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„Das Gefühl von Verbundenheit macht uns produktiver.“

Vielen Menschen fällt es angesichts der momentanen Weltlage schwer, produktiv zu sein. Was Produktivität fördert und wie das auch im Homeoffice geht, beschreibt Sebastian Purps-Pardigol.

„Das Gefühl von Verbundenheit macht uns produktiver.“

Herr Purps-Pardigol, was sind die Grundvoraussetzungen fürs Produktivsein?

Sebastian Purps-Pardigol: Grundsätzlich lässt sich sagen: Man kann immer produktiv sein. Was Sie sicher meinen, ist die Frage: „In was für einem Zustand muss ich sein, um viel Zugriff auf höhere kognitive Fähigkeiten zu haben?“. Direkt hinter unserer Stirn gibt es einen ganz besonderen Teil, den sogenannten präfrontalen Cortex. In dem sind viele unserer höheren kognitiven Fähigkeiten verborgen. Und es gibt ein paar Rahmenbedingungen, die helfen, dass wir möglichst viel Zugriff auf diese Region bekommen. Einfluss hat beispielsweise unser biologisches Grundbedürfnis nach Verbundenheit. Wenn Sie das Gefühl haben, verbunden zu sein, ist das eine primäre Belohnung für uns. Wir sind in diesen Situationen gerne bereit, die Extrameile zu gehen, und wir sind engagiert. Also Verbundenheit ist ein ganz wesentlicher Aspekt.

Gibt es noch weitere Aspekte?

Grundsätzlich das Gefühl, selbstwirksam zu sein, also das Gefühl zu haben, ich kann Einfluss nehmen auf das, was hier gerade geschieht. Wenn in Zeiten von Corona Leute einfach vorgeschrieben bekommen haben, wie das jetzt alles gewuppt wird, hat man eher ein geringes Maß an Selbstwirksamkeit. Haben die Chefs jedoch dazu angeregt, gemeinsam zu überlegen, wie damit umgegangen werden soll, hat das eine ganz andere Auswirkung auf das, was in uns geschieht. Wir fühlen uns als Mitgestalter.

Was ist mit Dingen, die um uns herum passieren und uns vielleicht beschäftigen oder belasten?

Eine Möglichkeit damit umzugehen ist das Affect-Labeling, also das „Gefühle-in-Worte-Fassen“. Das bedeutet: Sie beschreiben, welche Auswirkungen das, was da gerade geschieht, auf Sie selbst hat. Das führt zu einer Beruhigung unseres präfrontalen Cortex. Man kann in Studien sehen, dass genau in diesen Momenten die Amygdala, als der Gefahrenriecher in unserem Kopf, ruhiger wird.

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Zusammenfassung (Buch)

Leben mit Hirn

Wer weiß, wie sein Gehirn funktioniert, kann es gezielt nutzen, um Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden zu steigern.

Sebastian Purps-Pardigol Campus Verlag
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Würden Sie sagen, dass man in belastenden Situationen wirklich selbst in der Hand hat, wie gut man auf seine kognitiven Fähigkeiten zugreifen kann?

Was Sie tun können: weniger Fernsehen. Und das meine ich ernst. Der Konsum von Nachrichten ist einer der größten Stressfaktoren für Menschen. Was aktuell in der Ukraine passiert, ist wirklich schlimm. Die Frage ist: Will ich mich die ganze Zeit damit beschäftigen? Denn wenn ich das tue, beginnt ein Gedankenkarussell. Nutzen Sie Refokussierung – verändern Sie also Ihren Fokus.

Es gibt auch viele schöne Dinge, die passieren. Das heißt nicht, dass Sie die negativen verleugnen. Aber die Frage ist: Womit will ich mein Gehirn den ganzen Tag füttern?

Sebastian Purps-Pardigol

Und ich würde empfehlen, es eher mit den Dingen zu füttern, die mir guttun. Beispielsweise, dass heute draußen die Sonne scheint und ich mal den Garten machen kann. Oder das sympathische Gespräch mit dem Nachbarn, eine Wohltat für mein Verbundenheitsgefühl. Anderen hilft es, gerade in diesem Fall, aktiv zu werden und etwa Geld oder Hilfsgüter zu sammeln. So habe ich nicht das Gefühl, dem Ganzen nur ausgeliefert zu sein.

Take-aways:

  • Wenn wir uns verbunden fühlen, selbstwirksam sein können und uns auch auf schöne Dinge konzentrieren, sind wir produktiver.
  • Durch Metta-Meditation können wir uns auch verbunden fühlen, wenn wir alleine im Homeoffice sind.
  • Bei der Auswahl des richtigen Coaches ist auf das eigene Bauchgefühl sowie auf Referenzen zu achten.

Wo zieht man da die Grenze zwischen „Ich distanziere mich“ und „Ich unterdrücke das negative Gefühl einfach“?

