5. Es ist nie zu spät

Vor ein paar Jahren wollte ich bei meinem Haus einen Anbau machen. Dabei ging es nur um einen halben Meter, was die neue Höhe des Hauses anging, deshalb stellte ich das nötige Baugesuch und sparte mir den Gang zum Nachbarn, einem älteren Herrn, der – schräg versetzt zum See den Hang hinauf – schon damit klarkommen würde, ein klitzekleines bisschen weniger Aussicht zu haben. Kam er nicht: Er legte Beschwerde ein, was das Vorhaben verunmöglichte.  

Zuerst war ich stinksauer: Was sollte das? Aus seiner Warte machte der Anbau so gut wie keinen Unterschied! Also schrieb ich ihm einen Brief, in dem ich um ein Treffen bat, und warf ihn in seinen Briefkasten. Er schrieb mir, von nebenan, aber per Post, ein Datum und eine Uhrzeit zurück.

Zum vereinbarten Zeitpunkt kam ich mit den Plänen unter dem Arm zu seiner Tür. Seine Frau öffnete und brachte mich ins Wohnzimmer, wo er mir wortlos zunickte, aber keinen Sitzplatz anbot. Es gab auch kein Wasser oder nur schon einen Wink zur Garderobe.

Ich stand in meiner Windjacke vor ihm, hatte sie noch nicht einmal geöffnet, als er – mit Blick zum Fenster – sagte: ‚Herr Bergen, Sie können die Jacke anlassen, denn Sie werden von mir nicht bekommen, was Sie wollen.‘  

Zusammenfassung (Artikel)

Vertrauensfrage

Seien Sie vertrauenswürdig: empathisch, logisch und authentisch.

Frances Frei und Anne Morriss Harvard Business Manager

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Nach einer kurzen Pause des Verdauens antwortete ich: „Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen.“ Da zog er eine Augenbraue hoch und schaute mich an. „Es war ein Fehler, Sie nicht vorab in mein Vorhaben einzuweihen, und ich möchte diesen Fehler gern hier und heute korrigieren. Es tut mir leid.“

Mit diesen Worten hatte er offenbar genau so wenig gerechnet wie, ehrlich gesagt, ich. Noch bei den Treppenstufen hoch zu seiner Tür war ich voller Groll gewesen, nun aber kam ich mir seltsam unbeschwert vor. Es entstand eine bedeutungsschwere Pause. Dann nickte der alte Mann, schaute erst an mir herunter, wie ich da so vor ihm stand, und dann herüber zu seiner Frau, die an der offenen Tür gewartet hatte, und sagte: „Schatz, Herr Bergen nimmt ein Glas vom besten Rotwein.“ Danach konnte ich meine Jacke ausziehen. Und bauen. 

Zusammenfassung (Buch)

Lob des Irrtums

Fehler sind oft unvermeidbar – zum Glück!

Jürgen Schaefer C. Bertelsmann Verlag

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Das Eingestehen von Fehlern und das damit einhergehende Zeigen von Verletzlichkeit gehören zu einer Vertrauenskultur wie die bereits erwähnten Werte, die Transparenz und die Offenheit in der Kommunikation. Wer, ohne nach links und rechts zu schauen, vorwärtsstürmt, weil er glaubt, alles zu wissen oder alle nötigen Informationen zu haben, läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen. Deshalb gilt:

Suchen Sie den offenen Austausch vor einer Entscheidung, und wenn sich mal eine als Fehler herausstellt, stehen Sie dazu! Wer Lernbereitschaft signalisiert, signalisiert Vertrauenswürdigkeit.  

Drei Regeln:  

• Gestehen Sie Fehler ein, auch öffentlich. Sie gehören dazu.  
• Tragen Sie die Konsequenzen und machen Sie klar, warum Sie das tun. Diese Art der „Verletzlichkeit“ ist kein Nachteil. 
• Seien Sie fair: Was für Sie gilt, sollte in aller Regel auch für Ihre Mitmenschen und Kollegen gelten – im Guten wie im Schlechten.   

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