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„Soll KI Prognosen über die Zukunft machen, kann man sagen: Wenn es gut läuft, ist nur die Hälfte falsch.“

In einer Welt, in der uns künstliche Intelligenz immer mehr abnimmt, braucht es da noch menschliches Bauchgefühl? Ja, meint Andreas Moring. Warum und wo wir Menschen künstlicher Intelligenz immer etwas voraushaben werden, erzählt er im Gespräch.

„Soll KI Prognosen über die Zukunft machen, kann man sagen: Wenn es gut läuft, ist nur die Hälfte falsch.“

Herr Moring, warum haben Sie sich dazu entschieden, ein Buch über KI zu machen, das seinen Hauptfokus auf die Funktionsweise menschlicher Intuition legt?

Andreas Moring: Aus zwei Gründen: Einmal, weil sich immer mehr Organisationen und auch Einzelpersonen die Frage stellen: Wenn KI so viele Dinge übernehmen kann, was sind dann eigentlich noch die typisch menschlichen Fähigkeiten? Wie sieht dann eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen menschlichen Kompetenzen und künstlicher Intelligenz bzw. Kompetenz aus? Und zum anderen ist die Funktionsweise künstlicher Intelligenz ja sehr ähnlich wie die unseres Gehirns. Dennoch haben beide Intelligenzen einen anderen Nutzen. Sie sehen also zwar sehr ähnlich aus, können aber ganz unterschiedliche Dinge.

Was sind denn die Gemeinsamkeiten, aber eben auch Unterschiede der Funktionsweisen von menschlicher Intuition und KI bzw. LLMs?

Beide Intelligenzen oder Kompetenzen lernen Muster und beide greifen auf historische Daten zurück. Eine KI macht das jedoch über statistische Berechnungen, also immer zahlenbasiert bzw. rechnungsbasiert. Wir Menschen machen das nicht. Wenn Sie Ihre Informationen oder Erinnerungen oder Erfahrungen verarbeiten, dann stellen Sie keine Berechnungen an. Bei uns erfolgt die Einordnung über Emotionen. Das ist der Grundunterschied. Also beide lernen Muster und beide lernen Zusammenhänge, eine künstliche Intelligenz lernt diese Zusammenhänge über statistische Berechnungen und das Minimieren von Fehlern, und wir Menschen lernen über die Erfahrung und die Emotionen, die wir mit diesen Erfahrungen verbinden. Und das ist ja auch eine Sache, wo wir vorhin schon waren, was eine Maschine eben niemals kann, weil eine Maschine keine Emotionen hat. Sie kann supergut rechnen, aber hat keine Gefühle.

Wobei bei uns ja auch eine gewisse Wahrscheinlichkeitsrechnung stattfindet, wenn wir innerlich abwägen, welches Verhalten wir zeigen. Gerade etwa die Predictive Coding Theory besagt ja, dass unser Gehirn ständig Vorhersagen darüber trifft, was wir in der Situation, in der wir uns gerade befinden, mit großer Wahrscheinlichkeit als Nächstes erfahren bzw. erleben werden, und das dann mit der Realität abgleicht. Aber für Sie bilden die Emotionen den Hauptunterschied, die bei unseren Entscheidungen eine maßgebliche Rolle spielen.

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Zusammenfassung (Buch)

Siebeneinhalb Lektionen über das Gehirn

Wofür haben wir ein Gehirn? Nicht in erster Linie zum Denken – sondern zum Kooperieren.

Lisa Feldman Barrett Rowohlt Verlag
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Genau. Aus den Emotionen, die wir aus unseren Erfahrungen mitnehmen, leiten wir ab, was jetzt oder für die Zukunft die richtigen Entscheidungen sind. Das ist letztlich auch die einzige Möglichkeit für uns, komplexe Zusammenhänge irgendwie einzuordnen. Auch hier unterscheiden wir uns von KI.

KI kann viele komplexe Dinge durchrechnen und Szenarien durchspielen. Das können wir nicht in diesem Ausmaß. Wir reduzieren Komplexität.

Nicht durch das Berechnen von ganz vielen Informationen, sondern über den Abgleich: Was für eine Situation oder für eine Frage habe ich und was habe ich aus meiner Vergangenheit mitgenommen, was richtig war? Und deswegen können wir unsere intuitiven Schlüsse nicht genau erklären, weil sie eben nicht rechnerisch nachvollziehbar sind, sondern Überzeugungen, die auf Erfahrungswissen basieren, das an sich extrem komplex ist.

