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„Viele Menschen haben ein falsches Bild vom Data Storytelling.“

Wie macht man aus trockenen Daten süffige Geschichten? Und worauf muss man achten, um im eigenen Zahlenhaufen den roten Faden zu finden? Hans-Wilhelm Eckert erklärt’s.

„Viele Menschen haben ein falsches Bild vom Data Storytelling.“

Herr Eckert, das Thema Data Storytelling beschäftigt gerade viele Firmen. Warum?

Hans-Wilhelm Eckert: In den letzten Jahrzehnten haben viele Organisationen einen großen Berg an Daten – interne wie externe – gesammelt und sind, im Sinne des „Data-driven“-Ansatzes, dazu übergegangen, wichtige Entscheidungen unter Einbezug spezifischer Kennzahlen zu treffen. Wo man früher vielleicht noch „Annahmen“ traf, wenn man keine genauen Informationen, etwa zum Kaufverhalten oder zur Zielgruppe eines Produkts, hatte, verlässt man sich heute auf mal mehr, mal weniger präzise Daten. Damit einher geht aber eine Art Zwang zur Begründung: Die Zahlen liefern die Begründungen für darauf aufbauende Entscheidungen ja oft nicht selbst. Man muss sie interpretieren und dann erklären, warum man zu dieser oder jener Einschätzung derselben kommt. Und hier setzt das Data Storytelling an.

Wer analysiert und schreibt denn da in der Regel?

Wir haben auf der einen Seite die Analyse-Ebene. Und auf der anderen Seite das Storytelling mit den analysierten Daten. Die Analyse machen meist Datenexpertinnen und -experten, und die haben keinen Bedarf für eine weitergehende Story. Anschließend aber gibt es diejenigen, meistens die Kollegen der Kommunikationsabteilung oder aus dem Marketing, die einem Publikum durch gutes Storytelling – basierend auf den Analysen – die für sie notwendigen Informationen vermitteln wollen.

Das bedeutet konkret?

Data Storytelling soll in den meisten Fällen eine konkrete Veränderung bewirken: beim Nutzerverhalten, beim Verkauf, im Marketing. Die Daten dienen dann als „Fakten“, um eine solche Veränderung zu begründen. Die Story soll den Menschen der jeweiligen Zielgruppe möglichst verständlich erklären, warum es diese Veränderung braucht. Gleichzeitig – und das ist noch wichtiger – dienen die Daten als Grundlage, welche Geschichte bzw. welches Thema wie am besten aufbereitet werden kann.

Also reden wir eigentlich von einer Geschichte mit Daten basierend auf Daten.

Ich sammle also Daten, um zu verstehen, was die Menschen zu einer Veränderung motiviert, um sie dann in eine Story zu verwandeln, in der diese Daten genutzt werden, um zu überzeugen. Dieses grundsätzliche Verständnis ist sehr wichtig, denn vielfach wird genau das Gegenteil gemacht: Man schreibt Geschichten um Daten herum, ohne zu verstehen, wo der Hebel für die Veränderung ansetzen soll. Und dann wundert man sich, dass sie keine Wirkung zeigen.

Image of: Storytelling With Data
Zusammenfassung (Buch)

Storytelling With Data

Use data to create compelling narratives to ensure your target audience remembers your message.

Hans-Wilhelm Eckert Springer Gabler
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Wie wichtig sind Visualisierungen beim Data Storytelling?

Sagen wir’s mal so: Zwischen unseren Augen und unserem Hirn besteht die kürzeste Datenleitung, deshalb sind Visualisierungen besonders einprägsam. Wir nehmen zuerst wahr, was wir sofort sehen, und verarbeiten es. Wir haben gelernt, Muster zu erkennen und daraus sogleich Botschaften zu schlussfolgern. Es gibt da ein sehr gutes Beispiel. Der Klimatologe Ed Hawkins hat die sogenannten Warming Stripes erfunden und damit eine Visualisierung klimawissenschaftlicher Daten, die auf den ersten Blick einfacher und verständlicher nicht sein könnte: blaue Linien für vergleichsweise kalte Jahre, rote für warme. Auf den ersten Blick erkennt man so die langfristigen Temperaturveränderungen unserer Welt. Die Warming Stripes sind so verständlich und einprägsam, dass sie völlig ohne Geschichte auskommen. Deshalb ist mein Rat stets: Lassen Sie bei Visualisierungen weg, was Sie weglassen können – und erklären Sie dann den Rest.

