Teamwork ist (auch) nicht mehr, was es mal war
Im Sommer dieses Jahres titelte die FAZ „Ein Chef ohne Vertrauen“. Gemeint war damit: Elon Musk. Der Tesla-Gründer hatte kurz zuvor seinen Angestellten (und, ganz Musk-typisch, auch gleich der ganzen Welt) deutlich gemacht, dass in seinem Unternehmen nur eine Zukunft haben werde, wer wieder zurück in die Geschäftsräumlichkeiten komme. Verkürzt lässt sich seine Strategie wie folgt fassen: Täglich reinschneien, sonst rausfliegen. Musk ist damit nicht allein. Auch beim Techgiganten Apple hat man nach einem wochenlangen Hin und Her entschieden: Die Mitarbeitenden müssen an drei von fünf Tagen in der Woche an ihren Schreibtischen im Konzern sitzen. Dienstag und Donnerstag sind Pflicht, den dritten Tag darf man flexibel wählen.
Während zum Start der Pandemie viele Staaten Homeoffice zur Pflicht machten, ist es nun so, dass die Unternehmen wieder eigenständig entscheiden dürfen, wo ihre Mitarbeitenden ihrer Arbeit nachgehen sollen – oder: dürfen. Viele begründen dabei ihre Entscheidung für eine generelle Rückkehr ins Büro damit, dass man die Menschen „wieder zusammenbringen“ wolle. Der persönliche, analoge Austausch sei wichtig, das gemeinsame Miteinander gut für jeden Einzelnen und letztlich auch für die Unternehmen. Die richtig guten Ideen, so das Credo, entstehen ja nicht selten beim Austausch an der Kaffeemaschine.
Grundsätzlich ist das auch nicht falsch. Doch geht es wirklich darum? Die letzten zwei Jahre haben schließlich gezeigt, dass es auch anders funktioniert: Studien belegen, dass die Produktivität in den Unternehmen nicht abgenommen hat. Viele haben sich nach dem Angewöhnungschaos der Jahre 2020 und 2021 ans Homeoffice gewöhnt, es sind neue Arrangements mit den Kollegen getroffen worden, die digitalen Tools sind ausgereifter als noch vor Monaten – und nicht selten stand „Von-zu-Hause-Arbeiten“ auf der Wunschliste ohnehin schon lang ganz oben.
Eine Recherche in der getAbstract-Bibliothek fördert zutage, welche drei Dinge zukünftig für die erfolgreiche (hybride) Zusammenarbeit besonders relevant sein werden.
1. Struktur ist alles
Auch wenn einige Chefs ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro zurückholen, wird das Thema dezentrale Onlinezusammenarbeit in unserer global vernetzten Welt zunehmend wichtiger werden. In ihrem Buch Online-Teamhacks haben Brigitte Berscheid und Kathrin Strehlau daher Impulse und Tools für die Onlinezusammenarbeit gebündelt. Diese sollen nicht nur neue Mitarbeitende ins Team integrieren, sondern vor allem das Teamgefühl stärken und Strukturen schaffen. Immer im Sinne einer effektiven und effizienten Zusammenarbeit.
Was Sie konkret ausprobieren sollten:
- Schaffen Sie ein Teamboard! Es informiert alle Teammitglieder über die jeweiligen Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereiche. Gerade neue Teammitglieder können so schnell für sich klären, wen sie bei welchen Fragen kontaktieren müssen. Zur Erstellung eignen sich Programme wie Evernote oder OneNote. Parallel können Sie zusätzlich ein Delegationsboard erstellen, das genau aufzeigt, welche Entscheidungen die Mitarbeitenden allein treffen können und bei welchen sie eine weitere definierte Person hinzuziehen sollten.
- Nützlich ist dann auch ein Aufgabenboard: Es zeigt in Echtzeit, wer gerade an welchem Projekt, welcher Aufgabe arbeitet und welche Aufgaben schon erledigt wurden. Auch das dient der Zeitersparnis und unterstützt die effektive Zusammenarbeit. Die meisten Teamboards unterstützen solche Task-Übersichten. Damit sie auch funktionieren, sollten Sie festlegen, wie oft pro Woche sie von den Mitarbeitern aktualisiert (und angeschaut!) werden müssen.
- Schützen Sie die Kollegen vor Meetinginflation: Die Zahl der Onlinemeetings etwa sollte limitiert sein. Auch hier gilt es, klare Regeln festzulegen, in welchen Fällen es ein Onlinemeeting braucht (und wo auch die Aktualisierung des Boards reicht). Nötige Onlinetreffen sollten weiterhin klar strukturiert und zeitlich begrenzt sein. Zum Abschluss des Meetings sollte jeder ein einminütiges Feedback geben und man sollte die wichtigsten Erkenntnisse der Zusammenkunft auch schriftlich festhalten. Wurde alles verstanden? Kennt jeder seine Aufgabe? Klären Sie das immer direkt am Schluss!