Na ja, unterdrücken heißt, ich beschäftige mich gar nicht damit. Distanzieren bedeutet hingegen: Ich nehme es wahr. Aber ich gehe innerlich einen Schritt zur Seite und frage mich: „Hey, wie geht es dir denn damit, Sebastian?“ So nehme ich ein wenig das Emotionale heraus.

Das darf dann aber nicht kognitiv anstrengend sein, oder? Das würde ja Willenskraft benötigen, die endlich ist – und so wären wir wieder am selben Punkt.

Genau, kognitiv anstrengend ist eher die Neubewertung. Also zu sagen: „Okay, das ist alles doof, aber hey, da ist auch was Gutes daran. Denn guck mal, die Europäische Union rückt zusammen. Oder schau mal, erneuerbare Energien werden plötzlich ein Thema.“ Das ist dann schon wieder einen Schritt weiter und kostet ein bisschen mehr Kraft. Es funktioniert aber auch ganz gut, wenn man das regelmäßig macht. Und es wirkt dann langanhaltender als zum Beispiel das Fokussieren oder das innere Distanzieren.

Aber wenn ich mir vorstelle, ein Thema belastet mich wirklich und ich erkenne innerlich an, dass es mich belastet – macht es das per se noch nicht weniger schwierig?

Geben Sie sich Zeit. Das innere Distanzieren ist für den Moment. Es geht darum, dass ich in diesem Augenblick nicht ausflippe. Belastet mich jedoch etwas dauerhaft, kann zum Beispiel eben Affect-Labeling die Antwort sein. Schreiben Sie auf, was die Situation mit Ihnen macht. Das kann zwar dazu führen, dass es Ihnen vorübergehend schlechter geht. Aber mittelfristig werden Sie sich besser fühlen.

Und wie oft sollte man das machen?

Eine Woche jeden Tag eine Viertelstunde lang. Bereits nach einer Woche lassen sich deutliche Verbesserungen feststellen.

Wir Menschen haben den Hang, uns auf das Negative zu fokussieren. Wir nehmen es stärker wahr und es hat einen größeren Einfluss auf uns. Schiebe ich mit den von Ihnen beschriebenen Methoden dann nicht einfach das Negative weg?

Es geht um bewusste Entscheidungen. Bleibe ich jetzt hier am Frühstückstisch sitzen und beschäftige mich weiter mit dem, was da gerade so ist? Oder gehe ich in den Garten, schreibe ich jetzt eine E-Mail, gehe ich einkaufen oder treffe mich mit einer Freundin? So kommen Sie automatisch auf andere Gedanken. Wichtig ist, dass Sie dann auch bei der Sache bleiben – gedanklich. Da müssen Sie konsequent sein!

Gibt es neben dem Affect-Labeling oder der Refokussierung andere praktische Übungen, um sich und seine Gedanken in die Gegenwart zu bringen und hier zu halten?

Atemtechniken. Etwa länger auszuatmen, als ich einatme. Das aktiviert mein parasympathisches Nervensystem, also das System, das für Entspannung verantwortlich ist.

Sie haben vorhin erwähnt, dass man auch aktiv werden kann, wenn einen etwas belastet. In Ihrem Buch schreiben Sie, dass es dabei allerdings darauf ankommt, ob man Mitgefühl oder Mitleid empfindet. Können Sie kurz auf den Unterschied eingehen?

Mitleid heißt, ich sehe das Leid eines anderen und ich spüre da hinein. Also ich spüre empathisch, wie es diesem Menschen oder diesem Lebewesen geht. Und wenn ich das tue, ist es so, dass in unserem Gehirn die Schmerzzentren aktiv werden. Wir fühlen also tatsächlich den Schmerz des anderen mit. Das ist kein besonders günstiger Zustand, das bringt Sie nicht weiter und auch den anderen nicht. Besser ist Mitgefühl.

Anders als beim Mitleid fühle ich beim Mitgefühl zwar auch kurz, wie es dem anderen geht, beginne dann aber einen inneren Zustand von Liebe in mir zu kultivieren.

Sebastian Purps-Pardigol

Ich wünsche dem anderen, dass es ihm besser geht. Ihre Schmerzzentren werden ruhiger, Sie fühlen sich besser. Und in so einem Zustand bin ich auch viel mehr in der Lage zu helfen.

Lässt sich das kultivieren? Also dieser innere Zustand von Liebe.

Dabei hilft die Metta-Meditation, eine jahrtausendealte buddhistische Meditation. Es handelt sich dabei um einen fünfschrittigen Prozess, den ich innerlich durchgehe. Das ist wie eine Art Visualisierung oder auch mentale Arbeit. In diesem Prozess denke ich an fünf verschiedene Menschen, inklusive mir selbst, und sage ihnen bestimmte Sätze wie „Mögest du glücklich sein“, „Mögest du gesund sein“, „Mögest du in Frieden sein“. Während ich mir diese Sätze sage, intensiviere ich das Gefühl von Liebe. Beginnen Sie dabei immer mit einem Menschen, den Sie richtig stark lieben, und hören Sie auf mit einer Person, mit der es im Moment vielleicht ein bisschen schwierig ist. Wenn Sie das regelmäßig tun, werden Sie nach wenigen Wochen eine signifikante Verbesserung Ihres persönlichen Wohlbefindens spüren.

