Selber schuld?
Eines der beliebtesten Instrumente für mehr Vielfalt in Unternehmen ist und bleibt das Frauennetzwerk. Während die Mitglieder hoffen, dass sie mit ihrem Engagement Wandel vorantreiben können, lehnt sich die Führungsriege oft entspannt zurück.
Denn sie schlägt drei Fliegen mit einer Klappe:
- das (angeblich) strategische Thema ist adressiert, ohne dass es sie etwas kostet,
- die Frauen sind beschäftigt,
- und wenn sich nichts bewegt, sind sie auch noch selbst dran schuld.
Zyniker würden sagen: Besser wird’s nicht! Leider ist diese Sichtweise auch neutral betrachtet exemplarisch: Wenn Frauen in der Führung fehlen, wird das oft als ihr Problem betrachtet, und wenn sich daran etwas ändern soll, so mögen sie sich doch bitte selbst drum kümmern. Frauen, die zögern, Treffen auszurichten, anderen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und als Mentorin junge Talente zu unterstützen, wird dann mangelnde Solidarität vorgeworfen. Und: Wenn sie sich selbst nicht engagieren, warum bloß sollten das dann die Männer tun? Für alle, die das wirklich interessiert, gibt es mindestens drei gute Gründe:
- Fehlende Vielfalt schadet allen.
Der Business Case für Vielfalt, Chancengleichheit und eine wertschätzende Kultur ist eindeutig. Vielfältige Unternehmen, in denen sich alle einbezogen fühlen, sind wirtschaftlich erfolgreicher, denn sie sind besser darin, neue Kundschaft und Märkte zu gewinnen – und haben obendrein mehr Innovationskraft.
The Business Case for Diversity in the Workplace Is Now Overwhelming
World Economic Forum- Männer haben mehr Einfluss (und damit bessere Möglichkeiten).
Männer halten den Großteil der Führungspositionen. Sie sind deshalb schlicht in der besseren Position, Veränderungen voranzutreiben und Karrieren zu beflügeln. Wie? Indem sie ihr Netzwerk öffnen, hilfreiche Kontakte herstellen oder auf Karrieremöglichkeiten hinweisen. Beschäftigte, die von Männern unterstützt werden, verdienen mehr, werden häufiger befördert und sind mit der Entwicklung ihrer Karriere zufriedener. Zudem erleben sie eine größere psychologische Sicherheit[1], zum Beispiel weil ein dummer Fehler auch mal vergessen wird, statt eine vielversprechende Karriere deshalb abrupt zu beenden.
Interessant: Frauen profitieren stärker von der Unterstützung als ihre männlichen Kollegen.
Weibliche Führung am Wendepunkt
World Economic Forum- Männer verbessern ihr Image.
Wer sich engagiert, nützt außerdem nicht ausschließlich dem Unternehmen oder den Frauen. Ganz unabhängig vom Gefühl, das Richtige zu tun, sind männliche Führungskräfte, die sich für andere starkmachen, um 11 Prozent zufriedener mit der eigenen Karriereentwicklung als diejenigen, die das nicht tun.[2] Ein möglicher Grund? Studien zeigen, dass Männer, die Frauen sponsoren, bessere Leistungsbeurteilungen bekommen.
Interessant: Bei Frauen sieht das anders aus. Während er als Champion für mehr Vielfalt gilt und dafür belohnt wird, wird ihr tendenziell vorgeworfen, einzelne Beschäftigte zu favorisieren, was sich negativ auf die Beurteilung auswirkt.[3]
Dieser Vorwurf der „Begünstigung“ (und seine Konsequenzen), kann ein Grund dafür sein, dass sich manche Frauen bei der Unterstützung nachfolgender Generationen zurückhalten. Wichtiger als diese Vorsichtsmaßnahme ist aus meiner Sicht allerdings ein anderer Aspekt: dass sich aufgrund von Geschlechterstereotypen (s. meine letzte Kolumne) unsere Erwartungen an Männer und Frauen grundsätzlich unterscheiden.
Während Männer dafür gefeiert werden, wenn sie sich für andere einsetzen, wird das bei Frauen schlicht vorausgesetzt[4].
Das führt dazu, dass eine Frau, die (nur) so nett ist wie ein durchschnittlicher Mann, als kalt und unsolidarisch beurteilt wird.
„Es gibt einen speziellen Platz in der Hölle für Frauen, die keinen anderen Frauen helfen“, hat Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright einmal gesagt. Einverstanden, denke ich, allerdings sollten ihnen entsprechende Männer Gesellschaft leisten.
[1] Aarti Ramaswami, George F. Dreher, Robert Bretz und Carolyn Wiethoff: Gender, Mentoring, and Career Success: The Importance of Organizational Context / Personnel Psychology
[2] Sylvia Ann Hewlett: Smart Leaders Have Protégés / HBR
[3] David Smith und Brad Johnson: When Men Mentor Women / HBR Podcast
[4] Tammy D. Allen: Rewarding Good Citizens: The Relationship Between Citizenship Behavior, Gender, and Organizational Rewards / USF Psychology Faculty Publications
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Nächste Schritte:
Weitere praktische Tipps und Tricks bietet Fair führen. Das Buch wurde mit dem getAbstract International Book Award 2020 ausgezeichnet. Laut Jury liefert es „nicht weniger als das erforderliche Rüstzeug für zukunftsfähige Unternehmen – eloquent, sachkundig und inspirierend.“