KI in industrieller Anwendung
Nicht nur als Alltagshelfer für Wissens- und Bildschirmarbeitende wird KI gerade popularisiert. Wo sich ein Einsatz lohnt und was man dazu braucht, erklärt dieser Beitrag. Schon seit längerer Zeit wird KI aber im großen Stil industriell genutzt. Hier stellt sie, aller Aufregung um ChatGPT und andere Chatbots zum Trotz, wohl am eindrücklichsten unter Beweis, dass sie Prozesse vereinfachen, effektiver oder sicherer machen kann – aber immer gut ausgebildetes Personal braucht, das sie dabei „begleitet“ und sie „trainiert“. Schauen wir uns dazu drei Branchen und ihre Zukunftsaussichten genauer an.
1. Produktion, Energie & Logistik
In der Produktion geht es vor allem um die Automatisierung von Fertigungsprozessen (Robotermontage und smarte Fabriken) sowie die Optimierung von Wertschöpfungs- und Lieferketten. Parallel ist Qualitätssicherung ein großes Thema. Denn:
KI ist besser als jeder Mensch in der Lage, minimale Abweichungen vom Standard zu erkennen und sofort zu melden oder zunehmend selbstständig Abhilfe zu schaffen.
Auch wenn aus diesem Grund Jobs wegfallen werden, ist der Einsatz also im Sinne des Menschen und wird von den namhaften Arbeitgebern in der Branche vorangetrieben. Ein gutes Beispiel ist der Deutsche Industrieriese Bosch mit knapp 400 000 Mitarbeitenden.
Hier ist klar, dass man bis zum Jahr 2025 weltweit zu den führenden Artificial-Intelligence-of-Things-(AIoT-)Unternehmen gehören will. Dann soll nach eigenen Aussagen „jedes Bosch-Produkt entweder KI-fähig sein oder mithilfe künstlicher Intelligenz gefertigt werden (können)“. Sprich: Man zielt auf einen großflächigen Einsatz von Deep Learning und widmet dem Thema dementsprechend viel Aufmerksamkeit und Ressourcen.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Produktion
Springer ViewegUm das Ziel zu erreichen, wurde vor einigen Jahren eigens das Bosch Center for Artificial Intelligence gegründet. Und schon heute fährt man mit gezieltem KI-Einsatz mancher Konkurrenz davon, oder wie der Bosch-CDO/CTO sagt:
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz werden Fabriken effizienter, produktiver, umweltfreundlicher – und Produkte noch besser. Unsere neue KI-Lösung sorgt in Werken für Kosteneinsparungen in Millionenhöhe.
Dr. Michael Bolle (CDO/CTO Bosch)
Energie
AI kommt auch im besonders kostenintensiven Bereich der Energieversorgung innerhalb von produzierenden Unternehmen zum Tragen. Immer häufiger werden in diesem Rahmen sogenannte Smart Grids integriert. Gemeint sind intelligente Verteilsysteme, die Energie- und Datenströme selbstständig verarbeiten können.
Das senkt die Kosten und spart Ressourcen, da etwa Stromerzeugung und Verbrauch optimal aufeinander abgestimmt werden können. Das Thema ist schon nicht mehr ganz neu, eine glückende Energiewende setzt den breitflächigen Einsatz solcher Smart Grids voraus. Dass aber die Industrie selbst besonders stark in diesem Bereich investiert und damit Erfolge feiert, ist noch eine vergleichsweise junge Entwicklung.
Logistik
Ebenso optimiert KI die Logistik der Industrie, oder wie der Bitkom-Hauptgeschäftsführer es zusammenfasst:
Die Logistik ist bereits heute einer der am stärksten digitalisierten Unternehmensbereiche. Aber mit Drohnen, autonomen Systemen und Artificial Intelligence steht der Logistik nicht nur eine Optimierung von Geschäftsprozessen bevor, sondern eine echte Revolution.
Dr. Bernhard Rohleder (Geschäftsführer Bitkom)
Laut einer vom Digitalverband bitkom durchgeführten Umfrage wird KI in der Logistik unter anderem:
- die beste Route zur Auslieferung finden,
- die Bestellungen entgegennehmen und ausführen,
- in und mit autonomen Fahrzeugen und Drohnen mehr Lieferungen übernehmen,
- dafür sorgen, dass Logistiker Datenbrillen tragen, die alle für sie relevanten Fakten speichern und weitergeben, um
- die Wertschöpfungskette optimal auszuspielen,
- in und mit Robotern den größten Teil der körperlich anstrengenden Arbeiten übernehmen,
- dafür sorgen, dass der Mensch mehr Ressourcen hat, Innovationen voranzutreiben.
Einen Eindruck davon, was dank des KI-Einsatzes in der Produktion heute schon gelingt, gibt dieses Video des Fraunhofer Instituts:
2. Automobilbranche
Haben Sie sich schon einmal Gedanken über die Schweißpunkte Ihres Autos gemacht? Ich nicht. Und die gute Nachricht ist: Zukünftig brauchen Sie das auch nicht mehr. Aktuell werden diese allerdings meist nur nach dem Zufallsprinzip (an wenigen Autos einer Produktionseinheit) überprüft, so Experten.
