Prozessoptimierung für Anfänger und Fortgeschrittene
„Das haben wir schon immer so gemacht“ und „Da könnte ja jeder kommen“ – wer kennt sie nicht, die gern zitierten Sprüche, wenn einem Veränderungen zuwider sind? Und doch gehören Veränderungen zum Leben dazu – und auch im beruflichen Kontext gehört es einfach dazu, Prozesse kontinuierlich zu verändern, indem man sie optimiert.
Beispiel Mitarbeiterrekrutierung: Früher wurde eine offene Stelle in der Tageszeitung ausgeschrieben. Dann wurden die postalisch eingereichten Bewerbungen einzeln gesichtet, potenzielle Bewerber wurden eingeladen. Man sprach ein, zwei und manchmal auch dreimal persönlich mit ihnen. Und am Ende fiel dann – in der Regel nach vier, fünf Wochen – die Entscheidung. Heute lädt das HR die Stellenbeschreibung auf einschlägigen Plattformen hoch, Bewerber übermitteln ihre Angaben über Formulare, was eine standardisierte Prüfung (manuell oder vollautomatisiert) einfach macht. Assessments und Job-Interviews werden innerhalb eines Tages über Onlineplattformen oder Videocalls durchgeführt. Und schon nach wenigen Tagen kommt der Arbeitsvertrag beim Wunschkandidaten per E-Mail.
Prozessoptimierungen finden oft schleichend statt. Weil aber nun täglich neue und innovative Tools auf den Markt kommen, die nahezu alle Abläufe innerhalb von Organisationen digitalisier- und modifizierbar machen, braucht es immer mehr strategisches Wissen und das richtige Personal zur Umsetzung.
Will man konkurrenzfähig bleiben, kommt man um proaktives Handeln nicht herum.
Zwei große Gefahren existieren dabei: Verschläft man Trends zu lange, steigen Aufwand und Kosten für die Optimierung – oft ins Unermessliche. Wer hingegen zu früh dran ist oder zu viel gleichzeitig macht, schüttet nicht selten das Kind mit dem Bade aus – sprich: legt das (immerhin noch) laufende System lahm.
Beides kann vermeiden, wer sich die richtigen Fragen stellt – und zwar immer wieder: Was muss, was kann, was sollte? Wer ist verantwortlich? Und wie sieht es mit der Finanzierung aus? Beginnen wir also ganz vorn:
1. Was bedeutet eigentlich Prozessoptimierung?
Gemeint ist damit die kontinuierliche Verbesserung von Arbeits- oder Produktionsabläufen. Prozessoptimierung ist weder eine Hauruck- noch ist es eine einmalige Aktion. Es geht im Kern darum, die Dinge immer wieder neu zu hinterfragen, unter dem Blickwinkel neuer Möglichkeiten – und diese folgend Schritt für Schritt noch effektiver und effizienter zu gestalten. Wichtige Themen sind dabei die Digitalisierung und damit einhergehend auch die Automatisierung. Der Roboter lässt grüßen.
2. Was sind die Ziele der Prozessoptimierung?
Unternehmen und Organisation verfolgen mit der Optimierung ihrer Prozesse ganz unterschiedliche Ziele.
Es zeigt sich aber branchenübergreifend, dass die folgenden vier Ziele besonders häufig der Grund für eine Überholung sind:
- Kosten senken (Effizienzgewinne)
- Optimierter Nutzen von Ressourcen (Arbeitszeit, Raum usw.)
- Steigerung der Produktivität (Konkurrenzdruck)
- Bessere Kommunikation (nach innen und außen)
Darüber hinaus drehen sich viele Prozessoptimierungen – wie auch im angesprochenen Fall der Rekrutierung – um die Mitarbeiter oder auch die Unternehmenskultur: Besseres Gesundheitsmanagement, erhöhte Work-Life-Balance oder agilere Arbeitsweisen sind nur drei Themen, die hier zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Prozessoptimierung: Der Idealfall
In ihrem Buch Agile Prozessoptimierung stellen die beiden Autoren Marco Olavarria und Sabrina Buschow eine agile Methode der Prozessoptimierung vor.
Sie plädieren für folgenden praxiserprobten Ablauf:
- Ziele definieren: Was soll durch die Optimierung erreicht werden und wen braucht es dafür?
- Team zusammenstellen: Teilen Sie Ihre „Mannschaft“ in zwei Teams ein. Die einen sind die Optimierer, also diejenigen, die die Optimierung in der Praxis umsetzen. Die anderen sind die Inputgeber, die aus dem geschäftlichen und organisatorischen Alltag heraus potenzielle Verbesserungen und Lösungsvorschläge einbringen. Letztere sind nicht aktiv an der Umsetzung beteiligt.