Take-aways:

  • Data Storytelling bedeutet: Basierend auf Daten Zielgruppen und Veränderungen zu definieren, um im zweiten Schritt Daten zu nutzen, um zu überzeugen.
  • Data Storytelling richtet sich nach dem klassischen Prinzip des Storytellings: Einführung eines Konflikts, direkte Ansprache der Zielgruppe durch den Protagonisten und Präsentation der Lösung.
  • Visualisierungen sind wichtig beim Data Storytelling: Daten müssen auf den ersten Blick erkenn- und nachvollziehbar sein.

Das fängt schon bei der Überschrift an, oder?

Genau. Eine gute Headline ist schon Teil der Geschichte. „Die Entwicklung der Wirtschaft von 1950 bis 2023“ mag ein paar Wirtschaftshistoriker „abholen“, aber „Das Wirtschaftswachstum trotzt der Krise.“ hat bei Ihrer Zielgruppe vielleicht eine höhere Relevanz und sorgt deshalb – bei den gleichen Daten! – dafür, dass das Folgende gelesen wird. Auch hier geht es wieder darum, Menschen basierend auf Daten abzuholen: Was interessiert die Zielgruppe? Mit welchen Problemen setzt sie sich auseinander? Welche Informationen benötigt sie? Bringen Sie die Dinge für die Zielgruppe auf den Punkt! Definieren Sie eine Kernbotschaft, die die Datenvisualisierung vermitteln soll, und konzentrieren Sie sich darauf.

Können Sie das anhand eines konkreten Beispiels erklären?

Natürlich. Aktuell berate ich ein Unternehmen bei einem Change-Prozess. Hier nutzen wir Daten, um den Mitarbeitenden zu verdeutlichen, dass es Veränderungen braucht, um den Unternehmenserfolg sicherzustellen. Bei der Umsetzung nutzen wir ebenfalls Daten, um festzustellen, wo wir die Mitarbeitenden auf dem Veränderungsprozess mitnehmen und wo nicht. Das heißt konkret, wir bitten sie bei jeder Veranstaltung, bei allen Workshops und Kommunikationsaktivitäten um Rückmeldung. Wir verstehen damit besser, welche Themen bei welchen Gruppen ankommen und wo Widerstände sind. Das gibt uns einen guten Einblick, wo wir im Veränderungsprozess stehen und welche konkreten Herausforderungen wir haben.

In diesem Fall soll Data Storytelling die Führenden unterstützen, die Mitarbeitenden zu überzeugen. Können Mitarbeitende den Spieß auch umdrehen, um neue Ideen und Verbesserungen bei ihren Führungskräfte zu platzieren?

Auf jeden Fall. Wenn Sie die Führungskraft von einer Idee oder einer Investition überzeugen wollen, ist Data Storytelling eine der effektivsten Methoden. Es ist jedoch aufwändig, weil Sie sich die Daten meist mühsam zusammensuchen müssen. Nehmen wir das Beispiel, dass Sie im Sales-Bereich tätig sind und feststellen: Mein Umsatz sinkt. Bei der Suche nach den Ursachen brauchen Sie Zugang zu den relevanten Daten, etwa aus Shop- und CRM-Systemen. Nachdem Sie die Daten gesammelt und ausgewertet haben, stellen Sie fest, dass sich Ihre Kernzielgruppe verändert hat. Sie müssen daher unter anderem Produktauswahl, Vertriebskanäle und Kommunikation anpassen. Das machen Sie nicht an einem Tag.

Data Storytelling ist heute etwas, das sich vor allem für große Projekte oder Themen eignet.

Also wirklich umfassende Transformationen in den Geschäftsprozessen oder grundlegende Veränderungen im Geschäftsmodell, wenn Sie feststellen, dass Ihre Dienstleistung, Ihr Produkt nicht mehr den gewünschten Absatz findet.

Weil Sie es gerade ansprachen: An gesammelten Daten mangelt es in den meisten Unternehmen nicht. Aber wie finde ich die richtigen und relevanten, die wichtig für mein Storytelling sind?