Sie haben vorhin gesagt, dass das Gefühl von Verbundenheit uns produktiver macht. Lässt sich mit dieser Metta-Meditation auch das Gefühl von Verbundenheit kultivieren, wenn man allein ist?

Gute Frage. Und ja: Das Interessante an der Metta-Arbeit ist, man kann, selbst wenn man allein ist, das Gefühl von Verbundenheit in sich kultivieren. Also die Metta-Meditation zahlt sehr auf das Verbundenheitsbedürfnis ein.

Gibt es irgendwas, was man als Führungskraft tun kann, um dieses Gefühl von Verbundenheit zu kultivieren oder den Mitarbeitenden zu helfen, es zu kultivieren?

Beginnen Sie Meetings – auch digitale – zum Beispiel mit der Frage: „Wie geht’s dir heute eigentlich wirklich?“. Und zwar in einem Ton, der zeigt, dass Sie die Antwort wirklich interessiert. Der andere fühlt sich so gesehen oder gehört, Sie steigern sein Verbundenheitsgefühl. Zum anderen hat der Mitarbeiter die Chance, zu benennen, was ihn gerade belastet, und praktiziert so das Affect-Labeling.

Was ist nun aber, provokant gefragt, wenn man als Führungskraft vielleicht merkt, dass man beispielsweise selbst so viel um die Ohren hat, dass das Interesse an jedem einzelnen Mitarbeiter nicht so stark ist? Kann man das Interesse an anderen für sich üben?

Natürlich muss man erst mal gewillt sein, das zu ändern. Personalentwicklern empfehle ich heute immer mehr, dass Führungskräftetrainings eigentlich so eine Art Persönlichkeitstrainings sein sollten. Also Trainings, bei denen Teilnehmende viel miteinander im Austausch sind. Durch dieses intensive Miteinander beginnen innere Prozesse. Man ist quasi gezwungen, sich mehr miteinander auseinanderzusetzen.

Lassen Sie uns kurz noch zum Thema Coaching kommen. Ganz grundsätzlich: Woher denken Sie rührt es, dass so viele Menschen aktuell Coaches brauchen – oder eben einer sein wollen?

Den Coachingboom sehe ich teilweise sehr kritisch.

Ich finde, viele Menschen werden Coaches, die in ihrer persönlichen Entwicklung noch gar nicht an dem Punkt sind, an dem sie Menschen begleiten sollten.

Sebastian Purps-Pardigol

Dass das Ganze so boomt, hat sicher damit zu tun, dass es heute eher als Stärke angesehen wird, wenn sich Menschen bewusst kritisch mit sich selbst auseinandersetzen. Das war vor allem unter Männern lange Zeit anders. Zudem ist der Druck einfach gewachsen. Die Welt dreht sich gefühlt schneller und Sie haben immer weniger Zeit, die Dinge zu kompensieren.

Sie würden also schon sagen, dass auch der Leidensdruck größer geworden ist?

Die heutige Welt fordert Menschen immer mehr heraus. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Und ein Teil der Antwort ist: Wenn es von draußen mehr zieht, Sie also mehr gefordert werden, müssen Sie innerlich stabiler bleiben oder werden.

Kann ich eigentlich fähige von unfähigen Coaches unterscheiden? Der Begriff ist ja nicht geschützt.

Diesen Fakt habe ich neulich mit einem Freund diskutiert. Der sagte, eigentlich müsste man Leuten mal ein Training dafür anbieten, wie sie gute Coaches oder Therapeuten erkennen. Vieles läuft über Empfehlungen. Ich würde zudem stark drauf achten, wie mein Gefühl zu diesem Menschen ist. Wenn ich merke, der ist ausschließlich „Verkäufer“ oder Sie spüren irgendwie, dass Sie etwas stört, sollten Sie das ernst nehmen. Eine effektive Testfrage, die Sie dem Coach stellen können, ist: Was werden Sie tun, wenn ich in einer Krise bin, wie fangen Sie mich auf?

Das sind ja eher intuitive Dinge. Und intuitiv können Sie auch falschliegen. Es gibt ja auch die „guten“ Verkäufer. Wie ist man dagegen gefeit?

Ein guter Coach verfügt immer über fachliche und menschliche Kompetenz. Das Fachliche belegen seine Referenzen. Und wenn jemand überhaupt keine Referenzen hat, dann sollten Sie auf mündliche Empfehlungen achten.

Über den Autor
Sebastian Purps-Pardigol ist Coach, Organisationsberater und Vortragsredner. Er gründete im Jahr 2010 mit dem Hirnforscher Gerald Hüther die Initiative Kulturwandel in Unternehmen.

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