- Prozessanalyse: Gehen Sie alle geplanten Schritte nacheinander durch und schauen Sie genau, an welchen Stellen es schwierig werden könnte. Betrachten Sie dabei auch immer, wie sich ein Schritt auf den nächsten auswirkt.
- Dokumentation: Halten Sie jeden Teil der Prozessoptimierung schriftlich fest und notieren Sie auch eingebrachte Ideen und Beobachtungen.
- Detaillierte Planung: Lassen Sie die Planungen erst wirken und trommeln Sie nach gut einer Woche alle wieder zusammen. Dann beginnen Sie mit der Umsetzung.
- Werden Sie aktiv: Wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, folgen Sie Schritt für Schritt dem definierten Umsetzungsprozess. Testen Sie die Schritte ohne Scheuklappen und evaluieren Sie das eingeholte Feedback. Justieren Sie nach, wenn etwas nicht läuft wie erhofft.
Prozessoptimierung: Kleine Methodenkunde
Die eine Methode zur Optimierung Ihrer Abläufe gibt es nicht. Besonders häufig aber werden die folgenden genutzt, und entsprechend gut sind sie auch dokumentiert:
1. Kaizen
Das Wort und die Methode stammen aus dem Japanischen: KAI = Veränderung und ZEN = zum Besseren. Was Sie dazu brauchen: einen kooperativen Führungsstil und kreative, selbst bestimmende Mitarbeiter.
2. Six Sigma
Six Sigma unterstützt nicht nur die Optimierung von Prozessen, sondern ist auch Teil des Qualitätsmanagements. In der Regel kommt hier die DMAIC-Methode zum Einsatz: Define – Measure – Analyze – Improve – Control. Zu Deutsch: Definieren – Messen – Analysieren – Verbessern – Steuern. Was Sie dazu brauchen: den Mut, Prozesse in ihre Einzelteile zu zerlegen, Ansatzpunkte für Verbesserungen zu finden – und umsetzungsfreudige Mitarbeiter.
3. Lean Management
Ihnen geht es darum, Prozesse so zu gestalten, dass nur wirklich dringend benötigte Ressourcen zum Einsatz kommen und Verschwendung vermieden wird? Dann sind Sie hier richtig: Im Fokus des „schlanken Managements“ stehen in den meisten Fällen der Kunde und seine Wünsche. Was Sie dazu brauchen: effiziente Schnittstellenmanager statt Besserwisser. Durch die damit entstehende Konzentration auf den Kunden erhält dieser optimal auf ihn zugeschnittene Produkte und Dienstleistungen – was wiederum zum Wettbewerbsvorteil des Unternehmens führt.
4. 5S-Methode
Auch bei der 5S-Methode geht es im Kern darum, Verschwendung zu minimieren, im besten Fall ganz zu vermeiden. 5S steht dabei für die folgenden fünf japanischen Begriffe: Seiri, Seiton, Seiso, Seiketsu und Shitsuke. Was Sie dazu brauchen: kein Japanisch-Wörterbuch! Übersetzt werden die Begriffe nämlich mit Selektieren, Systematisieren, Säubern, Standardisieren und – genau – Selbstdisziplin üben. Und weil das auch für alle anderen Methoden sinnvoll ist, merken Sie sich, egal was Sie sonst aus diesem Text mitnehmen, am besten diese Fantastic Five.
WPM – Wertstromorientiertes Prozessmanagement
Carl Hanser VerlagWer ist verantwortlich?
Wer Dinge optimiert oder modifiziert, riskiert es, Fehler zu machen. Das ist ein Grund dafür, dass nicht jeder sofort den Arm hebt, wenn es um die Verteilung von Verantwortlichkeiten geht. Trotzdem braucht es am Schluss einen, der die Entscheidung trägt, der den Überblick behält und die Aufgaben verteilt.
Prozessmanagement beginnt deshalb immer an der Spitze: beim Vorstand. Dieser kann zwar die operative Verantwortung und damit die Umsetzung an Prozessmanager und die Führungskräfte einzelner Abteilungen delegieren – am Schluss muss er die Arbeit mittragen und dafür geradestehen, wenn Probleme erkennbar werden. In der Praxis hat es sich zudem bewährt, externe Berater mit ins Boot zu holen, besonders wenn es um größere Prozesse und Projekte geht. Auch wenn der Satz „Da könnte ja jeder kommen“ auf eine Art seine Berechtigung hat, zeigt sich immer wieder, dass ein externer Berater neutraler, freier, kritischer auf aktuelle Prozesse schaut, als wenn er selbst ein bezahlter Teil davon – lies: des Problems – ist.