Psychohygiene – Tipps für Ihre mentale Gesundheit
Machen wir uns nichts vor: Die Welt war schon vor der Pandemie kein Ponyhof. Jeder für sich kämpfte schon prä-Corona mit persönlichen Dämonen oder eben Herausforderungen wie auch Schwierigkeiten. Vielleicht war es die Situation auf der Arbeit, die sich negativ auf die eigene Psyche ausgewirkt hat, vielleicht waren es private Gründe, die einen nachts um den Schlaf brachten. Fakt ist, dass das letzte Jahr nicht wirklich hilfreich war, wenn es um eine positive Lebenseinstellung geht.
Doch gerade deswegen ist es wichtig, jetzt seine Einstellung zu belastenden Situationen zu verbessern, oder wie es im Zürcher Ressourcenmodell (ZRM) heißt: negative Gefühlslagen reduzieren, positive Gefühle stärken. Das Modell wurde bereits in den 1990er-Jahren an der Universität von Zürich entwickelt, um in gewissen Risikogruppen Burn-outs vorzubeugen. Im Kern geht es bei diesem Selbstmanagement-Tool darum, sich seiner Gefühle bewusst zu werden. Dafür geben Sie auf einer Skala von 0 bis +100 an, wie gut es Ihnen gerade geht. Und auf einer Skala von 0 bis –100 tragen Sie ein, wie schlecht es Ihnen gerade geht. Das Ergebnis – gehen wir einmal von +35/–55 aus – hinterfragen Sie entsprechend den Gründen für diesen Zustand. Was lässt Sie positiv fühlen, was negativ? Daraus lässt sich ableiten, was Sie verstärkt tun sollten und welche Dinge Sie reduzieren sollten. Anregungen dazu finden Sie auf dieser Website.
Wünschen Raum geben
Eine andere Art, seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und damit Gefühle zu ergründen, ist die WOOP-Methode. WOOP steht dabei für die Begriffe „wish“, „outcome“, „obstacle“ und „plan“ oder auf Deutsch „Wunsch“, „Ergebnis“, „Hindernis“ und „Plan“. Es geht darum, zu erkennen, was man eigentlich gerne hätte oder tun würde, was bislang aber immer gescheitert ist und damit zu Frust und Traurigkeit führt. Auch hier steht wieder die eigene mentale Gesundheit im Fokus. WOOP lässt sich dabei in die folgenden vier Schritte gliedern:
- Wunsch: Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, gehen Sie in sich und denken Sie darüber nach, was Sie sich wünschen. Wichtig: Der Wunsch kann schwierig in der Umsetzung, er muss aber möglich sein.
- Ergebnis: Imaginieren Sie das Ergebnis. Wie fühlt es sich an, wenn der Wunsch in „Erfüllung gegangen“ ist? Wie sieht das konkret aus?
- Hindernis: Im dritten Schritt gilt es, potenzielle Hindernisse zu definieren. Was ist der Grund, warum der Wunsch immer noch Wunsch und noch nicht Realität ist? Die erste Antwort wird dabei sicher nicht die richtige sein, daher nehmen Sie sich wirklich Zeit und hinterfragen Sie mögliche Antworten. Klingen die einfach gut? Sind es perfekte Ausreden? Meistens steht man sich nämlich einfach selbst im Weg – das zuzugeben ist nicht einfach. Haben Sie das wirkliche Hindernis erkannt, haben Sie den schwersten Schritt gemeistert.
- Plan: Definieren Sie eine klare Lösung oder eben den Weg zur Wunscherfüllung. Bedenken Sie dabei, was passiert, wenn das Hindernis auftaucht. Seien Sie gewappnet, so kommen Sie an Ihr Ziel.
Negativem keinen Raum mehr geben
Unser Verstand will unseren Körper schützen und darum scannt er unser Umfeld immerzu nach Bedrohungen ab. Und er wird dabei in der Regel fündig. Denn:
Unser Verstand ist geprägt vom verzerrenden Einfluss eines fundamentalen Ungleichgewichts, und was das für unser Leben bedeutet, wird der Wissenschaft gerade erst so richtig klar: Schlecht ist stärker als gut.
