„Noch immer denken viele Führungskräfte, dass ihre Aufgabe nichts mit Emotionen zu tun hat. Aber das ist ein Trugschluss.“
Frau Jennewein, es brodelt in meinem Team. Was kann ich als Führungskraft tun?
Antonia Jennewein: Mich anrufen (lacht). Nein, im Ernst, Teamführung ist eine komplexe Nummer. Dennoch denken viele Führungskräfte, dass sie Probleme innerhalb des Teams allein lösen können. Das geht aber nur bis zu einem gewissen Grad, da viele Konflikte – und ihre Ursachen – zunächst gar nicht sichtbar sind. Innerhalb einer Organisation bewegen Sie sich in einem System. Das Team selbst ist ein System und das Team bewegt sich wiederum in einem größeren System, nämlich dem Unternehmen. Und in diesem System gibt es Abhängigkeiten. Unter anderem sind Ihre Mitarbeiter von Ihnen „abhängig“ – oder glauben das zumindest. Und das ist genau der Knackpunkt: Als Führungskraft müssen Sie davon ausgehen, dass nicht jeder im Team mit allen Dingen zu Ihnen kommen wird. Der Mitarbeiter redet mit den Freunden, mit der Familie oder macht das mit sich selbst aus – und irgendwann knarzt es so sehr, dass es nicht mehr weitergeht. Die Betroffenen können nicht mehr offen und ehrlich miteinander umgehen, das System nimmt Schaden.
Also brauche ich als Führungskraft vor allem gute Antennen?
Genau. Sie müssen sich primär bewusst machen, dass Sie Teil dieses Systems sind. Und dass Sie selbst für gewisse Dynamiken verantwortlich sind, und durchaus können Sie diese auch unbewusst fördern. Das ist ein bisschen wie in einer Familie mit mehreren Kindern. Hier buhlen auch alle um die Aufmerksamkeit der Eltern – oder um Lob. Und sie merken es vielleicht nicht oder zu spät. Nichts anderes passiert in Ihrem Team. Jeder Mitarbeiter will gesehen und gelobt werden.
Sie brauchen Empathie. Und vor allem müssen Sie sich das Vertrauen der Mitarbeiter immer wieder neu erarbeiten.
Antonia Jennewein
Damit das gelingt, brauchen Sie feine Antennen, um Stimmungsschwankungen und Klimaveränderungen sofort wahrzunehmen. Dann haben Sie die meisten Chancen, das Brodeln möglichst gering zu halten.
Glauben Sie, dass Führungskräfte es oft zu lange allein probieren, weil sie Angst davor haben, dass es ihnen als Versagen ausgelegt wird, wenn es im Team nicht rundläuft?
Versagen – so weit würde ich nicht gehen. Es gibt aber Führungskräfte, die ihre Aufgabe darin sehen, einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch zu führen, und den Rest des Jahres sollen die Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen. In meiner Beratung sehe ich das in kleineren Unternehmen wie in Konzernen. Doch damit ist es natürlich nicht getan. Und wenn Sie es richtig verbocken wollen, dann verschieben Sie dieses „Jahresgespräch“ auch noch aus einem trivialen Grund. Was sind das für Signale an den jeweiligen Mitarbeiter? Die Mitarbeiter müssen immer Priorität eins sein für die Führungskraft.
Das klingt leichter gesagt als getan, denn als Führungskraft hat man ja auch noch sehr viele andere Dinge zu tun, nicht zuletzt gegen Ende des Jahres. Wie verliere ich meine Kollegen nicht aus den Augen?
Die Führungskraft sollte im ständigen Kontakt mit den Teammitgliedern stehen, und der Antrieb dazu sollte vorrangig von Ihnen ausgehen. Nur dann werden Sie sich in die Bedürfnisse hineinfühlen können, nur dann werden Sie auch Kenntnis davon bekommen, ob sich eventuell etwas im Umfeld des Mitarbeiters verändert, was Auswirkungen auf ihn und damit auch auf seine Arbeitsweise hat. Noch immer denken viele Führungskräfte, dass ihre Aufgabe nichts mit Emotionen zu tun hat. Aber das ist ein Trugschluss.
Sie sprachen die Klimaveränderung, die Stimmungsschwankungen an: Gibt es Anzeichen, die mir zeigen, dass da was „im Busch“ ist?
