Emotionale Intelligenz
Vor einem Jahr veröffentlichte das Capgemini Research Institute eine Studie zum Thema Emotionale Intelligenz. Das Fazit: Emotionale Intelligenz wird zur wichtigsten Kernkompetenz im digitalen Zeitalter werden. Die Nachfrage nach Führungskräften und Mitarbeitern mit einem hohen Emotionalen Quotienten (EQ) werde, so die Befragten, international um das sechsfache steigen. Denn: Unternehmen mit vielen emotional intelligenten Mitarbeitern streichen im Schnitt 20 Prozent höhere Gewinne ein.
Anforderungen verschieben sich
Einer der Gründe für diese steigende Nachfrage ist, so Capgemini, die zunehmende Automatisierung der Arbeitswelt: Routineaufgaben werden immer öfter von Maschinen – mit oder ohne künstliche Intelligenz – übernommen. Für Mitarbeiter aus Fleisch und Blut bleiben also die Verantwortungsbereiche übrig, in denen Dinge wie Empathie-Empfinden und Beziehungsmanagement wichtig sind. Also all die Sachen, die wir mit entsprechenden Soft Skills beackern müssen.
Ob jemand emotional intelligent ist oder nicht, wird also künftig stärker darüber entscheiden, ob jemand einen Job bekommt oder nicht. Sie gehört gerade im Rahmen der Vergabe von Führungspositionen mittlerweile zum K.O.- oder eben Go-Kriterium.
Das Verrückte dabei? Eine allgemein gültige, klar umrissene Definition, was damit eigentlich gemeint ist, gibt es bis heute nicht. Fragen wie die folgenden sind daher weitverbreitet: Wofür steht der Begriff eigentlich? Was ist gemeint, wenn eine Führungskraft die eigene Mannschaft aufgrund eines hohen EQs zu Spitzenleistungen antreibt? Und wer hat’s eigentlich erfunden? Es folgen: die Antworten.
Ein Begriff mit vielen Ursprüngen
Zäumen wir das Pferd zuerst von hinten auf. Assoziiert mit der Popularisierung des Begriffs Emotionale Intelligenz wird gemeinhin der amerikanische Psychologe Daniel Goleman. Er hat ihn allerdings nicht wirklich erfunden, sondern lediglich als erster im Jahr 1995 ein Buch darüber geschrieben. Bereits 75 Jahre vorher hatte Edward L. Thorndike die Bezeichnung der Sozialen Intelligenz geprägt und meinte damit, dass man „andere versteht, und weiß, wie man sie motivieren kann“. Ihm folgte Howard Gardner mit der Zwischenmenschlichen Intelligenz, und 1985 betitelte Wayne Payne seine Dissertation mit A Study of Emotion: Developing Emotional Intelligence.
Die besten Entscheidungen, die dynamischsten und rentabelsten Unternehmen sowie die glücklichsten und erfolgreichsten Biographien beruhen auf emotionaler Intelligenz, und nicht auf IQ oder der alleinigen Herrschaft des Verstandes.
Robert K. Cooper & Ayman Sawaf
Erst Golemans Buch traf aber vor 25 Jahren auf eine aufgewühlte Gesellschaft, die gerade erlebte, wie die Industrielle von der Digitalen Revolution abgelöst wurde. Und damit war plötzlich vieles anders: Die Menschen suchten nach Antworten, und fanden zumindest einige in Golemans Ausführungen. Vor allem, weil er das Menschliche mehr in den Fokus rückte: Weg von der Maschine, dem Standard, zum Humanen und Individuellen.
Vier Eigenschaften als Eckpfeiler der Emotionalen Intelligenz
Goleman beschreibt einen Menschen als emotional intelligent, wenn er die folgenden vier Eigenschaften aufweist – und zwar in geballter Form und am besten in Perfektion:
- Selbstwahrnehmung: Die eigenen Gefühle nicht nur bewusst wahrnehmen, sondern diese auch verstehen können.
- Selbstmanagement: Die eigenen Gefühle und damit einhergehend die Handlungen bewusst kontrollieren können.
- Empathie: Die Gefühle anderer verstehen und auf diese eingehen können.
