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Leben bedeutet Risiko

Wie schätze ich Chancen und Gefahren bei Entscheidungen richtig ein (selbst wenn ich eine Null in Statistik bin)?

Wir leben in einem risikoreichen Zeitalter. Ständig müssen wir lebensgefährliche Entscheidungen treffen. Soll ich mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen (ca. 300 Tote pro Jahr, weltweit)? Oder doch lieber mit dem Auto (ca. 3000 Tote pro Jahr, allein in Deutschland)? Ach, am besten ich bleibe daheim und halte den Haushalt in Schuss (ca. 8000 Tote pro Jahr, allein in Deutschland)! Wie man’s macht, macht man’s verkehrt.

Wenn es um konkrete Risikoeinschätzungen geht, tun wir uns oft sehr schwer. Wir fürchten uns vor Haiangriffen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, beim Schwimmen von einem Hai attackiert zu werden, bei 1 zu 30 Millionen liegt. Und wenn Sie den Urlaub am Bodensee verbringen, ist sie sogar noch geringer.

Gleichzeitig sehen viele keine übermäßig große Gefahr darin, sich jeden Tag eine Schachtel Reval ohne Filter in die Lunge zu pumpen. Einige glauben sogar, dass man das Lungenkrebsrisiko vermindern kann, wenn man in der Nähe eines Krankenhauses raucht. Seit Hunderten von Jahren betreiben wir Menschen Wissenschaft und Logik, sind aber im Kern immer noch ziemlich irrationale Wesen. Selbst ich, als rationaler Zahlenmensch, ertappe mich ab und an dabei. Erst gestern habe ich zwei Minuten lang auf einen Stuhl eingebrüllt, weil ich mir das Schienbein dran gestoßen habe. Und wenn mein Computer Zicken macht, bin ich persönlich von ihm enttäuscht.

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Logik und Rationalität sind nicht unbedingt unsere Kernkompetenzen

Besonders schwer tun wir uns deshalb im Umgang mit Statistik. Und zwar quer durch alle Bildungsschichten. Ich kenne Politiker, die fragen sich bis zum heutigen Tag, wie es sein kann, dass ihre Partei in einem Wahlkreis 60 Prozent der Stimmen bekam, obwohl die Wahlbeteiligung nur bei 50 Prozent lag. 

Die verstörende Botschaft ist: Unser Gehirn ist für rationale Risikoabschätzungen gar nicht gemacht. Beim Lottospielen sagen wir: Die Chance auf den Hauptgewinn beträgt 1 zu 140 Millionen – es könnte mich treffen! Beim Rauchen sagen wir: Die Chance für Lungenkrebs beträgt 1 zu 1000 – warum sollte es ausgerechnet mich treffen? 

Individuelle Risikoabschätzung beruht meist denn auch nicht auf nüchterner Statistik, sie basiert vor allem auf Angst. Angst ist im ältesten Teil unseres Gehirns verankert. Ein Relikt aus der Zeit, in der wir noch Reptilien waren. Und wie jeder weiß: Reptilien sind nicht unbedingt die Hellsten. Wenn Sie einen Alligator fragen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, aus einer Schale mit hundert roten und zehn weißen Kugeln dreimal hintereinander Rot zu ziehen – vergessen Sie’s …

Besonders bei Gefahr ist unser primitives Reptiliengehirn darauf programmiert, intuitiv zu handeln und eben nicht den Taschenrechner herauszuholen, um mal schnell die Überlebenschancen sauber durchzurechnen. Das ist der Grund, weshalb wir, trotz einer üppig ausgestatteten Großhirnrinde, Risiken entweder massiv unter- oder überschätzen. Oder anders gesagt: Die wahren Gefahren sind oft nicht die, die wir fürchten.

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Zusammenfassung (Buch)

Antifragilität

Robust ist nicht genug: Was in einer fragilen Welt bestehen soll, muss „antifragil“ sein.

Nassim Nicholas Taleb Albrecht Knaus Verlag
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Wir haben Angst vor Terroranschlägen, aber nicht vor Cholesterin. Wir verfallen in Panik bei Glyphosat und Äpfeln „mit Genen drin“, aber gleichzeitig trinken wir Alkohol und fahren Motorrad. Manche heiraten sogar. Und wenn das ehemals winzige Muttermal plötzlich so aussieht wie die Umrisse von Kasachstan, dann zucken wir kurz mit den Schultern und hoffen, dass es umso gutartiger wird, je weniger wir es beachten.

Was können wir tun, um Risiken klüger einzuschätzen?

Zunächst einmal müssen wir uns von dem Irrglauben befreien, es gäbe ein Nullrisiko. Die Sehnsucht nach einem solchen Nullrisiko ist sehr tief im Menschen verankert. Besonders bei uns sicherheitsfixierten Deutschen. Deswegen setzen wir mitten in einer Pandemie, die in Deutschland pro Tag etwa 300 Menschen das Leben kostet, zwei Wochen lang einen Impfstoff aus, weil er bei zehn Leuten eventuell eine Thrombose auslösen könnte. Ein Dilemma, das in der Risikoforschung schon lange bekannt ist: Je mehr wir versuchen, ein bestimmtes Risiko auszuschalten, umso stärker tritt ein anderes in den Vordergrund.

