Der eiskalte Macher – ein Auslaufmodell
Ein Weichei auf der Führungsetage? Never ever. Wer sich als Manager von seinen Emotionen leiten lässt, kann keinen Respekt von seinen Mitarbeitern erwarten. So der oft gehörte Alltagstenor in vielen Unternehmen. Doch damit könnte schon bald Schluss sein. Zumindest wenn man aktuellen Studien und Umfragen Glauben schenken darf, die feststellen, dass vor allem die emotionale Kompetenz der Führungskraft über Erfolg oder Misserfolg von Teams, Abteilungen, ganzen Unternehmen entscheidet.
Ein hübsches Beispiel ist für einmal Pepsi-Cola. Genau, der Getränkeriese aus Purchase. Er ließ vor nicht allzu langer Zeit seine Führungsriege durchleuchten, und stellte dabei fest, dass Führungskräfte mit ausgeprägter emotionaler Kompetenz das zu liefernde Soll ihrer Abteilungen um 15 bis 20 Prozent überschritten. Die „knallharten Macher“ alter Schule hingegen lagen mit ihren Teams bis zu 20 Prozent unter den gesteckten Zielen.
Nun stellt sich die Frage: Welche Eigenschaften braucht eine Führungskraft, um das offenbar oft brachliegende Potenzial im eigenen Team auszuschöpfen? Die Kurzfassung: Empathie, Inspiration und Motivation. Und das nötige Quäntchen Selbstmanagement. Aber der Reihe nach.
Empathie als Karrierebooster
Die kompetente Führungskraft von heute hat mehr zu bieten als sauber gestempelte Zeugnisse, gute Referenzen und Fotos vom Opernball. Sie überzeugt vor allem mit weichen Faktoren wie „Emotionaler Intelligenz“. Das Ganze ist nicht neu, die Bibel zum Thema wurde schon 1995 von Daniel Goleman geschrieben und seither x-fach neu aufgelegt.
An Aktualität hat das Thema also nicht verloren, doch hat sich Emotionale Intelligenz über die Zeit zu einer Metafähigkeit in Führungs- und Chefetagen gemausert. Der Psychologe und Resilienz-Experte Denis Mourlane definiert „Emotionale Führung“ sogar als Befriedigung der fünf menschlichen Grundbedürfnisse.
Alles dreht sich um Ihre eigenen und die Emotionen anderer Menschen.
Denis Mourlane
Menschen wünschen sich Bindung und Orientierung, parallel suchen sie nach Lustgewinn, Selbstwerterhöhung und Kohärenz. Daher ist es wichtig, dass eine Führungspersönlichkeit die zugrundeliegenden Bedürfnisse hinter Taten und Handlungen seiner Mitarbeiter erkennt und diese bestmöglich bedient.
Der Chef von heute ist inspirierendes Vorbild
Andere Psychologen und auch Coaches gehen sogar noch weiter und raten Führungskräften dazu, auf emotionaler Ebene nahbar zu sein. Der „nette Chef“ als neues Management-Modell. Anders ließen sich die Herausforderungen wie VUKA und die Ansprüche der Generation Y nicht bewältigen. Im Fall von Wolfgang Jenewein, seines Zeichens Führungskräftetrainer, sind es die vier „I“s, die eine erfolgreiche Führungspersönlichkeit und ihr Handeln von einer weniger effizienten unterscheiden.
- Identifizieren: Seien Sie Mitarbeitern ein Vorbild.
- Inspirieren: Motivieren Sie Mitarbeiter, jeden Tag das Beste aus sich herauszuholen. Stellen Sie dabei das gemeinsame Ziel in den Fokus aller Bemühungen.
- Intellektuell: Nutzen Sie das Wissen Ihrer Mitarbeiter, denn Sie können nicht alles selbst wissen. Appellieren Sie an ihren Intellekt, binden Sie jeden einzelnen in Entscheidungen und Weiterentwicklungen mit ein.
- Individuell: Gehen Sie auf die persönlichen Stärken jedes Mitarbeiters ein und wecken Sie die Lust in ihm, diese auch einzubringen.
Erst kürzlich haben wir Jenewein zum neuen Corona-Kontext seiner Entdeckungen interviewt:
Das verbindende Element ist die Motivation
Zurück zur Emotionalen Führung. Schaut man sich die unterschiedlichen Herangehensweisen unter dem Aspekt der Gemeinsamkeit an, stoßen wir immer wieder auf das eine Wort: Motivation. Und um nichts anderes geht es im Grunde. Wer es schafft, seine Mitarbeiter auf emotionaler Ebene ab- und so mit ins Boot zu holen, der wird einen Kahn voller intrinsisch motivierter Teammitglieder haben. Jeder für sich wird alles tun, damit das Boot – in diesem Fall: das Unternehmen – auch in stürmischen Zeiten nicht kentert. Das ist zwar auf hoher See keine Lebensversicherung. Aber wer schon mal versucht hat, ein Schiff mit unmotivierter Crew auch nur zum Auslaufen zu bringen, weiß, was den Unterschied ausmacht.
Motivierend delegieren, kontrollieren, kritisieren
GABAL Zusammenfassung ansehenDie gute Führungskraft führt sich zuerst selbst
Ihre Aufgabe als Kapitän ist es, zu erkennen, wer wo am besten aufgehoben ist. Und das finden Sie ziemlich schnell heraus, wenn Sie sich für jeden einzelnen an Bord interessieren, also auf ihn eingehen. Nutzen Sie dabei auch Ihre eigenen Emotionen. Entgegen der landläufigen Meinung sind Gefühle gute Ratgeber.
Machen Sie die Dinge jedoch erst einmal mit sich selber aus. „Emotional Führen“ ist nämlich kein Synonym oder ein Freifahrtschein dafür, sich als Chef gehenzulassen, also ungefiltert alles rauslassen zu dürfen, was Ihnen so gefühlstechnisch in den Sinn (oder in den Bauch) kommt.
Versuchen Sie stattdessen, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu hinterfragen. Sie können lernen, Ihre Emotionen aktiv zu beeinflussen. Wobei auch allgemein als negativ definierte Gefühle Grundlage positiver Ergebnisse sind. So zeigt sich immer wieder, dass Angst einer der größten Motivatoren ist. Dabei geht es nicht um Panik, sondern um das Wissen, dass es auch anders laufen könnte, wenn man nicht wachsam bleibt. Für Ihre Crew bedeutet das: Jeder im Boot sollte stets im Hinterkopf haben, dass ein Schiff auch sinken kann. Nur dann wird er alles daransetzen, genau das zu verhindern.
Nächste Schritte
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