Ich mag nicht mehr!
Was nicht passt, wird passend gemacht, heißt es gerne. Doch so einfach ist es dann doch nicht immer. Gerade im beruflichen Kontext funktioniert das mit dem Zurechtbiegen nur bedingt – und nein, das betrifft nicht nur den „normalen“ Mitarbeiter. Seit Jahren steigt die Unzufriedenheit auf C-Level-Niveau. Beziehungsweise war die schon immer vorhanden, doch immer öfter gehen Manager oder „werden gegangen“. Bevorzugt im ersten halben Jahr nach Stellenantritt. Ein teurer Spaß fürs Unternehmen und für den Manager selbst auf jeden Fall keine gute Reputation. Und aktuelle Beispiele wie das von Kaspar Rorsted zeigen: Es trifft auch die guten und hochgelobten Topleute.
Die Frage ist daher berechtigt: Was ist da los? Was hat es auf sich mit der zunehmenden Unzufriedenheit? Und gibt es eine Lösung? Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, es gibt Ansatzpunkte, die Sie dabei unterstützen, in Ihrer Managementposition nachhaltig und langfristig erfolgreich UND zufrieden sein zu können. Fakt ist jedoch, dass Sie selbst die Lösung sind und nicht darauf hoffen sollten, dass man Ihnen von Unternehmensseite proaktiv Hilfe anbietet. Man hat Sie teuer eingekauft, noch mehr Geld ins Recruiting gesteckt, warum nun weiter investieren? Wir sprachen hier bereits über das eher doch verhaltene Onboarding von Führungskräften.
Machbar, wenn auch unbequem
Es liegt demnach in Ihrer Hand, wie Sie starten und wie Sie Ihre Rolle leben, aber auch gestalten. Dass es dennoch in schwierigen Zeiten zu Unzufriedenheit kommt, dass eine lange Durststrecke wie die Pandemie Ihren Job nicht einfacher und attraktiver gemacht hat, ist jedoch nicht aus der Welt zu schaffen. Da kommt sehr schnell Unzufriedenheit auf, die auch immer mehr zunehmen kann, sodass „man“ denkt: Hauptsache weg hier! Und dennoch kann ich Ihnen basierend auf den zahlreichen Gesprächen mit meinen Klienten aus dem C-Level sagen, es ist machbar. Wenn Sie wollen und bereit sind, unbequeme Dinge an- oder vielmehr (für sich selbst) auszusprechen.
Unzufriedenheit entsteht, wenn es nicht so läuft, wie man es gerne hätte oder erwartet hat. Wenn die eigenen Erwartungen enttäuscht werden oder wenn man die an sich selbst gestellten Erwartungen nicht erfüllt. In beiden Fällen passt das IST nicht zum SOLL.
Das Spannende an dieser Stelle ist, dass man das IST sehr gut beschreiben und detailliert aufführen kann, was einem daran nicht passt. Die Frage nach dem SOLL jedoch ist dann schon eher knifflig. „Es soll anders sein“ ist nicht selten die Antwort. „Anders“ aber zu beschreiben, ein Bild zu skizzieren vom Optimalen, das fällt auch vielen Menschen im Topmanagement nicht leicht.
Klare Ziele
Und damit sind wir wieder bei Ihrer Chipkarte und der Antwort auf die Frage: Wo ist Ihr idealer Platz, in der richtigen Umgebung, in der richtigen Rolle, mit der richtigen Aufgabe und in der besten Position? Denn genau darum geht es.
In einer Rolle zu agieren, die mit den eigenen Werten, Wünschen, Stärken, Zukunftsplänen nicht übereinstimmt, macht es schwierig, zufrieden zu sein.
Deshalb ist es so wichtig, dass Sie Ihren beruflichen Weg eigenständig, selbstbewusst, sich selbst bewusst und aktiv planen. Dieses Wissen hilft Ihnen in der aktuellen Situation zwar vielleicht nicht sofort weiter, dass Sie sich aber der Frage stellen, woher Ihre Unzufriedenheit eigentlich kommt, ist unerlässlich. Nur so können Sie dann schauen, ob sie sich daran in der bestehenden Konstellation oder Organisation etwas verändern lässt. „Das geht nicht!“, mögen Sie jetzt empört ergänzen. Auch hier noch einmal der Verweis auf meinen Klienten, der innerhalb seines Unternehmens seine Idealposition aufbauen konnte.
Wegrennen ist einfach, das Problem dabei ist das „weg von“. Sie steuern damit nicht auf ein Ziel zu, sondern sehen nur, dass Sie zwischen dem IST und sich selbst schnell genug Abstand schaffen.
Viele meiner Klienten haben den Wunsch wegzurennen. Es erscheint einfach zuerst einmal als die beste Lösung. ‚Dann findet sich schon etwas.‘ Doch das tut es meistens nicht.
Jedenfalls nichts, was langfristig die Unzufriedenheit auf Abstand hält. Im C-Level erwartet man von Ihnen bewusste Entscheidungen. Man will Klarheit, wohin Sie das Boot steuern wollen. Werden Sie sich deshalb zuerst klar, wo ihr persönlicher Kompass hinzeigt, um dann auf der Brücke die richtigen Entscheidungen für die Organisation treffen zu können.
Neue Anfänge
Der Mensch ist gut darin, Dinge nicht sehen zu wollen. Im C-Level funktioniert das oft noch weniger als im mittleren oder unteren Management. Denn: Hier schaut man auf Sie, auf alles, was Sie tun, und man bewertet es – das ganze Unternehmen bewertet Sie.
Aktuell steht der Jahreswechsel vor der Tür. Die Zeit der guten Vorsätze. Ich bin kein Freund davon, denn oft steckt man sich die Ziele zu hoch und wird bei Nichterreichung noch niedergeschlagener. Aber ich bin ein Freund bewusster Reflexion. Und vielleicht ist das die Antwort auf Ihre Unzufriedenheit: Nutzen Sie die anstehenden Festtage, um Ihren Kompass auszurichten! Wie wollen Sie im Jahr 2023 agieren? Wie wollen Sie Ihre Rolle leben, gestalten, wer wollen Sie beruflich in einem Jahr sein? Finden Sie es heraus und stellen Sie sich auch unbequemen Situationen. Nicht für Ihren Arbeitgeber, für all die Kollegen, die Sie bewerten – sondern damit Sie 2023 Ihr Potenzial (aus-)nutzen können und im nächsten Dezember nicht vor einem noch größeren Scherbenhaufen stehen.
Über die Autorin:
Gudrun Happich unterstützt als Executive Business Coach Führungskräfte verschiedener Hierarchiestufen in Wirtschaftsunternehmen. Sie ist zudem Autorin der Bücher Herausforderungen im Führungsalltag, Was wirklich zählt! Mit Überzeugung führen und Ärmel hoch!. Sie ist zudem Gewinnerin des getAbstract Readers’ Choice Award im Jahr 2021.