Es ist gar nicht das größte Problem, die relevanten Daten zu finden. Viel herausfordernder ist die richtige Fragestellung. Oder um es mal so prägnant zu sagen: Wer nicht weiß, was er will bzw. wissen möchte und sollte, für den sind alle Daten falsch. Gerade betreue ich zum Beispiel ein Unternehmen im Bereich Luftfahrt. Die müssen eine riesige Flut an Marktforschungsdaten kanalisieren. Ihr Wunsch ist es, ihre globale Kommunikation präziser und zielgruppenaffiner zu gestalten. Jetzt geht es im ersten Schritt darum, die Daten in Clustern zusammenzufassen, um zu schauen, wo es welche Zusammenhänge gibt. Durch die Auswertung der Daten zeigte sich, dass es zwei wichtige Stakeholder-Gruppen gibt, die ganz unterschiedliche Erwartungen, Erfahrungen und Bedürfnisse haben. Auch „global“ lässt sich die Kommunikation in diesem Kontext nicht steuern, sondern die jeweiligen Länder müssen unterschiedliche Themenschwerpunkte setzen. Sie überzeugen nämlich amerikanische Stakeholder und Kundinnen, Kunden mit anderen Themen, als Sie es bei den indischen tun. Wenn Sie also vergessen, sich ganz am Anfang die Frage nach Ihren Zielgruppen und deren Bedürfnissen zu stellen, wird niemand eine befriedigende Antwort erhalten.

Und wenn die eigenen Daten keinen Aufschluss über eine bestimmte Frage geben?

Bleiben wir bei meinem Praxisbeispiel: Das Unternehmen, von dem ich eben sprach, verfügt über eine riesige Datenbasis, die kontinuierlich durch neue digitale Befragungen und Medienbeobachtungen gefüttert wird. Hier geht es darum, Muster zu erkennen und konkrete Daten herauszufiltern, die Antworten geben auf Fragen wie: Welche Kontaktpunkte spielen welche Rolle im Funnel, etwa in Bezug auf Reichweite und Impact? Welche Themen erzeugen bei der Zielgruppe starke Resonanz, welche dagegen weniger? Das überprüfen wir gerade. Meist findet Data Storytelling mit Blick auf bestehende KPIs statt. Hier aber gehen wir einen anderen Weg. Wir bilden Annahmen und versuchen diese zu validieren oder zu falsifizieren. In dem Fall geht es um die inhaltliche Resonanz von Themen und deren Auswirkung auf das Image der Marke. Wenn sich die Annahme bestätigt, können wir uns gegenseitig auf die Schulter klopfen und uns freuen, dass wir Recht hatten. Wenn wir es schaffen, die These zu widerlegen, lernen wir dazu. Das ist eigentlich noch wichtiger. Und: Wenn wir im eigenen Haufen keine Antworten finden, also die Datenlage mangelhaft ist, müssen wir externe Quellen suchen.

Marktforschungsinstitute und Beratungsunternehmen bieten hier viele Angebote, sind aber teuer. Viele Firmen suchen deshalb „kostenlose“ Daten. Sprich: Sie suchen im Internet, googeln. Hier ist es besonders wichtig, sich die Quellen genau anzuschauen, oder? Gerade jetzt, wenn KI-generierte Fakes das Netz spülen.

Durchaus. Wenn es um Large Language Models und generative KI geht, so neigen die – ganz ohne kriminelle Energie, die ja bei Fake News oder Fakes eine Rolle spielt – dazu, bei Daten, Zahlen und Logiken zu halluzinieren. Liefert die Maschine Antworten, wissen wir auch nicht mehr wirklich, wie sie zum entsprechenden Ergebnis gekommen ist, was sie schwer überprüfbar macht. Das Thema wird aktuell unter Daten-Analystinnen und -Analysten deshalb heiß diskutiert.

War früher eines der Hauptprobleme im Umgang mit Daten, dass sie durch den Menschen falsch interpretiert wurden oder dass bei der Erhebung Fehler passiert sind, kommt nun eine dritte Ebene hinzu: dass die Maschine fehlerhafte Daten ausspuckt, weil sie die falschen oder fehlerhafte Quellen nutzt, und niemand kritisch nachfragt.

Welche Rolle spielt der Datenschutz bzw. von welchen Daten sollte man auch beim Data Storytelling die Finger lassen, selbst wenn man sie hat?