Aber auch eine KI hat doch eine Basis, eine Datenbank, auf die sie zurückgreift, um richtig zu reagieren?

Künstliche Intelligenz kann immer nur mit vorhandenem Zahlenmaterial arbeiten, Zahlenreihen, Bilder etc. Wir Menschen nehmen solche „Fakten“, nenne ich sie jetzt mal, auch wahr, zum Beispiel, welche Farbe der Tisch vor uns hat. Aber wir haben noch sehr viel mehr an Informationen, die wir wahrnehmen. Was herrscht gerade für eine Stimmung? Wie ist die Situation? Was kriegen wir empathisch mit? Wie ist das gesamte Umfeld, in dem etwas stattfindet? Also ist das eine gefährliche Situation, eine entspannte, ist es eine Entscheidungssituation? All dies, was man bei KI „Metainformationen“ nennt, was also die Umschreibung bzw. das Umfeld der eigentlichen Fakten ist, steht der KI nicht zur Verfügung, weil das nicht in den Daten drin ist.

Aber auch wir nehmen all diese Informationen nicht immer wahr, oder?

Das stimmt. Die Frage ist natürlich, ob wir uns diese Informationen auch bewusst machen. Denn eigentlich schneiden wir immer alles mit. Aber wir sind so sehr darauf trainiert, mit dem Rationalen zu denken und zu entscheiden, dass wir es verlernt haben bzw. weggedrückt haben, dass wir auch noch andere Informationen aufnehmen.

Das schreiben Sie ja auch in Ihrem Buch: dass wir rationale Entscheidungen nach wie vor bevorzugen, gerade auch in der Arbeitswelt, obwohl wir von mehr Intuition hie und da profitieren würden. Was denken Sie, warum hat die Intuition einen so schlechten Ruf?

Einmal, weil das schon seit der Zeit der Aufklärung das Dogma ist: Wahr und verlässlich ist nur das, was empirisch beweisbar ist. Diese Denkweise war ja auch ein guter Beschleuniger für Innovation. Speziell im Arbeitsleben kommt aber auch der Rechtfertigungsdruck hinzu. Wir müssen alle Entscheidungen und Handlungen irgendwie begründen: mit Zahlen, Daten, Fakten, Statistiken, Marktanalysen, Umfragen usw. Das ist letztlich auch das gesamte Geschäftsmodell von Unternehmensberatungen, die ja nur damit beschäftigt sind, irgendwelche Analysen und Begründungen ranzuschaffen, um damit etwa eine Strategie zu begründen. Wenn wir auf dem unteren oder mittleren Level sind, müssen wir immer nach oben begründen, warum wir was wollen. Wenn wir auf einem oberen Level sind, müssen wir den Leuten unter uns erklären, wieso wir welche Entscheidungen getroffen haben. Oder wir müssen uns rechtfertigen vor Unternehmenseignern, Gesellschaftern, Aktionären. Das alles ist in dem Sinne auch nicht schlimm und nicht falsch, nur der alleinige Fokus darauf und das Ausklammern von allem, was sich eben nicht empirisch mit Daten belegen lässt, ist ein Problem. Gerade bei Entscheidungen.

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Zusammenfassung (Buch)

Künstliche Intelligenz und Intuition

In unsicheren Situationen sollten Sie nicht auf KI vertrauen – sondern auf Ihre Intuition.

Andreas Moring Springer Gabler
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Als typisch menschliche Domäne nennen Sie unter anderem die Fähigkeit, kreativ zu sein. Allerdings finde ich zum Beispiel ChatGPT gerade bei kreativen Aufgaben, wenn es zum Beispiel um Namensfindung geht, sehr hilfreich. Wenn ChatGPT dann viele verschiedene Vorschläge macht, auf die man selbst nicht gekommen wäre – ist das dann nicht auch kreativ?

Natürlich kommt es immer darauf an, ab wann man etwas als kreativ definiert. Ja, Vorschläge und Variationen zu machen, kann man als kreativ bezeichnen. Aber die eigentliche Kreativität ist ja, wenn ich in der Lage bin, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen und die Perspektive zu verändern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Erfindung des Rads. Das gab es ja vorher schon. Nur wurde es als Scheibe genutzt, als Töpferscheibe, um genau zu sein. Und irgendjemand ist dann mal durch einen Perspektivwechsel auf die Idee gekommen, diese Scheibe senkrecht aufzustellen, und hat erkannt, dass sie rollt.