Roy F. Baumeister & John Tierney
Unser Gehirn gewichtet negative Informationen stärker als positive – Experten sprechen hier vom Negativitätseffekt. Selbst wenn wir etwas Gutes geleistet haben, wenn uns etwas Wunderbares passiert ist, suchen wir nach der bekannten „Macke“, also nach dem Schlechten. Statt uns zu freuen, machen wir uns Gedanken um Dinge, die eventuell gar nicht da sind, nicht passieren werden. Forscherinnen und Forscher der University of Pennsylvania haben in einer Studie herausgefunden, dass 91 Prozent der Sorgen, die wir uns machen, unbegründet sind. Sie treten nämlich in der Regel gar nicht ein.
Hat man sich den Negativitätseffekt jedoch einmal bewusst gemacht, kann man gezielt durch eigene Entscheidungen gegensteuern. Dazu gibt es unterschiedliche Herangehensweisen:
- Glück teilen: Ihnen ist etwas Gutes passiert, Sie haben Erfolg gehabt? Dann sprechen Sie darüber mit anderen. Positive Rückmeldung wie Lob und Glückwünsche verstärken die guten Gefühle bei Ihnen.
- Sich mitfreuen: Hat jemand anderes etwas geleistet? Hat jemand anderes etwas Tolles erlebt? Dann freuen Sie sich mit ihm und für ihn. Sicher werden die guten Gefühle auf Ihrer Seite weniger groß sein, als wenn Sie selbst der Glückliche wären, aber Mitfreuen schafft Verbundenheit und die tut gut.
- Dinge umdeuten: Schauen Sie zurück und erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie angenommen haben, dass sie schlecht waren, dass sie negative Konsequenzen für Sie hatten. Deuten Sie diese dann ganz gezielt um. Job verloren – Chance auf Neuanfang. Ärger mit dem Partner – sich wieder aufeinander zubewegen und noch besser kennenlernen. Und Scherben bringen ja bekanntlich Glück.
- Tagebuch führen: Schreiben Sie auf, was Ihnen Gutes passiert, und das jeden Tag. Holen Sie dieses Dankbarkeitstagebuch heraus, blättern Sie darin herum, wenn mal wieder einer dieser Tage ist, an denen scheinbar alles in die Hose geht.
Raum schaffen, man Selbst zu sein
Mihály Csíkszentmihályi gilt als Schöpfer der Flow-Theorie und beschrieb diesen Zustand des Schaffens– bzw. Tätigkeitsrauschs schon in den 1970er-Jahren. Wichtig war ihm, dass die Menschen eben nicht mehr nur punktuell Glück erleben, sondern dass sie eine ganzheitliche positive Lebenseinstellung anstreben. Im Fokus steht dabei die Selbsterfüllung oder eben das autotelische Selbst („autos“= selbst; „telos“= Ziel, Zweck). Man selbst setzt sich Ziele. Ziele, die zu einem passen. Die man erreichen kann. Oder andersherum: Jeder tut, was er am besten kann, und erlebt darauf basierend eigene Erfüllung. Ich bin etwas wert, ich kann etwas.
Im Flow sind Sie, wenn Sie:
- deutlich wahrnehmbare Ziele anstreben
- vor Ihnen liegenden Aufgaben Ihre volle Aufmerksamkeit schenken
- Feedback bewusst aufnehmen
- lernen, unmittelbare Ergebnisse zu sehen und sich darüber zu freuen
Aktive Zuwendung, konzentrierte Aufmerksamkeit und bewusste Gestaltung des eigenen Lebens sind die Eckpfeiler des Flows. Im Gegenzug werden Ablenkung, Passivität (Langeweile) und negative emotionale Überreaktionen (Angst, Ärger, Wut) Sie immer wieder ausbremsen. Das bedeutet: Geben Sie Störfaktoren weniger die Chance, Ihre Arbeit, Ihr Tun zu unterbrechen. Etwas konzentriert bearbeiten weckt ein gutes Gefühl in uns und ist meistens von einem erfolgreichen Ergebnis gekrönt. Multitasking ist demnach auch kein Freund des Flows und sorgt nachweisbar für einen negativen Beigeschmack, da man sich selbst am Ende eingestehen muss, zwar alles irgendwie geschafft zu haben, nichts davon aber wirklich in „Perfektion“. Flow steht gleichbedeutend für Fokus, Fokus auf das, was gerade passiert, was man gerade tut und Fokus auf das eigene Selbst.
Lesetipp
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