Dabei kann ein falscher Punkt bereits ärgerliche Ausfälle und, schlimmstenfalls, fatale Unfälle zur Folge haben. Dasselbe gilt für alle anderen Fehler, die während der Produktion passieren können. Automobilhersteller setzen aus diesen Gründen zunehmend KI ein, um die Sicherheit im Produktionsprozess zu erhöhen.
Dank Deep Learning erkennen die Maschinen nun selbst, wenn die Norm nicht stimmt – und das bei jedem einzelnen Stück einer Produktionsserie.
Neben der steigenden Sicherheit spielt KI auch in dieser Branche für die gesamte Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle. Beginnend bei der Entwicklung über das Testen bis zur Serienproduktion macht sie Prozesse effektiver und effizienter.
Zu den deutschen Pionieren in Sachen Einsatz von KI gehört in dieser Branche der Volkswagenkonzern. Er fährt noch nicht allen davon, aber in der Konzern-IT arbeiten weltweit rund 12 000 IT-Expertinnen und -Experten daran, die Digitalisierung der Unternehmensprozesse und die Vernetzung von täglich Millionen von Menschen voranzubringen und sicherzustellen.
Ein großer Teil kümmert sich um die Fähigkeiten autonomer Service- und Industrieroboter, die immer komplexere Vorgänge erledigen können. Als erster global tätiger Konzern setzt man im Probeverfahren Quantencomputer ein und hat intern ein gewaltiges Kompetenzteam aufgebaut. IT-Chef Dr. Martin Hofmann sagte dazu einmal:
Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor, sie wird zu einem elementaren Bestandteil vieler Technologien und Unternehmensprozesse. Deshalb schaffen wir bei Volkswagen die Voraussetzungen dafür, dass wir leistungsfähige KI-Systeme selbst aufbauen und einsetzen können. Wir haben ein klares Ziel: Wir werden das Know-how nicht anderen überlassen.
Martin Hofmann (IT-Chef Volkswagen)
Bei der Konkurrenz von BMW setzt man KI auch im Bereich Design ein. BMW-Design-Experte Holger Hampf fasst zusammen: „Künstliche Intelligenz eröffnet neue Wege und steht im Designprozess erst am Anfang ihrer Karriere. Sie ist bereits Bestandteil unserer täglichen Kommunikation und wird ständig wichtiger.“ Die KI übernehme dabei sogar die Routineaufgaben, beschreibt er weiter den Einsatz, der Designer sei verantwortlich, „beauty to the game“ zu addieren.
Hier wie in den meisten Industrieunternehmen gilt: Der Mensch wird immer noch gebraucht. Und zwar dort, wo es nicht um das Einhalten von Standards geht, sondern um ihre Etablierung und ihre Weiterentwicklung durch Flexibilität und Kreativität: Hier braucht es nicht die Norm, die ein Algorithmus aus Millionen Daten herausliest und Verstöße dagegen bemerkt, sondern die gezielt verbesserte, innovative Abweichung davon.
Und sicher, wenn man in der Automobilbranche von KI spricht, kommen wir am autonomen Fahren nicht vorbei. Hier warten die intelligenten Maschinen aktuell aber weiterhin auf allzu menschliche Antworten auf die folgenden Fragen:
- Wie viel (Entscheidungs-)Macht gewährt man der KI?
- Welche Dinge lassen sich ohne Risiko automatisieren?
- Wie weit kann man, wie weit darf man gehen?
Antworten hängen hier nicht nur von der technologischen Weiterentwicklung ab, sondern vor allem von ethischen Faktoren. Gerne wird in diesem Kontext das Beispiel genannt, wie sich ein Auto entscheiden sollte, wenn ein Zusammenstoß mit Menschen nicht mehr abzuwenden ist, bzw. wie und ob eine Abwägung zwischen verschiedenen menschlichen Involvierten und Geschädigten vor und in einem Unfall überhaupt vorgenommen werden kann.
Dazu sagte Uta Klawitter, Leiterin Zentraler Rechtsservice und Chefsyndika bei Audi, in einem Interview: „In Europa dürfen wir bis zum Jahr 2030 sicher damit rechnen, dass wir auf der Langstrecke Funktionen wie den Autobahnpiloten sehen werden. Dass wir schon schlafend ins Wochenende fahren können, glaube ich aber eher nicht. Für Fahrzeuge, die privat genutzt werden, fehlt es in Europa noch an technischen Regelwerken zur Zulassung einer Level-4-Funktion. Diese erwarten wir frühestens 2024. Daneben bedarf es noch der Einführung von Regelungen in dem jeweiligen nationalen Straßenverkehrsrecht.“
3. Gesundheitswesen
Die PwC-Studie Sherlock in Health hat ergeben, dass künstliche Intelligenz auch die Schlüsseltechnologie der Zukunft im Gesundheitswesen ist, und zwar in den folgenden Themenfeldern:
- Unternehmenskultur: Damit KI erfolgreich eingesetzt werden kann, braucht es geschulte Führungskräfte. Menschen, die bereit sind, agil zusammenzuarbeiten, verantwortungsbewusst Entscheidungen zu treffen und eine KI-Vision kreieren und leben zu können.