- Beziehungsmanagement: Zwischenmenschliche Beziehungen verstehen und diese damit auch beeinflussen können.
Alle Eigenschaften lassen sich laut Goleman trainieren, was wiederum zahlreiche Kritiker auf den Plan ruft, die das als absolut wahnwitzige Idee abtun. Diese ebenfalls psychologisch geschulten und gebildeten Kritiker sind fest davon überzeugt, dass es dringend gewisse psychologische Grundvoraussetzungen braucht, damit ein Mensch alle genannten Eigenschaften in ausgeprägter Form und damit Emotionale Intelligenz entwickeln kann. Es sei wie in jeder Sportart und allen anderen Fähigkeiten: Den einen liegt es im Blut, durch Training zu Höchstleistungen fähig zu sein, der Rest wird über einigermaßen gute Ergebnisse oder eben das „Seepferdchen“ nicht hinauskommen.
Intelligente Führung mit EQ
Wie lässt sich also etwas, das nicht wirklich eindeutig beschrieben werden kann, im (beruflichen) Alltag nachweisen? Und wie zeigt sich Emotionale Intelligenz im täglichen Führungsverhalten?
Grundsätzlich ist die Antwort: Die Qualität der Entscheidungsfindung wie auch der Beziehungen innerhalb eines Unternehmens sagen viel über vorhandene oder fehlende Emotionale Intelligenz aus. Denn wenn intuitive Reaktion mit dem bewussten Verstand kombiniert werden, können wir Entscheidungen schneller und in der Regel auch erfolgreicher fällen. Wir müssen dann nicht länger jede mögliche Variante analysieren, sondern entscheiden uns treffsicher aus dem Bauch heraus.
Auf den einzelnen Menschen, die individuelle Führungskraft bezogen, zeigt sich ein hoher EQ etwa durch folgende Handlungen:
- Führungskräfte mit einem starken EQ wissen mit Kritik konstruktiv umzugehen. Sie respektieren Rückmeldungen, befassen sich damit und leiten Veränderungen daraus ab – auch oder besonders mit Blick auf das eigene Verhalten.
- Flexibilität im Umgang mit anderen und herausfordernden Situationen. Starke Führungskräfte verbeißen sich nicht in Standards, sondern sind offen für Feedback und priorisieren eine agile Führungskultur.
- Sie sind ansprechbar – Mitarbeiter mit Problemen vertrauen sich Ihnen an.
- Emotional intelligente Führungskräfte motivieren ihre Teams, weil sie die persönlichen Bedürfnisse aller recht gut einschätzen können und jedem einzelnen das berechtigte Gefühl vermitteln, einen Ansprechpartner zu haben.
Emotionale Intelligenz – Das Trainingsbuch
Haufe VerlagBei der Umstrukturierung von Unternehmensbereichen Emotionale Intelligenz gezielt platzieren
Emotionale Intelligenz ist ein Teilaspekt, wenn es darum geht, sein Unternehmen auf die Zukunft vorzubereiten. Es ist nicht das Allheilmittel, aber es sorgt für ein gesundes Miteinander im Unternehmen.
Die Studie hebt vier Schlüsselbereiche hervor, auf die sich Unternehmen konzentrieren sollten, um eine Belegschaft mit stark ausgeprägter Emotionaler Intelligenz aufzubauen. Deshalb raten die Initiatoren der eingangs zitierten Studie auch eindringlich dazu, in diesen vier Teilbereichen aktiv und zeitnah nachzubessern:
- Bauen Sie bestehende Lernprogramme um und integrieren Sie Emotionale Intelligenz. Stellen Sie sicher, dass alle Mitarbeiter Zugang zu diesen Programmen haben.
- Modifizieren Sie die Rekrutierungsprozesse, um die Bewertung der Emotionalen Intelligenz von Kandidaten zu ermöglichen.
- Berücksichtigen Sie Emotionale Intelligenz bei Beförderungen und der Entlohnung des Personals.
- Setzen Sie Technologie und Daten ein, um eine von Emotionaler Intelligenz geprägte Kultur zu schaffen.