Wenn die sonst sehr redseligen Mitarbeiter plötzlich ganz still werden, sollten Sie aufhorchen. Untypisches Verhalten sollte immer Ihre Aufmerksamkeit wecken. Und auch die Körpersprache spricht Bände, insbesondere in der Teamkonstellation. Wer setzt sich neben wen? Oder wer setzt sich eben nicht mehr neben wen? Wie verhält sich der Mitarbeiter im Gespräch? Starrt er an die Decke, rollt er sogar mit den Augen, wenn ein Kollege etwas sagt? Wenn solche Dinge passieren, dann können Sie sicher sein, dass da schon etwas am Brodeln ist. Und dann sollten Sie das Gespräch suchen.
Sagen wir mal, ich merke, dass der Meier plötzlich irgendein Problem mit dem Müller hat. Die sitzen nicht mehr nebeneinander, die schauen sich nicht mal mehr an, der gemeinsame Kaffee am Nachmittag ist schon lange Vergangenheit … Was tue ich dann? Hole ich Meier und Müller direkt zusammen an den Tisch oder spreche ich erst einmal mit jedem alleine?
Mein Vorschlag wäre es tatsächlich, erst mal im Einzelgespräch vorzutasten und zu schauen, ob ich das überhaupt richtig wahrgenommen habe – oder interpretiere ich da vielleicht etwas hinein, wo nichts ist? Das sind im Übrigen die beiden grundlegenden Themen bei der Entstehung von Konflikten: Interpretation und Missverständnisse. Denken Sie immer daran: Wenn Sie etwas wahrnehmen, dann ist das erst mal nur Ihre Wahrnehmung. Aus der Sicht Ihres ganz persönlichen Wertesystems und der Referenzerfahrungen, die Sie im Laufe Ihrer Lebens- und Arbeitszeit gesammelt haben.
Ihre erste Aufgabe ist also der Abgleich. Finden Sie heraus, ob Sie falschliegen! Und der beste Weg, das zu tun, ist das Einzelgespräch.
Antonia Jennewein
Also mit jedem erst einmal unter vier Augen zu schauen: „Du, ich habe da das Gefühl, ich habe da etwas beobachtet … Bilde ich mir das ein oder liegt da etwas in der Luft?“ Was Sie in diesem Gespräch erfahren, gibt Aufschluss darüber, wie groß das Vertrauensverhältnis zwischen dem Mitarbeiter und Ihnen ist und wo möglicherweise das Problem und der Weg zur Lösung liegen. Falls Sie dann merken, dass Sie richtigliegen, finden Sie auch gleich noch heraus, wie weit fortgeschritten der Konflikt schon ist. Je länger dieser schon besteht, desto weniger werden die beiden Bereitschaft zeigen, die Beilegung allein anzugehen. Je früher Sie also fragend intervenieren, desto größer das künftige Vertrauensverhältnis, desto größer die Chance, eine Verhärtung nicht zu einem massiven Konflikt auswachsen zu lassen.
Und was mache ich, wenn ich merke, dass da nichts mehr zu retten ist?
Die Frage, ob da nichts mehr zu retten ist, können nicht Sie, sondern nur die beiden Beteiligten wirklich beantworten. Leider gibt es auch die konservative Herangehensweise, indem Sie ein Machtwort sprechen. Also im Stil von: „Ihr vertragt euch jetzt oder ich schmeiß einen von euch raus.“ Oder Sie drohen mit einer Abmahnung. Bedauerlicherweise trägt das dazu bei, dass die Betroffenen sich in ihrem Konflikt nicht ernst genommen fühlen. Besser wäre es daher, wenn Sie stattdessen an dem Punkt, an dem Sie merken, dass Sie als Führungskraft bei der Lösung des Konflikts an Grenzen kommen, jemand hinzuzuholen. Das Erfragen von Unterstützung ist kein Eingeständnis von Schwäche – es ist das Grundprinzip einer arbeitsteiligen Gesellschaft, denn niemand von uns kann alles allein bewerkstelligen. Bevor Sie also weitreichende Entscheidungen treffen, die möglicherweise für die Beteiligten massive Einschnitte im Leben bedeuten, sollten Sie externe Hilfe erfragen. Denn wenn Sie Kollateralschäden für die Menschen in Ihrer Verantwortung, für Ihr Team und für die Organisation vermeiden können, sollten Sie das immer tun.
Wer wäre denn ein kompetenter Externer?