- Reduzieren Sie die Tools, die Sie zur Kommunikation nutzen, auf möglichst wenige und machen Sie deutlich, welches Tool für welche Art des Austauschs genutzt werden soll.
- Fördern Sie den Austausch der einzelnen Teammitglieder. Geeignet ist dazu ein immer zum gleichen Zeitpunkt wiederkehrendes Onlinemeeting – ohne den Chef. Dieses sollte jedes Mal von einem anderen Teammitglied vorbereitet und auch moderiert werden. Das steigert die Organisations- und Kommunikationskompetenz der einzelnen Teammitglieder.
- Lösen Sie Konflikte direkt. Bewährt hat sich hier der Austausch der Beteiligten in Form eines „Dialogspaziergangs“. Gemeint ist, dass man miteinander telefoniert, während man spazieren geht. Die Bewegung an der frischen Luft sorgt für eine positivere Grundstimmung.
2. Dienen statt dirigieren
Alois Summerer und Paul Maisberger befassen sich in ihrem Buch Teamwork agil gestalten nicht nur mit Agilität, sondern vor allem auch mit der neuen Rolle von Führungskräften bei der Teamführung. Für sie ist die „dienende Führungskraft“ das Prinzip der Zukunft – und Grundlage für agiles Teamwork. Sprich:
Es geht nicht mehr darum, dem eigenen Team zu sagen, was es zu tun hat. Vielmehr übernimmt man als Führungskraft die Aufgabe, das eigene Team zu selbstbestimmtem Handeln zu befähigen.
Eine dienende Führungskraft stellt die Interessen seiner Teammitglieder über seine eigenen. Dazu braucht es Empathie und eine gute Selbsteinschätzung. Hier erfahren Sie mehr dazu:
Basis des Prinzips der dienenden Führungskraft ist übrigens das von Robert K. Greenleaf schon vor Jahrzehnten entwickelte „Servant Leadership“. Für ihn war bereits an noch weitgehend analogen Arbeitsplätzen klar, dass nur erfolgreich führen kann, wer mutig, bescheiden, versöhnlich und vertrauensvoll ist. Übersetzt in die heutige Welt bedeutet das, dass eine Führungskraft die eigene Macht(-position) dazu nutzt, jeden Einzelnen im Team zu fördern, damit dieser sein Bestes geben kann. Und für das Team bedeutet das, Eigenverantwortung zu übernehmen bzw. übernehmen zu wollen.
3. Verständnis als Erfolgsfaktor
Mit dem kollektiven Homeoffice war es plötzlich wichtig, sich selbst besser zu organisieren. Das war für einige schon immer Selbstverständlichkeit, anderen fiel es ein wenig schwerer, den Arbeitsalltag eigenverantwortlich zu gestalten. Waren in der Pandemie zusätzliche Stressfaktoren zu meistern (Kinder im Homeschooling oder räumliche Einschränkungen, die einen ruhigen Arbeitsplatz verunmöglichten), hat die Ausnahmesituation aber auch dazu geführt, dass plötzlich bei vielen Mitarbeitenden Verständnis für die Situation des Kollegen, der Kollegin aufkam. Kinder, die Videocalls crashten, schafften es vor zwei Jahren noch in die Nachrichten. Heute gehört es dazu, dass da ein Strubbelkopf plötzlich mal hinter Mamas oder Papas Rücken erscheint. Auch beim Thema Zeitplanung zeigte man sich kulanter. Denn: Wichtig war, dass man gemeinsame Meetingzeiten einhielt und die Arbeit zum geplanten Zeitpunkt erledigt war. Zusammenfassend kann man sagen: Die Pandemie hat uns auch menschlich weitergebracht. Wir sind, so paradox es klingt, mitunter empathischer und damit die Arbeitsbedingungen oft deutlich angenehmer geworden.
Dieses neue Verständnis wird zukünftig maßgeblich Anteil daran haben, wie erfolgreich ein Team zusammenarbeitet. Denn:
Selbstgeführte Teams müssen sich gut kennen, um gemeinsam viel zu erreichen.
Dabei geht es nicht darum, mit den anderen einer Meinung zu sein, sondern darum, den Blick über den Tellerrand zuzulassen und zu hinterfragen: Was treibt den anderen an? Wo hat er seine Stärken, wo vielleicht auch Schwächen? Wie können wir zusammen am meisten erreichen? Auch hier ist wieder Empathie gefragt. Aktuell arbeiten in manchen Unternehmen fünf Generationen zusammen – da sind Konflikte vorprogrammiert. Doch wenn alle aufeinander zugehen und nicht nur aufeinander schimpfen, ist genau das ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.