Exklusiv führen?
Ist Ihnen schon eine „inhaltsstarke Floskel“ untergekommen oder haben Sie in einem „durchlässigen Gedränge“ festgesteckt? Vermutlich nicht. „Leere Floskel“ oder „dichtes Gedränge“ sind daher typische Beispiele für Pleonasmen, für Ausdrücke, in denen zwei Wörter mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung in einer Wortgruppe verbunden sind. Einer der beiden Ausdrücke ist dabei überflüssig, weil er dieselbe Bedeutung noch einmal wiederholt. „Inklusive Führung“ spielt aus meiner Sicht in der gleichen Liga. Es käme doch niemand auf die Idee, dass jemand, der Teile seines Teams bevorzugt und andere ausschließt, vernünftig mit seinen Ressourcen und Leuten umgeht, also gut „managt“, von guter Führung mal ganz zu schweigen!
Trotzdem wird „inklusive“ oder „wertschätzende“ Führung gerne in die „Diversity & Inclusion“-Ecke gepackt – also als besondere Fähigkeit hervorgehoben, die herausragende Führungskräfte „auch noch“ mitbringen müssen, um den Bedürfnissen der Mitglieder einiger weniger „Randgruppen“ im Unternehmen gerecht zu werden. Von Frauen, Beschäftigten mit einer Behinderung oder denjenigen, die sich in Rainbow-Netzwerken engagieren, die beispielsweise schwul, lesbisch oder genderqueer sind … Dabei sind es längst nicht nur sie, die von einem Arbeitsumfeld profitieren, in dem wir alle einbeziehen.
Wertschätzende Kommunikation im Business
Junfermannsche Verlagsbuchhandlung GmbH & Co. KGWas sich Beschäftigte nicht mehr gefallen lassen
Zahllose Untersuchungen illustrieren, dass ganz unterschiedliche Gründe dazu führen, dass Menschen übersehen und benachteiligt werden. Das kann Männer treffen, die keine Gardemaße haben, ruhig oder besonders freundlich sind. Mütter und Väter. Introvertierte Menschen oder diejenigen, die nicht in ihrer Muttersprache arbeiten.
Vielleicht haben Sie das sogar selbst schon erlebt? Ein Umfeld, in dem sie sich nicht gefordert und gefördert fühlten. Wo Sie nicht zu Wort kamen oder nicht gehört wurden. Wo es sich nicht gelohnt hat, Ideen zu teilen, weil alle so sehr auf ihre Zuständigkeiten pochten, dass es undenkbar war, über den eigenen Tellerrand zu schauen.
Mit dem Gefühl wären Sie nicht allein: Das Beratungsunternehmen Gallup[1] hat auf Basis der Daten von 2,5 Million Teams in 195 Ländern den Zusammenhang zwischen Arbeitsatmosphäre und Unternehmensergebnissen untersucht. Dabei haben sie festgestellt:
Ob es gut läuft, hängt vor allem von den Vorgesetzten ab. Führungskräfte und ihr Verhalten sind der maßgebliche Faktor für eine gute und produktive Zusammenarbeit und damit für den Erfolg von Unternehmen.
Bei der Umsetzung gibt es allerdings noch jede Menge Raum nach oben: Die Hälfte aller Beschäftigten hat aufgrund der Vorgesetzten schon mal den Job gewechselt. Für die Beschäftigten ist das hart, für Unternehmen ist es teuer. Nicht nur weil die Kosten für die Personalbeschaffung durch die Decke gehen. „Exklusive“ Führung, sich auf „gute Freunde“ oder die vermeintlich „stärksten Player“ zu stützen, steigert nicht nur die Fluktuation, es blockiert auch gute Ideen. Weil wir es versäumen, ein Problem – und mögliche Lösungen – aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, oder weil Menschen verstummen, weil sie vermuten, ohnehin nicht gehört zu werden.
Deshalb: Die Fähigkeit abzuwägen, zuzuhören und Raum für andere Perspektiven zu geben, ist ein Zeichen des Respekts. Sie ermöglicht es, dass abweichende Meinungen auf den Tisch kommen, hilft, Gruppendenken zu reduzieren und bessere Ergebnisse zu erzielen. Das ist Führung – und in den allermeisten Situationen ist sie qua Definition inklusiv.
[1] State of the American Manager: Analytics and Advice For Leaders (Gallup, 2015)
Nächste Schritte:
Weitere praktische Tipps und Tricks bietet Fair führen. Das Buch wurde mit dem getAbstract International Book Award 2020 ausgezeichnet. Laut Jury liefert es „nicht weniger als das erforderliche Rüstzeug für zukunftsfähige Unternehmen – eloquent, sachkundig und inspirierend.“