Und das ist die menschliche Kreativität: Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und ihnen eine neue Bedeutung zu geben.

Werden wir nun etwas praktischer. Können Sie konkrete Anwendungsbeispiele nennen, wo im Unternehmensalltag sich menschliche Intuition und künstliche Intelligenz sinnvoll ergänzen?

Zum Beispiel im Personalbereich, wenn es um Recruiting oder Personalauswahl geht. Hier kann KI dazu eingesetzt werden, eine Passung von Qualifikation, Werdegang und Ähnlichem sicherzustellen, und die Mitarbeitenden beurteilen ihrerseits, ob eine Person in ein Team passt, vertrauenswürdig ist etc. Dann natürlich alles, was mit Marketing und Vertrieb zu tun hat. Da kann ich mir, wie Sie gesagt haben, super Ideen oder Varianten für Bilder, Slogans, Überschriften usw. von KI geben lassen. Aber ob ich damit auch den richtigen Ton treffe und Menschen emotional erreiche, das ist dann immer noch ein Fall für die menschliche Empathie. So ist es auch bei allen Dingen, wo es beispielsweise um Nachhaltigkeit geht. Da kann ich KI auch sehr gut einsetzen, um etwa Abläufe zu optimieren. Aber die Optimierung an sich ist wertlos, wenn sie nicht mit Umwelt- und Kontextverständnis eingesetzt wird. Es braucht also Menschen, die beurteilen, ob das eine gute Lösung ist, die auch nicht nur für diesen einen speziellen Anwendungsfall passt, sondern insgesamt Sinn macht.

Wenn man das so ein bisschen abstrahiert, kann man eigentlich sagen: Die KI bringt Anstöße und Vorschläge und die Menschen bewerten sie.

Exakt. Denn genau diese Analyse und Vorbereitungsarbeit ist ja eine relativ langweilige Aufgabe für Menschen, Informationen zusammenzutragen und zu sichten und auszuwerten. Das kann KI übernehmen und damit den Prozess beschleunigen.

Nehmen wir an, man möchte jetzt im eigenen Unternehmen die Mitarbeitenden mit KI-Lösungen unterstützen. Wie findet man jetzt heraus, an welchen Stellen der Einsatz sinnvoll ist – und auch, an welchen Stellen man vielleicht vermehrt auf die Intuition der Mitarbeitenden setzen sollte?

Prinzipiell macht KI überall da Sinn, wo es darum geht, Dinge zu erkennen, zuzuordnen oder zu vergleichen. Da gibt es schon relativ viel: Alles, was mit Bestellung und Beschaffung zu tun hat, ist ein Erkennen, Zuordnen und Vergleichen. Ich hole mir Angebote ein, ich bestelle das, ich habe Bedarfe irgendwo im Lager. Alles, was mit Abrechnung und Controlling zu tun hat, ist auch ein Erkennen, Zuordnen, Vergleichen: Was ist das für eine Rechnung? Auf welche Kostenstelle kommt die? Wie muss das verbucht werden? Usw. Dann Fallbearbeitung im weitesten Sinne, etwa in der Versicherung, bei einer Bank, in der öffentlichen Verwaltung, Rentenkassen, Krankenkassen usw. Wenn jemand eine Rechnung oder einen Arztbeleg einreicht oder einen Schaden anmeldet – auch das ist alles Erkennen, Zuordnen, Vergleichen, und zwar im Sinne von: Wer ist das? Was will der? Worum geht es hier? Zu welchem Prozess muss ich das zuordnen? Was meldet der hier? Passt das zu seiner Versicherungsklasse oder zu dem Tarif, den er hat? Diesen ganzen Prozess kann ich super automatisieren.

Und wo wären die Stellen, wo Sie sagen würden, hier bräuchte es Ihrer Meinung nach ein bisschen mehr Intuition?

Wenn es darum geht, etwas zu prognostizieren und vorauszusagen, würde ich das eher nicht der KI alleine überlassen.

Soll KI Prognosen über die Zukunft machen, kann man sagen: Wenn es gut läuft, ist nur die Hälfte falsch, im Normalfall deutlich mehr.