Datenschutz bedeutet zuerst einmal Schutz von personenbezogenen Daten. Wenn Sie zum Beispiel Quellen wie Customer-Relationship-Daten oder gesammelte Informationen von Shop-Systemen anzapfen, beginnt eine schmale Gratwanderung, denn hier geht es um Personenbezogenes. In diesen Fällen ist Anonymisierung wichtig. Reden Sie am besten regelmäßig mit Ihrem Datenschutzbeauftragten. Tauschen Sie sich aus. Und: Wenn Sie Umfragen machen oder Studien betreiben, darf es keinen Rückschluss auf Teilnehmende geben. Wenn Sie diese Dinge beachten, gibt es aus Sicht des Data Storytellings keine Probleme.

Werden wir nun noch einmal konkret: Ich habe also die relevanten Daten gefunden, weil ich die richtige Frage gestellt habe. Die Quellen sind seriös. Ich kenne meine Zielgruppe. Was sind meine nächsten Schritte, um die Geschichte zu schreiben?

Sie starten nun die explorative Phase. Sprich, Analystinnen und Analysten suchen nach Auffälligkeiten in den Daten: Die schauen sich eine Tabelle an und tippen dann direkt mit dem Finger auf relevante Ergebnisse, denn sie sind sehr geschult darin. Sicher können Sie auch Auswertungstools nutzen, um sich helfen zu lassen, aber:

Wenn es darum geht, die Daten so vorzubereiten, dass man sie fürs Data Storytelling nutzen kann, ist der Mensch bislang immer noch die beste Wahl.

Er kann die Daten aufbereiten, umstrukturieren, aggregieren und schauen, wo diese vielleicht noch angereichert oder ergänzt werden müssen. Dann beginnt im Grunde erst das Storytelling. Und zwar mit der konkreten Frage: Was will ich verändern mit meiner Geschichte?

Was sind die größten Fehler, die ich in diesem Prozess machen kann?

Wer sich im Vorfeld zu wenig mit der Zielgruppe beschäftigt, wird nie die richtige Frage finden. Also: In welchem Kontext bewegt sie sich? Wo kann ich meine Geschichte andocken? Welchen Mustern folgen diese Menschen? Und hier schließt sich dann der Kreis: Sie brauchen erst einmal Daten zu Ihrer Zielgruppe, um sie dann mit weiteren Daten, verpackt in eine Visualisierung oder eine Geschichte, zur Veränderung zu motivieren.

Wer ist eigentlich in einer Organisation verantwortlich für das Thema Data Storytelling?

Eine gute Frage. Gerade wenn es viele Silos im Unternehmen gibt, also jeder seine eigenen Daten sammelt und diese nicht teilt, wird’s schwierig. Wenn wir Firmen beraten, sprechen wir deshalb sowohl mit den Menschen, die die Daten sammeln, als auch mit den Nutzern, etwa mit der Kommunikations- und der Marketingabteilung. Hier sollten nämlich die Fäden zusammenlaufen. Sie sind es ja schlussendlich, die Entscheidungen treffen, die dazugehörigen Ziele und Maßnahmen absegnen müssen und damit auch für den Erfolg verantwortlich sind.

Womit wir beim Thema sind, ob sich der Erfolg von Data Storytelling eigentlich messen lässt.

Eine der schwierigsten Fragen und diejenige, die noch heißer diskutiert wird als die Frage danach, wie gut KI als Quelle ist! (Lacht.) Wir raten dazu, die Fragestellung als Grundlage zu nutzen, um ein klares Ziel festzusetzen. Je konkreter das ist, desto messbarer ist es auch.

Benutzen Sie die bekannten SMART-Ziele: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert.

Leider stelle ich immer wieder fest, dass Ziele eher abstrakt gehalten sind: Wir wollen unseren Umsatz steigern! Wir wollen neue Zielgruppen gewinnen! Hier braucht es konkrete Zahlen und ein konkretes Datum, bis wann etwas mit der Zielgruppe passiert sein soll. So geht es etwa einem Unternehmen darum, einen bestimmten Aspekt seines Markenimages bei seiner Kernzielgruppe in einem konkreten Zielmarkt im laufenden Jahr um den Faktor X zu steigern. Erst wenn Sie diese Dinge so detailliert definieren, können Sie den Erfolg messen.

Über den Autor:
Hans-Wilhelm Eckert ist Inhaber der Beratungsagentur Momentum Communication und arbeitet als Pressesprecher, Journalist, Berater, Marketing- und Investor-Relations-Manager.

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1 Für diesen Beitrag haben wir die praktischsten Einsichten aus einer Zusammenfassung zum Thema herausgesucht.
1 Wir haben ein Buch mit 152 Seiten für diesen Artikel gelesen und zusammengefasst.
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