Lost in Transformation
Kein Tag vergeht, ohne dass wir über Transformationen lesen … oder darüber sprechen, streiten, diskutieren, philosophieren. Egal ob sie digital, persönlich, beruflich oder technisch ist. Das Leben ist eine konstante Veränderung. Doch nicht selten bringt uns eine Transformation an unsere Grenzen. Denn es bedeutet, Gewohntes, Sicheres loszulassen. Sich aus der Komfortzone herauszuwagen und Neues zu gestalten. Und wenn wir uns selbst damit schon schwertun, wie sollen wir dann noch andere dazu bewegen, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen? Doch genau das wird von Leadern und Führungskräften heute verlangt …
Veränderungen stressen uns
Während Sie diesen Text lesen, sterben Sie. Beziehungsweise einige Teile von Ihnen. Pro Sekunde sind es rund 50 Millionen Ihrer Zellen, die ungefragt ihren Dienst quittieren. Die gute Nachricht: Unser Körper produziert im gleichen Zeitrahmen genauso viele neue. Konstanter Wandel, stetige Veränderung ist Teil unserer DNA. Wir verändern uns im Sekundentakt. Legen Altes ab, um Neuem Platz zu schaffen. Und das tun wir, ohne wirklich bewusst daran teilzuhaben. Und es tut nicht mal weh. Es ist menschlich und normal.
Transformation ist somit immer und überall. Doch in unserem beruflichen Leben wird sie oft künstlich aufgeblasen oder, noch schlimmer, dramatisiert. Und das setzt Führungskräfte unter Druck. Zudem gilt es oft, verschiedene Übergange, Veränderungen, Transformationen parallel zu managen, und das, was man sich eigentlich an Transformation wünscht, wird gar nicht wirklich kommuniziert. Kein Wunder, dass in diesem Moment unsere menschlichen Urinstinkte eingreifen. In diesem Fall:
- Wir sind Gewohnheitstiere – sind bequem und fühlen uns in vertrauten Situationen wohl. Wir lieben unsere Komfortzone. Routinen machen das Denken einfacher.
- Wir hassen das Unbekannte – wir wollen die Kontrolle behalten und wissen, dass unsere Existenz nicht bedroht ist.
- Wir müssen Sinn, Zwang oder Nutzen von Veränderungen verstehen – fehlt es an Kommunikation und verstehen wir das Ziel nicht, machen wir dicht.
- Wir tun uns mit Komplexität schwer – sie überfordert uns auf Dauer.
- Wir verfügen oft über ein starres Selbstbild – eine Persönlichkeitsstruktur, die viel Stabilität braucht, wird durch Neues destabilisiert.
Veränderungen gemeinsam gestalten
Und genau deshalb ist es wichtig, dass Sie – betraut mit der Aufgabe einer beruflichen Transformation – sich zuerst einmal fragen: Was macht die Transformation so schwer? Für mich persönlich? Wie will ich sie angehen? Wie lässt sie sich umsetzen? Und gehen Sie auch der Frage auf den Grund, welche Steine Ihnen vielleicht in den Weg gelegt werden (könnten). Und klären Sie vor allem den Hintergrund des gewünschten Wandels: Kommt der Wunsch von innen oder außen? Beziehungsweise: Welche Veränderungen werden durch Politik, Weltgeschehen, Fortschritt notwendig? Und welche sind aus der Organisation heraus gewünscht? Wenn Sie diese Dinge für sich klären, dann wird es auch einfacher, die Mannschaft mit ins Boot zu holen. Und ohne geht es eben nicht.
Ich begleite meine Klientinnen und Klienten teilweise viele Jahre lang. Und mir werden immer wieder die folgenden Fragen gestellt: Wie nehme ich die Menschen, Mitarbeitenden, die Stakeholder mit, wenn ich für mich selbst identifiziert habe, dass die Transformation wichtig ist? Wie schaffe ich es, Sinn und Zweck der Mission klar zu kommunizieren, sodass möglichst viele von Beginn an mitmachen?
Mein Rat an dieser Stelle: Nehmen Sie die Unsicherheit der Menschen ernst. Sprechen Sie darüber, was sich verändern wird und welche Auswirkungen das auf die jeweiligen Aufgaben und Rollen der Menschen hat.