Das wäre zum Beispiel ein Konfliktcoach. Dieser führt mit den beiden einen moderierten Dialog, an dem Sie als Führungskraft nicht teilnehmen. Es ist wichtig, dass die Beteiligten wissen, dass danach auch kein Rapport an Sie geht. Also nach dem Motto: Der hat das gesagt. Das war das Problem. Das stört den anderen … Nur in diesem gesicherten Rahmen können die beiden versuchen, den Konflikt zu lösen. Die Kunst besteht aber vor allem darin, dass Sie als Führungskraft die Beteiligten überzeugen, an den Tisch zu kommen, um den moderierten Dialog zu führen. Je fortgeschrittener und eskalierter der Konflikt, desto schwieriger wird es. Manchmal hilft es, deutlich zu machen, welche negativen Konsequenzen es hätte, das Gespräch nicht zu führen und an das Verantwortungsgefühl für sich und andere im Team zu appellieren, manchmal braucht es ein Vorabgespräch mit dem Konfliktcoach, um die Hemmschwelle wegzunehmen und eine positive Perspektive zu zeichnen. Als Führungskraft ist an dieser Stelle also Ihre Überzeugungskraft und klare Erwartungshaltung an den Beitrag der Beteiligten zu einem besseren Miteinander gefragt, weil der Konflikt sonst Auswirkungen auf das ganze Team haben wird, die Sie als Verantwortlicher nicht tragen können.
Ist eigentlich jede Auseinandersetzung gleich auch ein Konflikt? Oder gibt es da Unterschiede?
Ein Konflikt ist grundsätzlich etwas Subjektives. Ein Konflikt ist es für mich persönlich immer dann, wenn ich mich in meinen Bedürfnissen verletzt fühle oder etwas bzw. jemand gegen meine Grundfeste verstößt. Und das kann bei mir schneller passieren als bei meinem Gegenüber. Das heißt, ich befinde mich vielleicht schon im Konflikt, der andere aber noch nicht. Beispiel: Sie diskutieren oder debattieren mit jemandem über ein Problem, und ja, vielleicht streiten Sie auch. Solange Sie jedoch das Problem von der Person trennen, ist es noch eine Auseinandersetzung oder auch Meinungsverschiedenheit. Sobald Sie aber Problem und Person als Einheit betrachten, stecken Sie im Konflikt.
Gibt es eigentlich bezogen auf Teams in Unternehmen so etwas wie Konfliktklassiker? Also Konflikte, die immer wieder auftauchen und mit denen ich mich als Führungskraft sicher irgendwann konfrontiert sehe?
Es gibt auf jeden Fall Dinge, die sich immer wiederholen. Im Kern ist jedoch jeder Konflikt einzigartig. Dinge wie „Der hat meine Idee geklaut“, „Warum wurde nun der befördert, ich bin doch schon viel länger im Unternehmen“, „Der kann mich nicht so respektlos behandeln“ oder das – ja schon klassische – Kompetenzgerangel. Besonders Letzteres begegnet mir während der Arbeit sehr oft, auch in agilen Teams.
Wir Menschen können uns nun einmal nicht frei machen vom Statusdenken.
Antonia Jennewein
Das ist tief in uns verwurzelt. Konflikte werden als Bedrohung wahrgenommen und in bedrohlichen Situationen schaltet sich unser Mandelgehirn, also die Amygdala, ein und sorgt für eine intuitive Reaktion: Ich werde angegriffen, also verteidige ich mich. Ich werde angegriffen, ich stelle mich einfach tot. Oder aber ich werde angegriffen und renne weg. Diese Entscheidung trifft unser Gehirn, ohne dass wir bewusst entscheiden. Im ersten Fall steigen Sie voll in den Konflikt ein, er wird sichtbar. Im zweiten ignorieren Sie ihn einfach. Und im dritten kündigen Sie Ihren Job. Wenn niemand frühzeitig eingreift und vermittelt. Was bleibt, ist in allen drei Fällen eine negative Erfahrung, die wir in unserem Lebensrucksack mit uns herumtragen. Das belastet auf Dauer und wirkt sich auch auf den Umgang mit zukünftigen Konflikten aus.
Was wäre denn die beste Aktion von meiner Seite, wenn ich merke, dass ich in einem Konflikt mit einem Kollegen stecke?
