Neue Regeln für die videobasierte Personalsuche
Die richtige Personalauswahl ist schon in ruhigen Zeiten ein schwieriges Thema. Nicht selten ist sie mit einem langen Prozess verknüpft, der die Spreu vom Weizen trennen soll: Fragebögen, Assessment-Center, Tests und unzählige Interviews müssen die Bewerber bewältigen. Und daran hat sich auch in der Corona-Krise nichts geändert. Der Prozess bleibt fast der gleiche – nur findet er eben aktuell ausschließlich über digitale Kanäle statt. Gerade das stellt aber sowohl Anwärter wie Auswählende vor neue Herausforderungen.
Um zu verhindern, dass es aufgrund von technischen Hürden oder auch durch den eingeschränkten nonverbalen Austausch zu diskriminierender und fehlerhafter Personalauswahl kommt, hat ein Konsortium aus Fachleuten und Experten nun eine DIN SPEC für Qualitätsanforderungen für videogestützte Methoden der Personalauswahl (VMP) lanciert. Wie die Faz.de schreibt, besteht mit der DIN 33430 schon lange eine klare Regelung dazu, welche Informationen ein Recruiter im Zuge des Bewerbungsprozesses einholen und nutzen darf. Ebenso sind in der DIN zum Beispiel auch Qualitätsstandards für Tests definiert.
Objektivität behalten
Mit der neuen DIN SPEC wollen die Initiatoren nun sicherstellen, dass dieses Regelungen auch dann Beachtung finden und umgesetzt werden, wenn die Personalsuche ausschließlich digital abläuft. Das bedeutet unter anderem, dass es keine „technische Diskriminierung“ geben darf, indem etwa für die Videokonferenzen Tools genutzt werden, die nicht auf allen Betriebssystemen funktionieren. Auch technische Übertragungsprobleme dürfen nicht in den Beurteilungsprozess mit einfließen.
Gerade letzteres ist sicher einfacher gesagt als getan, denn wenn die Verbindung hakt, nervt das – uns zwar jeden von uns. Sich hier freizumachen und dennoch objektiv zu bleiben, ist eine der schwersten HR-Aufgaben. Es schadet sicher nicht, ein stärkeres Bewusstsein für diese neuen Herausforderungen zu schaffen:
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Besonders skeptisch haben die Initiatoren hinter der neuen DIN SPEC das Thema Künstliche Intelligenz hinterfragt. Schon seit einigen Jahren werden Algorithmen innerhalb von Recruiting-Prozessen eingesetzt. So bieten Chatbots die Möglichkeit, dass ein Bewerber beim Lesen der Stellenanzeige bereits mit einer KI kommuniziert, um grundsätzliche Dinge zum Job zu erfahren. Oder aber Bewerbungen werden von einer KI durchforstet, die in Folge die Bewerber selektiert, die zum Stellenprofil am besten passen. Als Grundlage dienen dafür die Daten derjenigen, die die Stelle vorher schon einmal innehatten.
KI soll, so die Befürworter, Voreingenommenheit im Auswahlverfahren neutralisieren. Auf der anderen Seite aber werden Algorithmen trainiert und lernen dadurch, dass sie von Menschen mit Daten gefüttert werden. Sara Lindemann, Sprecherin des Konsortiums, sieht dabei die Gefahr, dass der Diskriminierung von Kandidaten Tür und Tor geöffnet wird, wenn KI zukünftig in Auswahlverfahren autonome Entscheidungen trifft. Ihre warnenden Worte: „Derzeit überschwemmen fragwürdige Personalauswahlmethoden auf KI-Basis den Markt, die Bewerber beispielsweise auf Basis von Mimik-, Gesichts- oder Sprachanalysen beurteilen. Zudem analysieren Algorithmen Profildaten aus sozialen Netzwerken und kommen so zu Urteilen über Kandidaten. Wir sind überzeugt, dass die technologisch fortschrittliche Personalauswahl nicht zuletzt auch aus ethischen Gründen dringend eine fachkundige Qualitätssicherung benötigt.“
Mit dem neuen DIN SPEC ist hier ein erster Schritt getan. Jetzt zählt es, laufende Entwicklungen weiter zu beobachten und aktuelle Projekte, bei denen KI bereits bei der Personalsuche zum Einsatz kommt, zu analysieren. Und genau festzulegen, wo die KI eine Auswahl treffen kann und darf, ohne vom Menschen „kontrolliert“ zu werden. Lesen Sie hier, wo dies schon gut funktioniert und wie KI die HR-Abteilungen und bei der Personalsuche unterstützen kann:
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