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Für Ihren individuellen Wissensvorsprung haben wir hier eine getAbstract-Zusammenfassung (ein Buch mit insgesamt 159 Seiten) zum Thema recherchiert und praktisch eingeordnet. Hätten Sie diese Arbeit selbst übernommen, wären Sie nicht weniger als 182 Minuten (ungefähr 4 Stunden) beschäftigt gewesen. Erfahren Sie mehr.

„Es hilft, die Leute aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen“

Unsere räumliche Umgebung beeinflusst, wie wir denken und handeln. Unternehmen können sich das zunutze machen und mit geeigneten Räumen Kollaboration und Innovation fördern. Ingrid Gerstbach verrät, wie es geht.

„Es hilft, die Leute aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen“
Ingrid Gerstbach / Foto: Peter Gerstbach

Frau Gerstbach, im Vorwort zu Ihrem Buch «Innovationsräume» schreiben Sie über die Macht der Räume. Welchen Einfluss haben Räume auf die Art, wie wir arbeiten?

Es ist spannend, wie Menschen sich verhalten, wenn sie in einen neuen Raum hineinkommen. Ein klassisches Beispiel: Wenn Sie in eine Kirche gehen, verhalten Sie sich doch anders, als wenn Sie in eine Diskothek gehen, oder? Der Raum selbst, die Architektur hat eine Wirkung auf uns, aber auch unsere innere Einstellung ändert sich von Raum zu Raum – wie wir glauben, dass wir uns dort zu verhalten haben, was man dort von uns erwartet und was wir darin tun können oder eben nicht. Und das macht natürlich auch etwas mit unserem kreativen Denken: Räume sind nicht der einzige, aber ein wichtiger Aspekt, den man einbeziehen sollte, wenn man Kreativität oder Innovation im Unternehmen fördern möchte.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wenn ich ein Unternehmen besuche, um es zum Thema Innovationsmanagement zu beraten, dann schaue ich mir als erstes die Räume an. Weil Räume viel darüber sagen, wie die Menschen, die darin arbeiten, ticken, wie sie miteinander umgehen und sprechen. Noch bevor irgendjemand den Mund aufgemacht hat. Wie fühlt es sich an, in diesem Raum zu sein? Ist er vollgestopft oder leer? Was machen die Farben mit mir? Wie authentisch wirkt das Ganze? Das sagt schon viel über die Innovationskultur eines Unternehmens aus. Denn: Wenn wir feststecken an einem Ort, der uns zu einem gewissen Verhalten, also in eine spezifische Rolle zwingt, blockiert uns das. Um diesen Knoten zu lösen, hilft es, die Leute aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen. Ein «Innovationsraum» kann das.

Image of: Innovationsräume
Zusammenfassung (Buch)

Innovationsräume

Wie man eine innovationsförderliche Umgebung schafft.

Ingrid Gerstbach Carl Hanser Verlag
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Wie sieht ein solcher Innovationsraum denn aus?

Ein Innovationsraum sollte Platz zum Denken bieten, Platz zum Bewegen, weil wir kreativ sind, wenn wir uns bewegen. Und wenn wir viel schreiben: Das heißt, ich brauche mindestens eine beschreibbare Wand – oder viele Whiteboards. Ich arbeite auch viel mit flexiblen Möbeln, die man leicht auf die Seite stellen kann. Gute Stühle, aber nicht zu bequeme Sessel, sonst kommt man nicht mehr hoch. Nur so viele Möbel, wie ich wirklich brauche, weil es hauptsächlich darum geht, miteinander in Kontakt zu treten, und das geht am besten, wenn genug Platz ist. Außerdem: Viel Licht, am besten natürliches. Grünpflanzen, weil wir auch Natur brauchen zum Denken, und für die gute Luft. Gute Luft ist auch ein Thema. Es gibt unglaublich viel zu bedenken:

Ein perfekter Innovationsraum entsteht aus dem gelungenen Zusammenspiel von Fläche, Licht, Materialien, Akustik, Körperhaltung, Interaktion und Technik.

Ingrid Gerstbach

Aber letztendlich kann man aus jedem Raum einen guten Raum machen, wenn man sich anschaut: Wo bin ich? Wohin will ich? Wer sind die Menschen, für die ich den Raum baue?

