Wider den Zweifel
„Ich mache mir immer wieder Vorwürfe, dass meine Malerei nicht wert ist, was sie kostet“, sagte Vincent Van Gogh zu Lebzeiten einmal. Seine Werke wurden damals bereits für hohe zweistellige Millionenbeträge versteigert (wobei das Geld leider nicht bei ihm landete). Doch trotz der Wertschätzung seiner Werke zweifelte er daran, ein guter Maler zu sein. Daher würden Psychologen bei ihm heute das sogenannte Hochstapler- oder auch Impostor-Syndrom diagnostizieren. Also chronische Selbstzweifel basierend auf einem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit.
Grund für die Zweifel ist in aller Regel eine verzerrte Selbstwahrnehmung. Man hat das Gefühl, nie gut genug zu sein. Oder Dinge nie perfekt zu machen. Man strengt sich immer weiter an und dennoch stellen einen die Ergebnisse nicht zufrieden. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft nimmt die Zahl derer, denen es so geht, konstant zu. Und vielleicht haben Sie sich selbst gerade wiedererkannt. Sollte dem so sein, können die folgenden Buchvorschläge aus unserer Bibliothek vielleicht ein erster Schritt zu einem besseren Selbstbewusstsein und einer gesunden Selbstwahrnehmung sein. Ein Versuch ist es doch wert, oder nicht?
Das Federleicht-Prinzip
Das Federleicht-Prinzip nennen Psychologin Laura Kellermann und Professor Jens Weidner eine Methode, um besser mit den eigenen Selbstzweifeln umzugehen. Im ersten Schritt raten die beiden zu einer „Inventur der eigenen psychologischen Ressourcen“ – einer ehrlichen Bestandsaufnahme des eigenen Lebens also. Die folgenden Fragen unterstützen Sie dabei:
- Was wäre die beste Version von Ihnen?
- Über welche Stärken verfügen Sie?
- Was schätzen andere an Ihnen? Dazu können und sollten Sie übrigens auch mal Ihr Umfeld befragen.
- Wann empfinden Sie Dank, Glück und Stolz?
- Was gefällt Ihnen in Ihrem Leben und sollte daher so bleiben?
- Wo gibt es Änderungsbedarf?
- Was würden Sie jemandem raten, der sich in der gleichen Lage wie Sie befindet?
Wichtig bei der Beantwortung dieser Fragen ist, dass Sie ehrlich zu sich selbst sind, aber eben auch nicht zu selbstkritisch. Erstellen Sie basierend auf den Antworten einen Veränderungs- und Entwicklungsplan. Einmal in der Woche sollten Sie zudem Zeit reservieren, um zu reflektieren, ob Sie bei der Umsetzung des Plans noch auf dem richtigen Weg sind.
Dein Motto sollte lauten: ‚Lieber unperfekt starten als perfekt ein Leben lang warten.‘ Sonst kann keine federleichte Karriere gelingen.
Laura Kellermann & Jens Weidner
Im zweiten Schritt beginnen Sie an Ihren Denk- und Handlungsweisen zu arbeiten. Oder diese zu verändern. Wenn Sie eine neue Aufgabe beginnen, seien Sie zuversichtlich. Und arbeiten Sie die Aufgabe gewissenhaft Schritt für Schritt ab. Machen Sie auch mal eine Pause. Wenn die Aufgabe beendet ist, dürfen Sie stolz sein, es geschafft zu haben. Reflektieren Sie: Was haben Sie gelernt? Wo gibt es eventuell noch Verbesserungsbedarf? Ist es mal nicht so gut gelaufen, machen Sie sich bewusst, dass es ohne Sie noch schlechter gelaufen wäre. Schauen Sie nicht durch eine Negativbrille, sondern versuchen Sie, die Dinge positiv zu sehen. Jede Situation, jedes Ergebnis lässt sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. Gedanken sind immer subjektiv – genauso wie Ihre Wahrnehmung. Sie nehmen Dinge wahr und reagieren darauf. Dazwischen aber interpretieren Sie die Dinge für sich und das basierend auf Ihren Erfahrungen, Ihrer Einstellung, Ihrer Überzeugung. Wenn Sie also Schlechtes sehen wollen, werden Sie auch Schlechtes sehen. Wenn Sie sich aber vornehmen, sich auf die guten Aspekte zu konzentrieren, wird Ihre Reaktion sich verändern. Sicher braucht das Übung, macht das Leben aber auf Dauer lebenswerter.
Take-aways:
- Bekämpfen Sie Ihren Perfektionismus, etwa indem Sie Ihren Zeiteinsatz für eine Aufgabe reduzieren.
- Machen Sie sich bewusst, dass Sie Situationen subjektiv bewerten, und erlernen Sie neue Denkmuster.
- Das Impostor-Syndrom tritt oft als sich selbst verstärkender Zyklus auf.
In Bewegung kommen
Erfolg führt zu Versagensangst – eigentlich absurd, aber Menschen mit dem Impostor-Syndrom erleben genau das. Wenn ihnen etwas gelingt, zweifeln sie nicht nur daran, dass es gut gelungen ist. Sie setzen sich zudem unter Druck, weil sie befürchten, es beim nächsten Mal nicht hinzubekommen – obwohl das jetzt von ihnen erwartet wird. In der Folge verspüren sie Angst, Panik und am Ende dann das Gefühl, Dinge gar nicht mehr angehen zu können.
