Das Handy und Ihr E-Mail-Postfach ignorieren Sie in dieser Zeit.
- Es zeigt sich, dass bestimmte Ereignisse im Leben dazu führen, dass wir motivierter und engagierter mit Dingen starten können. Dies kann der eigene Geburtstag sein, der Jahresanfang, der Wochen- oder Monatsstart. Nutzen Sie dieses Wissen um die Aufbruchsstimmung, um größere Veränderungen oder Neuerungen anzugehen.
- Versehen Sie Projekte immer mit einem Enddatum und/oder einem konkreten Ziel.
- Achten Sie auf Abschlussroutinen: Wenn Sie zum Beispiel zum Feierabend hin die Agenda für den nächsten Tag planen, ist das wie ein fester Schlusspunkt fürs Gehirn: Noch diese Aufgabe, und dann ist Schluss für heute!
- Planen Sie Ihren Tag mit dem Blick auf Ihre Umwelt: Je harmonischer der Umgang mit anderen, desto besser fühlen wir uns. Wobei harmonisch in diesem Fall vor allem für „im Einklang mit Ihren Mitmenschen“ bedeutet.
Weitere nützliche Tipps zum Umgang mit Zeit und Aufgaben finden Sie hier: