Den Abwasch machen und (damit) die Welt verändern
Drei Kolumnen lang (eins, zwei, drei) habe ich gemeckert, dass das Pflegen von Stereotypen Gift für das Zwischenmenschliche ist – vor allem, wenn es ums Geschlecht geht. Um das zu ändern, müssen wir aktiv werden. Und dazu kann es sogar notwendig sein, unser eigenes Gehirn zu überlisten.
Wie das geht? Hier sind zehn simple Möglichkeiten für alltägliche Situationen:
1. Teilen Sie sich den Abwasch (und andere Pflichten im Haushalt).
Wenn Männer sich an der Hausarbeit beteiligen, ist das nicht nur fair, es beeinflusst auch die Karriereambitionen ihrer Töchter. Diejenigen, bei denen der Vater im Haushalt die gleichen oder mehr Aufgaben als die Mutter übernimmt, verfolgen breitere Karriereziele als Mädchen aus „traditionellen“ Familien. Und ja, sie interessieren sich sogar häufiger für Berufe, die als stereotypisch „männlich“ gelten.[1]
2. Achten Sie auf eine geschlechtergerechte Sprache.
Selbst wenn Sie es persönlich weiterhin für „unnötig“ halten: Immer mehr Studien belegen, dass das generische Maskulinum Menschen unsichtbar macht und den Status quo zementiert, weil sich zum Beispiel kleine Mädchen deshalb in vielen Rollen, Positionen oder Jobs von Kindesbeinen an nicht selbst sehen können. Prof. Dr. Bettina Hannover und ihr Kollege Dries Vervecken führten dazu zwei Studien mit 591 Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren aus deutschen und belgischen Schulklassen durch. Den Kindern wurden Berufsbezeichnungen vorgelesen: entweder geschlechtergerecht oder nur einzeln in der männlichen Pluralform.
Das Ergebnis war eindeutig: Mädchen, denen Anzeigen für „Ingenieurinnen und Ingenieure“ oder „Automechanikerinnen und Automechaniker“ präsentiert worden waren, trauten sich viel eher zu, einen Beruf zu ergreifen, in dem Frauen aktuell unterrepräsentiert sind.[2]
3. Überprüfen Sie Ihren „inneren Film“.
Beobachten Sie Ihre Reaktion auf fremde Menschen, denen Sie beim Einkaufen oder in der S-Bahn begegnen. Erfinden Sie eine kurze Geschichte über die Person. Welchen Beruf hat sie? Was sind ihre Hobbys? Wohin ist sie unterwegs? Beobachten Sie, welchen Einfluss sichtbare Merkmale auf Ihre Vorstellung haben, also beispielsweise Aspekte wie Geschlecht, Alter, Hautfarbe oder Kleidung.
Machen Sie die Person dann zur Hauptfigur einer völlig anderen Geschichte, um stereotypische Vorstellungen aufzubrechen.
4. Vermeiden Sie Witze oder Komplimente, die auf Stereotypen beruhen.
Auch wenn es lustig oder nett gemeint ist: Mit entsprechenden Bemerkungen zementieren Sie Stereotype und werden den mit ihnen bedachten Menschen nicht gerecht. „Du kannst rechnen, obwohl du eine Frau bist!?“ oder „Das hätte ich von jemandem in Ihrem Alter niemals erwartet“ sind keine besonders begeisterten Komplimente, sondern ein Beleg dafür, wie wenig Sie „Menschen wie Ihnen“ eigentlich zugetraut hätten.
5. Stellen Sie sich Umkehrfragen.
„Hätte ich anders auf den Vorschlag reagiert, wenn er von einem Mann statt einer Frau gekommen wäre?“, „Wäre meine Reaktion die gleiche gewesen, wenn sie 40 statt 60 Jahre alt gewesen wäre?“, „Hätte ich ihn ernster genommen, wenn er anders gekleidet wäre?“ – Umkehrfragen helfen Ihnen, die Auswirkungen unbewusster Denkmuster im Moment einer Interaktion zu überprüfen und aktiv gegenzusteuern.
6. Delegieren Sie mit System.
In den meisten Teams bleiben dröge Tätigkeiten – Protokolle oder Listen führen, den Besprechungsraum buchen und später aufräumen … – aufgrund stereotypischer Denkmuster überproportional oft an Frauen hängen.[3] Um eine faire Verteilung zu gewährleisten, ist es wichtig, solche Aufgaben zu rotieren. Eine feste Systematik – ob alphabetische, chronologische oder eine andere Reihenfolge – hilft, sicherzustellen, dass Standardaufgaben gleichmäßig verteilt werden.
Übrigens: Gern genutzt, aber genauso unfair: Freiwilligkeit. Aufgrund von Stereotypen und sozialem Druck bleibt bei der angeblich „freiwilligen“ Verteilung der Löwenanteil an entsprechenden Arbeiten trotzdem bei den üblichen Verdächtigen hängen – ob die das wollen oder nicht. Das Gleiche gilt, wenn es nach tatsächlichen oder vermeintlichen Interessen geht.
7. Definieren Sie klare Anforderungen.
Welche Wirkung Stereotype entfalten, wenn klare Anforderungen fehlen, zeigt ein Experiment zur Besetzung eines Jobs in einem männlich dominierten Bereich. Dabei sollten Menschen die Eignung von jeweils einem Mann und einer Frau für die Position prüfen. Im Vorfeld wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass sowohl Ausbildung als auch Arbeitserfahrung für die Funktion wichtig seien.
Von den Bewerbenden brachte der oder die eine mehr Erfahrung, der oder die andere die höhere formelle Qualifikation mit. Grundsätzlich wurde aber der Mann für den „Männerjob“ bevorzugt. Wenn er mehr Erfahrung hatte, wurde diese höher bewertet. Hatte er höhere akademische Weihen, waren die besonders wichtig. Wenn man sich allerdings auf maßgebliche Einstellungskriterien geeinigt hatte, bevor das Geschlecht der Bewerbenden sichtbar war, hatten Männer und Frauen gleiche Chancen.[4]
8. Fragen Sie, statt zu spekulieren.
Unsere Weltsicht und unsere Werte haben einen großen Einfluss darauf, was wir persönlich als erstrebenswert empfinden – egal ob im Job oder im Privatleben. Das führt regelmäßig dazu, dass wir (oft mit den besten Intentionen) Entscheidungen für andere Menschen treffen, ohne diese einzubeziehen. Ein Job mit großem Reiseanteil oder abends noch schnell zum Italiener? Das kann doch eine junge Mutter unmöglich wollen – und wird daher erst gar nicht gefragt.
Es ist nicht, was Sie denken
Harvard Business ManagerFragen Sie Menschen, was ihre Prioritäten sind, wie sie sich ihr Leben oder den weiteren Karriereverlauf vorstellen, statt Annahmen auf Basis Ihrer eigenen Wünsche oder Ihres Lebensmodells zu treffen. Auch wenn einzelne Optionen nicht infrage kommen, ist es wichtig, gefragt und gehört zu werden. Ein Nein auf die oben gestellte Frage dient dann als Basis, um gemeinsam weiterzudenken.
9. Bedenken Sie, dass Väter auch Eltern sind.
Dass Müttern fast automatisch ein größeres Interesse an ihren Kindern zugesprochen wird, bringt nicht nur sie in die Bredouille. Wenn Väter aktiv am Leben ihrer Kinder teilnehmen wollen, werden ihnen Angebote, die für Mütter Standard sind, tendenziell eher vorenthalten. Das ist nicht nur ungerecht. Es zementiert gleichzeitig traditionelle Sichtweisen auf Familie und Geschlechterstereotype!
Väter, engagiert euch für die Familie!
Harvard Business Manager10. Engagieren Sie sich für andere.
Zahllose Untersuchungen belegen, wie wichtig Unterstützung ist, um beruflich und im Leben voranzukommen. Sie zeigen auch: Die meisten setzen sich für Menschen ein, die ihnen ähnlich sind.[5] Das macht es schwer für diejenigen, die an einem Ort oder in einer Organisation unterrepräsentiert sind.
Die Bereitschaft, Menschen zu unterstützen, kann niemandem verordnet werden, aber es erfordert auch kein formelles Programm. Legen Sie einfach los.
Machen Sie Vorstellungen, öffnen Sie Türen, wenn sich ein Ansatzpunkt ergibt. Wenn Sie die Chance haben: Machen Sie den Unterschied!
[1] Dads Who Wash the Dishes Raise More Aspirational Daughters / TIME
[2] Yes I Can! Effects of Gender Fair Job Descriptions on Children’s Perceptions of Job Status, Job Difficulty, and Vocational Self-Efficacy / Social Psychology
[3] Joan C. Williams und Marina Multhaup: For Women and Minorities to Get Ahead, Managers Must Assign Work Fairly / HBR
[4] Eric Luis Uhlmann, Geoffrey L. Cohen: Constructed Criteria: Redefining Merit to Justify Discrimination / Psychological Science
[5] The Sponsorship Dividend / Center for Talent Innovation
Nächste Schritte:
Weitere praktische Tipps und Tricks bietet Fair führen. Das Buch wurde mit dem getAbstract International Book Award 2020 ausgezeichnet. Laut Jury liefert es „nicht weniger als das erforderliche Rüstzeug für zukunftsfähige Unternehmen – eloquent, sachkundig und inspirierend.“