- Mitarbeitereinsatz: KI wird die Rollen der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen stark verändern. Routinearbeiten – vor allem in der Administration – werden zunehmend durch Computer übernommen. Dafür haben die Mitarbeitenden wieder mehr Ressourcen, ihre Menschlichkeit einzubringen, sich um die Patienten zu kümmern und Innovationen voranzutreiben. Ohnehin sehen alle Experten eine Renaissance des Zwischenmenschlichen als Begleiterscheinung flächendeckenden KI-Einsatzes, was auch zu höheren Löhnen in diesem Bereich führen dürfte.
- Behandlungsabläufe optimieren: KI unterstützt nicht nur bei der Diagnose, sondern kann folgend auch bei der Behandlung zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel durch Tracking des Wohlbefindens des Patienten.
- Früherkennung: Durch den Einsatz von KI können Krankheiten viel früher erkannt und behandelt werden. Das bringt eine enorme Kosteneinsparung mit sich und wirkt sich auch positiv auf die Belegung von Krankenhäusern oder Praxisbesuche aus.
- Medizinische Eingriffe: Routineeingriffe werden zukünftig präzise und sicher von Robotern übernommen, zum Teil ist das heute bereits der Fall und senkt die – hier nicht selten fatale – Fehlerquote.
Künstliche Intelligenz wird die Medizin revolutionieren. Bislang standen wir immer vor einem Zielkonflikt: entweder die Versorgungsqualität zu verbessern oder die Kosten für die Versicherten zu senken. KI macht beides zugleich möglich. Davon werden Patienten enorm profitieren.
Michael Burkhart (Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC)
Auch im Gesundheitswesen hat also KI das Zeug dazu, Kosten zu sparen und die Effizienz dramatisch zu erhöhen. Einerseits ist die Branche mit Billionen von Daten, die es täglich zu verarbeiten gilt, sehr datenintensiv und deshalb prädestiniert für verstärkten KI-Einsatz – andererseits können mit der immer besseren maschinellen Allokation von Angeboten und Ressourcen die aktuell existierenden Bürokratieberge zu einem erheblichen Teil abgetragen werden.
Das beginnt bei der grundsätzlichen Organisation von Arztpraxen, Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen im Zusammenspiel mit Versicherungen und Betroffenen, kann aber auch Logistik-induzierte Knappheiten, wie sie aktuell etwa bei manchen Medikamenten vorkommt, antizipieren und verhindern helfen. Eine aktuelle Datenerhebung hat ergeben, dass im Jahr 2022 weltweit schon rund 6,9 Milliarden US-Dollar durch KI-Einsatz im Gesundheitssegment verdient wurden. Prognosen sagen voraus, dass diese Summe bis zum Jahr 2027 auf 67,4 Milliarden US-Dollar ansteigen wird.
Damit das gelingt, kommt hier – wie in allen anderen Industrien – dem Thema Datenschutz eine erhebliche Rolle zu. Aktuell hinken bei dem Thema viele Unternehmen so weit hinterher, dass der Einsatz von KI oft mehr Gefahren als Chancen beinhaltet. Wenn immer mehr Prozesse digitalisiert und automatisiert werden, muss der Schutz der Daten und ihrer Ströme auch erheblich mehr Priorität genießen, damit ein reibungsloser Ablauf garantiert werden kann. Erfahren Sie mehr in unserem Interview mit Cybersecurity-Experte Thomas H. Lenhard:
Laut oben genannter PwC-Studie kann KI im Jahr 2030 bis zu 15,7 Billionen Dollar zur Weltwirtschaft beitragen, und ein Großteil wird dabei das Gesundheitswesen zusteuern. Damit das gelingt, fokussieren sich auch die großen Techriesen auf entsprechende Weiterentwicklung ihrer Technologien in der Branche. Dazu gehört unter anderem IT-Urgestein IBM, das mit seiner Lösung Watson Health schon jetzt zahlreiche Unternehmen unterstützt, ein intelligentes Gesundheitssystem aufzubauen.
Fazit
Was mit KI alles möglich ist, lässt sich nicht in einem einzelnen Buch zusammenfassen, und erst recht nicht in einem Artikel. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Thema im Unternehmenskontext lohnt sich aber allemal. Gerade in großen Unternehmen und Konzernen ist es sinnvoll, dazu ein Kompetenzzentrum aufzubauen. Also eine Gruppe von Menschen zusammenzubringen, die sich ausschließlich um den Einsatz von KI in der Organisation kümmern und sie auf die Bedürfnisse der Organisation und ihrer Prozesse abzustimmen.