Die Gründe, warum sich Menschen für inkompetent halten, sind unterschiedlich. Das Naturtalent, dem alles mühelos gelingt, ist sofort verunsichert, wenn das einmal nicht der Fall ist. Etwas nicht sofort zu können, bedeutet für das Naturtalent, inkompetent zu sein. Der Perfektionist will immer makellose Leistungen erbringen. Alles andere ist für ihn ein Zeichen, versagt zu haben. Der Superheld will super sein, und das in allen Lebensbereichen. Wird er im beruflichen Kontext gelobt, denkt er sich sofort, wie schlecht es im Privaten läuft – und dass die Leute ihn bestimmt als inkompetent wahrnehmen würden, wenn sie davon wüssten. Ähnlich geht es dem Experten. Kann er mal eine einzige Frage nicht beantworten, hält er sich pauschal für dumm. Und der Einzelgänger geht davon aus, alles allein schaffen zu müssen. Wenn er um Hilfe bitten muss, hat er das Gefühl, versagt zu haben.
Sie sollten sich bewusst darüber werden, welche Grundüberzeugungen Sie zur ständigen Selbstkritik veranlassen. Denn dann können Sie sie ganz gezielt hinterfragen.
Michaela Muthig
Je nach Typ helfen andere Strategien. Grundsätzlich aber sollten Sie damit beginnen, die eigenen negativen Gedanken zu hinterfragen. Finden Sie heraus, woher diese kommen. Nicht selten werden Sie die Antwort in der Kindheit finden. Hier sind viele Glaubenssätze entstanden. Hilfreich ist es, wenn Sie jeden Tag alle 15 Minuten aufschreiben, was Sie denken – und ob diese Gedanken gut oder schlecht sind. Daneben könnten Sie alles aufschreiben, was Ihnen an einem Tag gut gelungen ist, wo sich Ihre Stärken gezeigt haben und in welchen Situationen Sie Erfolg hatten.
Auch wenn Sie das anders empfinden – Sie können im Grunde nicht „auffliegen“. Es gibt eigentlich keine Inkompetenz, die Sie verheimlichen müssen. Doch die Angst davor wird zu einer Spirale, die einen immer mehr in den Sog zieht und das Gefühl verstärkt, nichts zu können, nichts zu wissen und eigentlich überflüssig zu sein. Sobald Sie spüren, dass der Sog wieder stärker wird, bewegen Sie sich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Kehren Sie dann zur Aufgabe zurück. Schreiben Sie Ihre Ideen auf ein Blatt Papier – und nein, die müssen nicht gut sein. Hier geht es um Quantität, darum, dass Sie einfach loslegen, und nicht um Qualität. Anschließend machen Sie eine Pause und überarbeiten die Ideen am kommenden Tag. So schlagen Sie der Blockade in Ihrem Kopf ein echtes Schnippchen.
Take-aways:
- Kindheitserfahrungen begünstigen die Ausbildung eines Impostor-Syndroms, Social Media verstärken es noch.
- Gehen Sie Ihren negativen Gedanken und Bewertungen auf den Grund, indem Sie immer weiter nach den Gründen dahinter fragen.
- Wenn Sie bei Aufgaben blockiert sind, bewegen Sie sich, fangen Sie klein an und akzeptieren Sie ausreichende Leistungen.
Die Kunst, dein Ding zu machen
Wenn es um das Thema Selbstoptimierung geht und um eine erfolgreiche Methode, mit Selbstzweifeln umzugehen, dann kommt man an Christian Bischoff nicht vorbei. Er ist quasi der deutsche Godfather in Sachen Selbstzweifel überwinden und ein selbstbewusstes Leben gestalten. Er meint etwa, dass Menschen oftmals gar keine konkreten Lebensziele haben und daher auch gar nicht wissen, worauf sie hinarbeiten sollen und wollen. Seine Tipps, um das Gefühl von Hilflosigkeit, Angst oder auch Schuld zu überwinden, sind auf jeden Fall interessant. Daher hier seine Top 5 für Selbstoptimierer:
- Erzählen Sie von sich – anderen, aber vor allem sich selbst: worin Sie gut sind, wobei Sie Erfolg hatten, wann Sie eine gute Idee hatten, wo Sie Ihr Bestes geben, was Sie noch lernen können, wer Sie geliebt hat und wen Sie glücklich gemacht haben.
- Stellen Sie sich Ihren Ängsten, Schritt für Schritt. Machen Sie sich bewusst, dass die Bedrohung gar nicht existiert oder zumindest um einiges kleiner ist als angenommen.
- Ein Job, der nicht nur dafür da ist, Geld zu verdienen, fördert auch das Selbstvertrauen.
- Lassen Sie los, sowohl unschöne Macken als auch negative Menschen und Erfahrungen.
- Dankbarkeit – sagen Sie sich jeden Tag, dass Sie glücklich sind, selbst entscheiden zu können und zu dürfen. Seien Sie dankbar für all die guten Dinge im Leben.
Take-aways:
- Das A und O in Sachen Selbstvertrauen ist, dass man etwas dafür tun muss.
- Selbstvertrauen ist keine Frage des Geldes.
- Seien Sie dankbar – im Fall eines Misslingens auch für die Chance und Herausforderung.