Die Familie und das liebe Geld
Aktuell gibt es wieder Stress im Hause ALDI. Doch das überrascht kaum noch, denn ganz grün scheint man sich in der Discounter-Dynastie schon lange nicht mehr zu sein. Im Fokus dabei: das liebe Geld. Und so ist es häufig. Wenn in Unternehmerfamilien gestritten wird, geht es in der Regel um Geld – oder um Macht und Mitbestimmung. Im ALDI-Beispiel hat Witwe von Gründer-Bruder Theo außerdem in ihrem Testament festgehalten, dass ihre Enkel auf gar keinen Fall verantwortungsvolle Position im Unternehmen übernehmen dürfen. Nun, das schmeckt nicht jedem.
Problem 1: Es wurde vergessen, übers Geld zu reden
Es ist also klar: Die ALDIs feiern keine rauschenden Familienfeste in trauter Runde mehr. Dabei sollte man doch annehmen, dass, wo so viel Geld vorhanden ist, ausreichend für jeden zur Verfügung stünde. Aber das ist gar nicht der Punkt! Vielmehr wurde offensichtlich nicht detailliert festgehalten, wer wie und wann und in welchem Ausmaß finanziell partizipieren soll, darf, kann. Und das ist mit wachsender Anzahl an involvierten Generationen oftmals ein K.O.-Kriterium.
Familien verlieren ihr Unternehmen in der ersten Generation mangels Einsicht, in der zweiten mangels Harmonie und in der dritten aus Mangel an Interesse.
Kirsten Baus
Ob es wirklich wahr ist, dass sich der eine oder andere Familienspross über Jahre stattliche Summen ausgezahlt hat, wie in den Medien suggeriert wurde, werden wir wahrscheinlich nie mit Sicherheit erfahren. Doch wir dürfen annehmen, dass auch beim Super-Discounter versäumt wurde, eine eindeutige Familiencharta oder eben Familienverfassung anzufertigen. Und das ist nicht verwerflich, das ist nur grob fahrlässig. Vor allem, wenn man zu den zehn größten Einzelhandelsgruppen weltweit gehört, und damit unter anderem für die Arbeitsplätze von rund 200’000 Mitarbeitern verantwortlich ist.
Problem 2: Es gibt kein klares Wertesystem
In Deutschland ist der Großteil der Unternehmen in familiärer Hand, viele davon sind auch sehr erfolgreich. Doch schaut man hinter die Kulissen, schwelen häufig Konflikte – oder sie werden offen ausgetragen. Nicht alle wecken das mediale Interesse, trotzdem ist es für alle schwierig, wenn es untereinander Streitigkeiten gibt. Was für die Familienmitglieder gilt, gilt übrigens auch für die Mitarbeiter: Diese stehen nicht selten zwischen den Stühlen, können und wollen sich nicht für eine Partei entscheiden.
Damit es erst gar nicht so weit kommt, braucht es ein klares Wertesystem. Dieses gibt den Weg vor, und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Nur klare und vor allem gemeinsame Werte verhindern langfristig Zersplitterung und Entfremdung. Am besten vermittelt schon der Gründer oder die Gründerin der nachwachsenden Generation Loyalität zur Familie und zum gemeinsamen Vermögen.
Problem 3: Es gibt keine Familienstrategie
Ein erfolgreiches Familienunternehmen, dass über die Jahre gesund wächst und gedeiht, verfolgt auch eine klare Strategie. Diese Familienstrategie ist nicht dasselbe wie die Unternehmensstrategie. Im Fokus steht nämlich die funktionierende und geeinte Familie, die als Basis dient, damit sowohl das Unternehmen wie auch das Vermögen Bestand haben.
Teil dieser Strategie ist die Familiencharta. In dieser wird detailliert aufgeführt, wer welche Rechte und Pflichten im Unternehmen hat. Vor allem aber steht da auch schwarz auf weiß wie das mit den Finanzen geregelt wird, selbstverständlich auch mit Blick auf Ausschüttungen an die Gesellschafter.
Ausschüttungen an Familienmitglieder bieten innerhalb eines traditionellen Familienbetriebs einen fruchtbaren Boden für Konflikte. Deren Management wird besonders in der Anfangszeit sträflich vernachlässigt und oft in späteren, florierenden Jahren nicht neu (oder: endlich einmal) organisiert. Es zeigt sich immer wieder, dass die Gründer in den meisten Fällen das Geld in den ersten Jahren in der Firma belassen, um das Wachstum voranzutreiben. Später zahlen sie sich Summen aus, die der weiteren Entwicklung nicht schaden.
Merke: Alles andere sollten Sie sich besonders gut überlegen.
Problem 4: Ausschüttungen werden nicht ordentlich berechnet
Rückt nun die 2. oder 3. Generation nach, will nicht selten jeder mitreden, besonders wenn das Unternehmen Erfolg hat. Das ist absolut in Ordnung. Es sollten jedoch die in der Familiencharta festgehaltenen Regeln bei der Verteilung zur Anwendung kommen. Experten raten hier dazu, dass grundsätzlich für die Höhe von Ausschüttungen die Nettoverschuldung als Berechnungsbasis herangezogen werden sollte.
Die Ausschüttungspolitik ist ein Feld, das sich für Machtspiele zwischen Inhabern und Unternehmensführung oder auch unter den Inhabern geradezu anbietet.
Hermut Kormann
Im Grunde steht das Unternehmen bei allen finanziellen Entscheidungen im Fokus. Ihm muss es gutgehen. Daher braucht es auch stets ausreichend finanzielle Reserven, die auf der einen Seite in Innovationen investiert werden, und auf der anderen in Krisen zumindest über einen gewissen Zeitraum Stabilität garantieren. Die Ausschüttungspolitik beinhaltet feste Quoten oder feste Beträge, aber auch Luft für einen gewissen Entscheidungsrahmen. Kurz: Es braucht klare Regeln in Bezug auf eine Minimal- und Maximalausschüttung.
Zeiten ändern sich, und bekanntlich erschüttern Krisen immer mal wieder das internationale Wirtschaftsleben. Damit der zuvor festgelegte Spielraum (s. oben) nicht ausgenutzt werden kann, oder Familienmitglieder sich mittels diffuser Auslegung dieses Spielraumes einen Vorteil verschaffen, werden in der Familienstrategie faire Spielregeln definiert, die für alle gleich gelten. Diese sollten aber mithilfe von externen Beratern oder, idealerweise, einem Beirat periodisch überprüft werden. Letzterer kann auch bei der Festlegung über die Gewinnverwertung unterstützen.
Fazit
Folgende Aspekte sollten außerdem in der Familiencharta aufgeführt werden:
- verantwortungsbewusste Familien- und Unternehmensführung
- Rollen und Aufgaben der aktiven und inaktiven Gesellschafter und ihrer Familienangehörigen in der Familie selbst, im Unternehmen sowie in der Wirtschaft allgemein
- Gesellschafterstrukturen und -prozesse, Organe der Interessenvertretung
- Kompetenzen der Gesellschafter und Familienangehörigen,
- Spielregeln für Kommunikation, Zusammenleben und Zusammenarbeit der Gesellschafter
In der Discounter-Dynastie ALDI dürfte wohl der eine oder andere Aspekt über die Jahre an Relevanz verloren haben. Es bleibt aber zu hoffen, dass man sich irgendwie zusammenrauft. Ein weiteres Watergate à la Schlecker braucht es aktuell nicht.