Ohne Vertrauen geht es nicht
Ein Diskussionsthema beherrscht derzeit die Führungsetagen unserer Wirtschaft: Wo soll die Arbeitsleistung zukünftig erbracht werden? Zu Hause, im Büro oder in einer Mischung aus beidem? Ein Trend ist deutlich erkennbar: Hybrides Arbeiten ist die Zukunft.
Aktuell werden in Unternehmen Prozesse, digitale Tools, Anwesenheitslisten, Einrichtungen und Ausstattungen der Büros neu arrangiert. Sehr vieles ist technisch möglich, jedoch betrachten viele Führungskräfte das Redesign mit einem mulmigen Gefühl.
Insgeheim hegen viele den Wunsch, dass Mitarbeiter auch künftig ausschließlich im Büro arbeiten, ‚wie vor der Pandemie‘.
Warum bestehen so viele Führungskräfte auf die Anwesenheit im Büro? Ist es fehlendes Vertrauen in die Mitarbeiter? Oder mangelndes Selbstvertrauen in die eigenen Führungsfähigkeiten? Egal wie die Antwort ausfällt, in beiden Fällen ist Vertrauen die Basis einer erfolgreichen Führung – und das gilt ganz besonders für hybride Arbeitsweisen.
Was mancher Führungskraft nicht bekannt ist, aber durch zahlreiche Ergebnisse der Vertrauensforschung empirisch belegbar: Vertrauen hat positive Effekte auf das Unternehmensergebnis und erhöht die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Auf bilateraler Ebene bewirkt Vertrauen mehr Kooperation und eine höhere Quote bei der Zielerreichung, mehr Zufriedenheit und mehr Engagement der Mitarbeiter (vgl. IW-Report, Vertrauen in Unternehmen, 2020).
Es gibt also viele gute Gründe, um sich als Führungskraft – insbesondere in der hybriden Welt – mehr mit dem Thema auseinanderzusetzen. Vor allem damit, wie man Vertrauen aufbauen und erhalten kann. Denn Vertrauen ist der Kit, der auch über Distanzen hinweg das Team zusammenhält. Die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Max-Planck-Instituts liefern hierzu wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Forscher identifizierten die drei wesentlichen Perspektiven des Vertrauens: Vernunft, Routinen, Reflexivität.
Vernunft
Vertrauen baut sich nicht von selbst auf, etwa allein durch Zeit, die Menschen miteinander verbringen, sondern durch rationale Abwägungen beim Gegenüber – jeder Mensch hat dabei ein anderes Set von Anforderungen, die „abgehakt“ werden, wenn man sie erfüllt. Verfüge ich beispielsweise über gewisse Kompetenzen, ein generelles Wohlwollen dem anderen gegenüber oder werde als integer wahrgenommen, entscheidet der Verstand meines Gegenübers, mir zu vertrauen. Um Vertrauen aufzubauen, muss die Führungskraft also dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter solcherart verlässliche Signale der Vertrauenswürdigkeit empfangen.
Stellt die Führungskraft also beispielsweise bei einer Entscheidung im Unternehmen besondere Integrität unter Beweis und die Mitarbeiter erfahren davon, wirkt sich das positiv auf die Vertrauensbildung aus. Das gilt allerdings nur, wenn die Entscheidung nicht in Konflikte mit weiteren, anders gelagerten Erwartungen der Teammitglieder tritt. Weiterhin kann eine offene Kommunikation dem Mitarbeiter das Wohlwollen der Führungskraft zeigen: Herausstellung von Gemeinsamkeiten, Sympathien, Leistungen, Anerkennung von Einzigartigkeit oder andere positive Feedbacks:
Führungskräfte sind in der Bringschuld, wenn sie Vertrauen aufbauen möchten.
Routinen
Vertrauen wird häufig aber auch routinemäßig geschenkt. In vielen Situationen vertrauen wir, ohne länger zu hinterfragen – etwa weil wir bereits Vertrauen in die Umstände haben. Menschen orientieren sich in Routinesituationen an legitimen Regeln und Rollen aller Beteiligten. Vertrauensaufbau kann in diesem Sinne durch die Etablierung von festen, regelmäßigen Verhaltensmustern gefördert werden.
Für den Führungsalltag bedeutet dies: Setzen Sie auf einige wenige klare Regeln und Routinen! Beispielsweise können regelmäßige Stand-up-Meetings mit klaren Regeln (z. B. 10 Min Daily, wie es aus dem agilen Projektmanagement bekannt ist) zur täglichen Routine werden. Hier ist die kreative Seite der Führungskraft gefordert – speziell, wenn es um rein virtuelle und hybrid gelagerte Routinen geht.
Erfahrungsgemäß fördert ein regelmäßiges ‚Check-In‘ zu Beginn von längeren virtuellen Meetings emotionale Nähe und führt zu mehr Vertrauen.
Hier tauschen Sie kurz – fünf bis zehn Minuten – aus, was einander bewegt, von wo jemand zugeschaltet ist oder was Sie gerade abseits des Arbeitslebens interessiert. Hören Sie gut zu und geben Sie auch von sich etwas preis. Ebenfalls positiv aufs Vertrauen wirkt sich aktive „Care“-Arbeit im Team aus, etwa das Setzen von Begrenzungen von Meetingzeiten (und -marathons) und das Vermeiden von permanentem Mikromanagement.
Reflexivität
Vertrauensaufbau erfolgt generell durch (positive) gemeinsame Erfahrungen. Je mehr davon vorliegen, die positiv bewertet werden, um so vertrauensvoller ist die Beziehung. Gemeinsame Erfahrungen brauchen aber in erster Linie eins: Zeit. Gerade in der hybriden Arbeitswelt ist es wichtig, für jeden Mitarbeiter Zeit zu haben bzw. sich Zeit zu nehmen – sich aktiv zu melden und miteinander auszutauschen. Ermutigen Sie auch Ihre Mitarbeiter dazu und schaffen Sie Räume der Begegnung, virtuell, physisch und in geschickter Kombination. So können Sie etwa beim nächsten Team-„Offsite“ darauf achten, dass Kollegen, die persönlich verhindert sind, immerhin die Gelegenheit bekommen, sich im Besprechungsteil per Zoom oder Teams zuzuschalten. Grundsätzlich gilt:
Je weniger Gründe es für Vertrauen im Arbeitsalltag gibt – Umbrüche, Wandel, Verlustängste, rasante Beschleunigung –, desto wichtiger ist es, zum Vertrauensaufbau zur Verfügung zu stehen.
Alle drei erläuterten, sich mitunter ergänzende Perspektiven haben am Schluss ein Ziel: das Aufheben von Ungewissheit. Vertrauen entsteht da, wo Menschen gute Gründe haben anzunehmen, dass die gemeinsame – aber: ungewisse – Zukunft sich positiv gestalten lässt. Vertrauen geht über die guten Gründe in der Gegenwart, auf die Sie als Führungskraft erheblichen Einfluss haben, hinaus und stabilisiert die Annahmen für das Kommende. Und von dieser Stabilität profitiert nicht nur der einzelne Mitarbeiter, sondern das gesamte Miteinander, das Klima im Team und in Ihrer Organisation.