Seien Sie ehrlich, dass Sie in gewissen Bereichen nur Prognosen liefern können. Kommunizieren Sie klar, dass einige Dinge sich erst herauskristallisieren, wenn Sie sich auf der gemeinsamen Reise befinden. Aber verdeutlichen Sie, dass diese Reise wichtig ist. Und apropos Reise: Nutzen Sie dieses Bild und sprechen Sie davon, wenn es um Transformation geht. Machen Sie deutlich, dass es jeden braucht, um das Ziel zu erreichen. Und dass nicht alle Reisedetails feststehen und jeder sich einbringen kann, wenn es um die Route, die Tools geht. Manchmal passiert Unerwartetes – aber so geht’s uns ja auch im Urlaub. Oder haben Sie nicht schon einmal erlebt, dass selbst die gebuchte All-inclusive-Reise nicht zu hundert Prozent verlief wie geplant …
Veränderungen vorweg schon erahnen
Damit Changes gelingen, braucht es Bewusstsein und Bewusstheit. Wenn ich Kandidaten interviewe, will ich daher immer zuerst wissen, wie sie mit Unsicherheit der Transformation umgehen. Denn es ist klar: Wenn Sie eine neue Führungsrolle übernehmen, erwartet man von Ihnen, dass sich Dinge ändern. Dass es „besser oder zumindest anders wird“. Diese vier Dinge sind dabei besonders wichtig und Sie sollten die für Sie richtigen Antworten darauf schon vorher wissen.
- Was haben Sie für Handwerkszeug?
- Wie resilient sind Sie?
- Haben Sie in Ihrer Vita schon bewiesen, dass Sie widerstandsfähig sind, oder wechseln Sie immer, wenn der Wind härter wird?
- Und was glauben Sie ist die Survival-Task in Ihrer neuen Rolle?
Besonders Frage 4 hat es in sich. So wollen die Kandidatinnen und Kandidaten natürlich durch das Gespräch mit mir, aber vor allem im Austausch mit dem jeweiligen Unternehmen so viel Überraschungspotenzial wie möglich vorwegnehmen. Einige bereiten sich gut vor, lesen Bilanzen und Analysen, versuchen die Kultur zu erahnen und befragen Menschen, die dort schon arbeiten. Sie versuchen bereits vor dem finalen „Ja“ für sich herauszufinden, wie das Unternehmen tickt. Welche Ziele es verfolgt. Und das ist gut so. Aber einfach ist das nicht. Denn was man wirklich von Ihnen erwartet, werden Sie erst erfahren, wenn Sie bereits drinstecken im neuen Job. Und genau das ist mit „Survival-Task“ gemeint.
Change Management: Das Zugvogel-Prinzip
Carl Hanser VerlagDas Werkzeug für erfolgreiche Veränderung
Ein Erfolgsrezept oder eine Erfolgsstory in einem Unternehmen und auch auf einer bestimmten Ebene heißt nicht, dass das woanders und in einer anderen Rolle auch funktioniert. So kann eine Managerin in einem hoch kompetitiven, dynamischen Umfeld sehr erfolgreich sein, und nach dem Wechsel in eine konservativere Branche und in ein Unternehmen, wo es sehr um Fachlichkeit, Zugehörigkeit und Understatement geht, scheitert sie. Und genau darum sollten Sie alles daransetzen, Ihre Survival-Task bereits vor der Unterschrift herauszufinden. Dann können Sie entscheiden, ob Sie diese Transition stemmen können. Für sich persönlich und auch gemeinsam mit Mitarbeitenden.
Zusammengefasst: So wie Sie Ihr Zellensterben nicht aufhalten, werden Sie sich nicht gegen Transformation zur Wehr setzen können. Aber Sie können sich einen Werkzeugkasten zulegen, der es einfacher macht.
- Flexibilität und Adaptivität. Nicht mehr der Schnellste oder „Survival of the Fittest“ wird überleben, sondern der oder die Anpassungsfähigste.
- Neugier und Mut. Experimente waren schon immer der Ursprung von Innovation.
- Lernbereitschaft und Offenheit. Die Bereitschaft, sich auf neue Dinge einzulassen, ist Grundlage für Weiterentwicklung.
- Resilienz und Belastbarkeit. Aufgeben ist eigentlich niemals eine Option.
- Innovationslust und Lösungsorientierung. Es geht immer um die Fragen „Was ist noch möglich?“ oder „Was wäre besser in diesem Fall?“
Das ist alles nicht neu. Aber elementar. Das Wichtigste aber ist: Haben Sie keine Angst vor Transitions. Nehmen Sie diese aber auch nicht auf die leichte Schulter. Schwierig wird es immer sein, aber man kann sich und auch andere darauf vorbereiten. Dann geht man auch nicht auf der Reise verloren.