Bei der Raumgestaltung steht also am Anfang die Analyse, wer, aber auch wie das Unternehmen arbeitet?

Genau, die Ist-Analyse, aber auch die Soll-Analyse: Was will das Unternehmen überhaupt erreichen? Und so unterschiedlich wie die Menschen, die hier gemeinsam arbeiten, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse, was Innovationsräume betrifft. Je nach Kultur muss man das anpassen. Deswegen gebe ich auch kein Patentrezept. Und:

Natürlich bringt es nichts, wenn ein Unternehmen perfekte Innovationsräume hat, aber ansonsten sehr konservativ agiert. Die Menschen merken, dass da ein Widerspruch besteht.

Ingrid Gerstbach

An welche Art von Unternehmen richtet sich Ihr Buch?

An KMU und Unternehmen, die auch wirklich Platz für einen Innovationsraum haben. Jetzt, zu Corona-Zeiten, schreibe ich das Buch für eine zweite Auflage um. Es heißt dann «Raum für kreatives Denken». Wir weiten den Titel aus, weil Räume ganz viel mit Menschen machen. Dann wird es drei Ebenen geben. Den Arbeitsplatz, und der kann auch im Homeoffice sein. Hier frage ich: Wie kann ich ihn so gestalten, dass er meine Kreativität fördert? Dann der Meetingraum im Unternehmen: Wie kann ich diese vier Wände so arrangieren, dass sie das Denken fördern? Und schließlich das gesamte Unternehmen: Was kann ich bei der Kultur ändern?

Der Catering-Bereich in Ingrid Gerstbachs Thinking Space® in Wien als Treffpunkt während und nach einem Workshop / Foto: Peter Gerstbach

Sie geben im Buch dann konkrete Anleitungen und Tipps, beispielsweise zu den Möbeln, aber auch zur Akustik. Akustik oder Licht sind komplexe Themen: Wann sollte man sich einen Profi dazu holen?

Für komplexe Dinge wie die Akustik, etwa wenn man Räume öffnen möchte. Wir arbeiten deshalb viel mit Architekten zusammen. Wichtiger ist aber, dass das Unternehmen zu Beginn nicht zu viel in Berater, Architekten und andere Externe investiert, sondern einfach mal den eigenen Leuten, die dort arbeiten sollen, die Möglichkeit gibt, diesen Raum «einzunehmen». Ein Whiteboard, ein Flipchart: oft sind es diese kleinen Dinge, mit denen man startet. Das ist ja alles aus der Handkasse zu zahlen. Dann baut man sich einen Raum auf, bis er passt. Wenn man dann mehr investieren möchte – vielleicht, um den Raum repräsentativ zu machen -, ist Unterstützung wichtig.

Kein Raum ist von Anfang an perfekt, selbst vom besten Architekten nicht. Probieren Sie aus! Lernen Sie!

Ingrid Gerstbach

Und senken Sie dabei den Erwartungsdruck, denn daran scheitert letztendlich jede Innovation.

Wie wichtig sind Repräsentation und Corporate Identity in Innovationsräumen?

Das kann man reinbringen, aber dezent. Die Räume sollen die Mitarbeiter motivieren, gut zu arbeiten und produktiv zu sein. Da hilft es, eine ehrliche Strategie oder Vision zu haben. Damit meine ich aber nicht Post-its mit dem Corporate Design oder hübsch leuchtende Firmenlogos. Es muss authentisch sein. Weil letztendlich die Mitarbeiter die Evangelisten des Unternehmens sind. Da hilft es nichts, wenn man ihnen einen Raum hinstellt, der super fancy ist, sie sich aber dort nicht wohlfühlen.

Wie kann man Mitarbeiter motivieren, die neuen Räume und ihre Möglichkeiten, anders zu arbeiten, dann auch wirklich zu nutzen?

Indem man sie wirklich mit einbezieht und nicht vor vollendete Tatsachen stellt. Menschen mögen und nutzen, was sie kennen und schätzen.

Wenn Sie Ihre Leute zur Nutzung eines Raumes dauerhaft einladen und motivieren müssen, machen Sie was falsch.