Fangen Sie bei sich selbst an. Wir Menschen neigen dazu, die Schuld immer zuerst beim anderen zu suchen. Der andere muss sich ändern … Dabei geht es gar nicht um Schuld. Wenn Sie es schaffen, zu sagen: Ich lass den anderen jetzt mal außen vor, ich schaue erst mal nach mir und ich reguliere mich und helfe mir selbst durch die schwierige Situation – dann ist das definitiv effektiver. Das bedeutet nicht, dass Sie gleich eine Lösung finden, aber Sie entschärfen die Situation, weil Sie plötzlich wieder Einfluss nehmen können. Sie beruhigen sich, und das können Sie auch spüren, denn ein Anzeichen, dass Sie gerade in einem Konflikt stecken, ist sicher, dass Ihr Puls schneller geht, viele fangen auch an zu schwitzen. Sobald Sie Ihre Emotionen wieder „eingefangen“ haben, können Sie die gesamte Situation viel objektiver betrachten. Und vor allem können Sie fragen: Worum geht es eigentlich wirklich? Denn bei jedem Konflikt geht es erst einmal um vordergründige Positionen. Ich habe Recht, du hast Unrecht. Oder wie schon gesagt, es geht um Ihre Bedürfnisse oder Grundfeste. Sie brauchen an dieser Stelle Disziplin, Empathie und Bereitschaft zur Selbstreflexion und den unbedingten Willen, die Situation für sich selbst zu verbessern.
Was mache ich eigentlich, wenn es sich bei dem Konflikt nicht um einen mit dem Kollegen, sondern um einen mit dem Chef handelt?
Das ist oft viel schwieriger, weil Sie sich ja in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden. Ein offenes Statement von Ihrer Seite kann bedeuten, dass Sie sanktioniert werden. Das kann bedeuten, dass Sie bei der nächsten Gehaltserhöhung übergangen werden oder Ihnen nur noch die unangenehmen Projekte oder Kunden zugespielt werden. Oder aber Ihnen wird – im schlimmsten Fall – gekündigt. Zumindest ist das die Annahme der Betroffenen. Doch es kommt vor allem darauf an, wie Sie den Streitpunkt adressieren. Damit Sie trotz aller Bedenken mit einem guten Gefühl das Gespräch für eine gemeinsame Lösung suchen können, sollten Sie Folgendes tun: Im ersten Schritt können Sie sich beispielsweise überlegen, welches die zehn schlimmsten Dinge wären, die eintreten könnten. Diese schreiben Sie links in eine Tabelle. Dann überlegen Sie, was Sie tun können, um diese Dinge zu verhindern. Das tragen Sie jeweils daneben ein. Und im letzten Schritt finden Sie Antworten darauf, was Sie tun werden, wenn die Sache dennoch eintritt. Auch diese notieren Sie an den passenden Stellen. Und dann betrachten Sie die Tabelle und Sie werden merken, dass Sie schon viel ruhiger sind. Stichwort: Selbstregulation. Sie haben mit der Anfertigung der Tabelle Ihr Gehirn ausgetrickst. Denn Sie haben nun einen Plan – oder sogar gleich zehn Pläne! Die Angst ist meistens die größte Hürde und mit dieser Vorgehensweise und diesem Plan nehmen Sie sich selbst die Angst vor negativen Konsequenzen.
Oft malen wir das Bild ja schwärzer, als es ist. Und das hindert uns daran, auf die andere Person zuzugehen und unsere eigene Wahrnehmung anzusprechen.
Antonia Jennewein
Womit wir wieder bei den eigenen Bedürfnissen und Grundfesten sind.
Genau. Aus diesem Grund sollten Sie im Gespräch mit dem vermeintlichen Konfliktpartner auch immer bei Ich-Botschaften bleiben. Mit Vorwürfen bringen Sie den anderen direkt in die Verteidigungs- oder auch Vermeidungsposition. Entweder greift er dann auch direkt an oder aber er ignoriert sie. Laden Sie stattdessen den anderen ein, mit Ihnen in den Dialog zu treten, indem Sie sagen: „Ich habe da wahrgenommen … Ich habe Folgendes gehört oder gesehen …“
Wahrnehmungen sind individuell und man kann sie nicht verneinen. Gleichzeitig laden sie zu einem gemeinsamen Abgleich ein. Sie können über sie sprechen und oft zeigt sich, dass der andere es gar nicht so gemeint hatte oder damit etwas für Sie Negatives erreichen wollte.
Antonia Jennewein
Viele aber tragen den Konflikt mit sich selbst aus, suchen nicht den Dialog. Und so mutiert der andere in Ihren Gedanken immer mehr zu einem Monster. Je früher Sie es ansprechen, desto eher lässt sich die Sache aus der Welt räumen, oft reicht dann schon eine aufrichtige Entschuldigung.
Ich selbst mag es auch eher harmonisch und ich denke, da sind viele Menschen gleich. Es gibt sicher Menschen, die den Konflikt suchen, aber die meisten sind doch eher konfliktscheu. Kann ich an dieser Einstellung arbeiten?