Vor einigen Jahren titelte eine große deutsche Tageszeitung: „Schwimmflügel jetzt krebserregend!“ Und es wurde wirklich darüber diskutiert. Zwei Wochen lang war es für Kinder praktisch gesünder, zu ertrinken.

Hundertprozentige Sicherheit war schon immer eine Illusion. Der Ankylosaurus lebte vor rund 66 Millionen Jahren. Er hatte keine natürlichen Feinde, weil er am gesamten Körper perfekt gepanzert war. Ausgestorben ist er trotzdem. Die Frage lautet also nicht: Wie können wir Risiken vermeiden? Sondern: Welche Risiken sind akzeptabel?

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Zusammenfassung (Buch)

Die Kunst des Risikomanagements

Die Initialen sind nicht der einzige Grund, warum alternative Risikotransferprodukte (Alternative Risk Transfer) „ART“ genannt werden. Die Kunst besteht dabei darin, zu wissen, wie man sie nutzt, um Risiken zu managen und Profit zu machen.

Christopher L. Culp Wiley
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Eine elegante Möglichkeit, Risiken vergleichbar zu machen, wäre: Man nimmt die Anzahl der Bevölkerungsgruppe, die einem bestimmten Risiko ausgesetzt ist, und teilt sie durch die Anzahl der Opfer. Je größer diese Zahl, desto risikoärmer die Aktivität.  

  • Opfer beim Fallschirmspringen ohne Schirm: 100 von 100, Sicherheitsfaktor: 1
  • Opfer beim Fallschirmspringen mit Schirm: 1 von 250 000, Sicherheitsfaktor: 250 000

Für viele mag es sich zynisch anhören, wenn Risikoforscher Todesraten gegeneinander abwägen und berechnen. Aber eigentlich ist das Gegenteil zynisch: Wenn wir Risiken nur auf einer persönlichen, emotionalen Skala bewerten, bekämpfen wir unter Umständen Scheinrisiken. Und das macht unsere Welt nicht sicherer. Ganz im Gegenteil. Das Wissenschaftsmagazin Science hat errechnet, dass in US-amerikanischen Schulen pro Jahr höchstens ein Schüler von zehn Millionen durch eine erhöhte Asbestbelastung ums Leben kommt. Während der daraufhin durchgeführten Asbestsanierungen mussten viele Schüler die Schule wechseln und einen längeren Schulweg auf sich nehmen. Dabei verunglückten über 300 von ihnen tödlich.

Machen Sie sich also weniger Gedanken über irgendwelche exotischen Lebensrisiken.

Die großen Gefahren unseres Lebens sind ohnehin seit Jahrzehnten dieselben: Rauchen, Saufen, Autofahren. Dadurch kommen die meisten Menschen in Deutschland ums Leben. Wenn Sie zehn Kilometer mit dem Auto zurücklegen, setzen Sie sich dem gleichen Risiko aus wie bei einem Flug von Frankfurt nach New York. Wenn Sie also mit dem Taxi zum Flughafen fahren und gut ankommen, dann haben Sie das Schlimmste schon hinter sich.

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Zusammenfassung (Buch)

Warum immer ich?

Warum regnet es eigentlich immer, wenn Sie zu einer Gartenparty eingeladen sind? Warum ist die Ampel immer rot, wenn Sie es besonders eilig haben? Alles Zufall oder steckt mehr dahinter?

Jochen Wegner Argon Verlag GmbH
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Seit ich das kapiert habe, beunruhigen mich die ganzen Katastrophenmeldungen auch nicht mehr. Denn ich weiß: Allein die Tatsache, dass ich nicht rauche, wenig Alkohol trinke und öfters mit der Bahn fahre, treibt meinen Lebensversicherer zur Weißglut.


Vince Ebert ist Diplom-Physiker, Wissenschaftskabarettist und Bestsellerautor. Sein Anliegen ist die Vermittlung wissenschaftlicher Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors. Seit 2004 ist er erfolgreich auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs, aktuell mit seinem neuen Programm „Make Science Great Again!“ (Tickets & mehr …). Seine Bücher verkauften sich über eine halbe Million Mal und standen monatelang auf den Bestsellerlisten. In der ARD moderiert er regelmäßig die Sendung „Wissen vor acht – Werkstatt“.


Zum Thema dieser Kolumne empfiehlt Vince Ebert aus unserer Wissensbibliothek:

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Der Schwarze Schwan

Schwarze Schwäne prägen Ihr Leben, auch wenn Sie noch nie einen gesehen haben. Genau darin liegt nämlich das Problem.

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Sind Algorithmen die besseren Experten?

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Projektmanagement ist wie Bärentango: riskant!

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Vince Ebert live:


Foto: Frank Eidel

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