Ingrid Gerstbach

Echte Veränderung passiert, wenn man die Menschen dort abholt, wo sie sind und sie ein Stück des Weges begleitet. Und leichte Etappen schafft. Wir können Gewohnheiten dann verändern, wenn wir etwas tatsächlich umsetzen. Man muss den Nutzen vorleben und zeigen: So könnt ihr den Raum nutzen, probiert es aus und sagt dann, ob es euch taugt oder nicht. So entsteht auch echte Bindung: Wenn man Räume verändert, dann verändert man auch ein Stück die Unternehmenskultur. Deswegen ist es auch so wichtig, sich bewusst zu sein, in welche Richtung man gehen möchte.

Wie findet man das am schnellsten und einfachsten heraus?

Beobachten Sie Ihre Mitarbeiter. Achten Sie mal darauf, welche Räume sie häufig frequentieren und wo Dinge zustande kommen. Wo etwas los ist. Dass sind oft Räume, wo sie sich zufällig treffen – die Cafeteria, Treppen oder Gänge. Diesen Austausch kann man fördern, indem man einen Raum möglichst offen gestaltet, damit sich die Leute dort gerne aufhalten. Kreativität hat auch viel mit auseinandersetzen, mit sprechen zu tun.

Die Treppe bei Steelcase München, sie verbindet sichtbar alle Stockwerke und bringt so die Leute zusammen / Foto: Peter Gerstbach

Staubige Teppiche und verkümmerte Zimmerpalmen symbolisieren das Gegenteil dieser Atmosphäre, trotzdem trifft man sie immer noch an, nicht selten rund um den persönlichen Arbeitsplatz. Welche Rolle spielt er neben dem «Innovationsraum»?

Das ist der Ort, an dem wir all die zuvor ausgetauschten Gedanken wieder sacken lassen können, an dem wir für uns arbeiten, an den wir uns zurückziehen können. Privatsphäre ist ganz wichtig. Wechselnde Arbeitsplätze funktionieren nur, wenn ein Unternehmen das auch wirklich authentisch lebt und das auch von den Mitarbeitern angenommen wird. Ich muss zudem verschiedene Persönlichkeiten abholen, gerade in einem großen Unternehmen.

Durch Corona wurde beschleunigt, dass wir vermehrt von zuhause arbeiten und uns virtuell austauschen. Was können virtuelle Räume leisten?

Genau: Corona hat den Trend nur beschleunigt. Aber für viele Unternehmen, auch für viele meiner Kunden, war Homeoffice doch etwas Neues. Das vermehrte Homeoffice hat uns vor neue Herausforderungen gestellt, weil auch die persönlichen Räume etwas mit uns machen: Normalerweise wohne und schlafe ich dort und habe einen Abstand zur Arbeit. Plötzlich muss ich zuhause einen Raum schaffen, in dem ich ruhig arbeiten, aber auch kreativ denken und diskutieren kann. Das geht über die Technik, mit Kopfhörern, und indem man sich einen Ort zum konzentrierten Arbeiten einrichtet – wenn man den Platz hat.

Hand aufs Herz: Wozu brauche ich noch ein physisches Büro in der Firma?

Übers Internet geht viel Empathie, viel bei der Sprache und auch viel Nonverbales verloren. Nicht zuletzt das Tratschen am Morgen oder über Mittag, der ungezwungene, spontane Austausch – eine wichtige Bezugs- und Sinnquelle eines Arbeitsalltags. Das ist viel wichtiger als gerade vielfach angenommen wird. Es ist nicht weniger als der Klebstoff von Unternehmen. Und das kann man sich auch irgendwann wieder zurückholen, indem das Büro ein Ort der Begegnungen wird, wo wir uns gerne treffen, um wirklich miteinander zu arbeiten. Man kann zwar auch virtuell Empathie aufbauen. Ein echtes Treffen wird Ihr Bildschirm aber nie ersetzen können.

Über die Autorin
Ingrid Gerstbach ist Expertin für Innovation und Design Thinking. Mit ihrer Agentur berät sie internationale Unternehmen.

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1 Wir haben ein Buch mit 159 Seiten für diesen Artikel gelesen und zusammengefasst.
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