Da hilft uns eine statistische Prognosemethode auch nicht besonders weiter. Generell kann man aber auch sagen: Mehr Intuition braucht es immer da, wo die Umstände variabel und labil sind und wo ich keine oder nur sehr wenig Informationen habe. Zudem ist Intuition auch immer dann wichtig, wenn eine resiliente oder auch einfache Lösung gefragt ist. Denn KI macht eigentlich alles ziemlich kompliziert. Und wenn ich schnelle und robuste Entscheidungen brauche, wenn ich vor allen Dingen langfristige Entscheidungen brauche, dann brauche ich Intuition. Und natürlich auch bei allem, was mit Zwischenmenschlichkeit und Kommunikation zu tun hat.

Sie schreiben: „Für Intuition als Kompetenz braucht es Erfahrung und Expertise.“ Dass nicht die menschliche Intuition an sich automatisch wertvolle Inputs liefert, sondern dass man eben vor allem oder fast ausschließlich dort auf Intuition vertrauen sollte, wo man auch eine entsprechende Expertise hat, wird meiner Meinung nach oft unterschlagen.  

Intuition beruht auf Erfahrung und Wissen. Entsprechend kann und und sollte ich mich nur bei den Dingen auf sie verlassen, wo ich mich auskenne. Sonst wäre es einfach geraten. Da kann ich genauso gut eine Münze werfen. Nur bei dem, was ich schon lange gemacht habe, was ich oft mache und wiederhole, wo ich eben halt auch über Jahre schon eine entsprechende Erfahrung habe, dort entfaltet die Intuition ihr Potenzial. Das ist so, wie wenn man ein Instrument lernt. Irgendwann kann man das so gut, dass man auch improvisieren kann. Aber dafür müssen wir üben.

Sie haben vorhin die volatilen Umstände erwähnt. Was wäre denn, wenn man in einer volatilen Umgebung eine schnelle Entscheidung braucht, aber die Expertise nicht hat – wäre in solchen Fällen KI nicht doch die bessere Wahl, als einfach zu raten, wie Sie sagen?

Nein. In einem solchen Fall würde ich mir eine Person suchen, die damit Erfahrung hat. Dafür gibt’s ja Experten. KI kann zwar richtigliegen, aber dann ist es halt ein Glückstreffer.

Was denken Sie, welche Fehler werden bei der Einführung von KI-Anwendungen in Unternehmen oft gemacht?

Was aus meiner Erfahrung immer unterschätzt wird, ist der Aufwand, den ich machen muss, um die Daten erst mal nutzbar zu machen. Viele Unternehmen haben zwar ganz viele Daten gesammelt, aber die sind irgendwo verstreut, in unterschiedlichen Formaten. Dass diese Daten erst entsprechend aufbereitet werden müssen, wird oft unterschätzt. Dann wird auch gerne vergessen, dass ich der KI ja ein Ziel geben muss. Also was soll die jetzt eigentlich lernen oder was soll sie kennen? Allerdings kann man sagen:

Viele Dinge, die vor vier oder fünf Jahren vielleicht noch ein Problem waren, etwa, wie man ein Modell aufbaut oder wie man es trainiert, haben sich weitestgehend erledigt, weil man heute auf bereits trainierte Modelle zurückgreifen kann und über LLMs viel flexibler ist.

Zum Schluss: Glauben Sie, dass die menschliche Intuition ihre Überlegenheit gegenüber KI in manchen Bereichen auch langfristig behalten wird?

Auf jeden Fall. Schlicht und einfach, weil das eine Kompetenz ist, die sich ja über 10 000 Jahre gebildet hat. Da kann eine technologische Lösung gar nicht mithalten. Zudem sehen wir auch gerade, dass wir in einen gefährlichen Kreislauf reinkommen, weil sich die KI-Modelle teilweise überdrehen und quasi immer nur auf dieselben Daten zurückgreifen, auch auf von KI erzeugte Daten, und dann nur noch Quatsch rauskommt. Und um zu beurteilen, was stimmt und was Quatsch ist, brauchen wir menschliches Wissen. Und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass wir ja im Privaten, aber auch im Wirtschaftlichen meist in sozialen Situation sind, Menschen mit Menschen zu tun haben – hier wird es ebenfalls keine Verdrängung geben.

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17. September 2024