Hier geht es um die Überwindung der eigenen Präferenzen für neue Perspektiven. Es ist wirklich eine Frage der Haltung: Sehe ich das alles als Bedrohung oder als Chance? Machen Sie in einem solchen Fall das Problem zu Ihrem Gegner und den vermeintlichen Konfliktpartner zum Verbündeten. Nur zusammen können Sie das Problem beseitigen. Oder aber Sie versuchen, den anderen als eine Art Coach zu sehen, der Sie darin unterstützt, Dinge zu tun und damit zu trainieren, die Sie selbst nicht so gut können. Zum Beispiel schwierige Gespräche führen. Sehen Sie das Gespräch als Herausforderung, an der Sie wachsen können. Und beim nächsten Mal wird es Ihnen dann schon leichter fallen. Jeder von uns hat seine eigenen Rituale, um schwierige Situationen zu meistern. Kleinigkeiten wie die Tasse Tee, bevor man auf die Bühne tritt und einen Vortrag hält, das Glückscroissant am Morgen, bevor man zur Prüfung aufbricht. Machen Sie das auch bei Konflikten so: Schaffen Sie sich ein Ritual, das als Stärkung dient. Und kommunizieren Sie in Ich-Botschaften und malen Sie sich aus, wie erleichtert Sie sein werden, wenn Sie das Gespräch gemeistert haben, dann sind Sie schon gut gerüstet für das nächste Konfliktgespräch.
Gibt es trotzdem Momente, in denen man den Konflikt am besten vermeidet?
Da scheiden sich die Geister. Aber ich glaube, es liegt an der Begrifflichkeit. Es gibt Menschen, die sagen, dass es Konflikte braucht, um auf neue Ideen zu kommen oder Innovationen voranzutreiben. Dem widerspreche ich:
Der Konflikt selbst ist nicht mehr produktiv.
Antonia Jennewein
Die Fronten sind dann verhärtet und es ist schwer, da noch herauszukommen. Damit geht es dann auch nicht mehr um die Sache, die Idee oder Innovation und das behindert den gemeinsamen Erfolg. Das sollte unbedingt verhindert werden. Dagegen sind Meinungsverschiedenheiten oder Auseinandersetzungen, wie wir sie vorhin besprochen haben, dazu da, unterschiedliche Blickwinkel einzubringen und daraus das beste Ergebnis, die beste Idee zu generieren. Das sollten Sie in meinen Augen nicht vermeiden. Sie sind die Grundlage für neue Ideen und Innovationen.
Am Ende geht es also immer um die Frage „Wer hat eigentlich das Problem?“, oder?
Ja. Man sollte immer erst bei sich selbst anfangen und sich fragen, welche Bedürfnisse getriggert wurden, die dazu führten, dass Sie in diesen Konflikt geraten sind. Dazu hilft es, sich zuerst einmal selbst zu fragen, mit welchem Wertegerüst Sie die Situation bewerten. Dazu sollten Sie Ihre wichtigsten Werte herausfiltern. Und dann schauen Sie, welche positiven Gegenwerte zu Ihren Werten bestehen. Gehen wir einmal davon aus, Ihr Wert ist Pünktlichkeit. Dann sind positive Gegenwerte dazu „zeitliche Flexibilität“ oder „Freiheit“. Sprich: Für Sie ist Pünktlichkeit das Wichtigste und für Ihr Gegenüber vielleicht die „zeitliche Flexibilität“. Sie empfinden nun einen Konflikt, weil Ihr Gegenüber Ihren Wert verletzt, dabei agiert dieser Mensch aus einem anderen Wertegerüst heraus und nicht aus Respektlosigkeit. Er bleibt einfach seinen eigenen Werten treu. Nur weil Sie einen bestimmten Antreiber haben, der Ihr Verhalten steuert, muss der andere kein schlechter Mensch sein, weil er einen anderen Antreiber hat. Als Menschen werden wir immer unterschiedliche Werte, Herangehensweisen und Meinungen haben und deshalb auch Konflikte, weil wir eben alle unterschiedlich sind. Es ist daher wichtig, darüber zu sprechen und gemeinsame Lösungen zu finden. Und das ist auch möglich, ohne das eigene Gesicht zu verlieren.
Über die Autorin
Antonia Jennewein war HR-Expertin und Personalleiterin teils in internationalen Konzernen. Heute arbeitet sie als Coachin und Mediatorin.