Lohngespräche richtig führen
Die Inflation ist spürbar. Die Energiekrise auch. In diversen Unternehmen aller möglichen Branchen wird mehr Lohn gefordert. Doch auch ohne verschärfende Umstände sind regelmäßige Lohnverhandlungen angebracht. Allein schon, um dann, wenn es so weit ist, bessere Argumente zu haben als „Ich hatte schon lange keine Lohnerhöhung mehr“.
Doch welche Argumente sollten Sie vorbringen? Und was gilt es außerdem zu beachten?
1. Definieren Sie Ideal- und Mindestergebnis
Wie bei allen Verhandlungen steht bei Lohnverhandlungen eine gute Vorbereitung an erster Stelle. Zunächst sollten Sie sich fragen, nach welcher Erhöhung Sie fragen. Dabei kommt es natürlich auf die Umstände Ihrer Gehaltsverhandlung an: Wechseln Sie die Position bzw. werden Sie befördert? Übernehmen Sie neue Verantwortungen? Oder geht es einfach um eine jährliche Erhöhung? Die Seite karrierebibel.de schlägt in ihrem Artikel dazu folgende Richtwerte vor:
- Jährliche Erhöhung (aktuell: Inflationsausgleich): 3 bis 5 Prozent.
- Mehr Verantwortung oder neue Tätigkeiten: 5 bis 7 Prozent
- Beförderung: 10 bis 15 Prozent
Es empfiehlt sich, nicht ein Spektrum, sondern eine konkrete Zahl zu nennen, nach der Sie fragen. Dies sollte durchaus ein Idealergebnis sein: Bleiben Sie realistisch, seien Sie aber auch nicht allzu bescheiden.
Daneben sollten Sie sich aber auch Ihre Grenzen klarmachen: Was ist Ihr Mindestergebnis? Womit könnten Sie sich gerade noch zufriedengeben? Neben diesem Mindestergebnis gilt es, eine sogenannte BATNA zu definieren: eine „Best Alternative to a Negotiated Agreement“. Eine Alternative also, die Sie statt der gewünschten Erhöhung akzeptieren. Das könnten mehr Urlaubstage, bessere oder neue Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder flexiblere Arbeitszeiten sein.
Eine BATNA kann gerade auch in Zeiten einer Inflation wichtig sein, in der die Unternehmensfinanzen die gewünschte Gehaltserhöhung vielleicht gar nicht zulassen.
Egal wo dieses Mindestergebnis bzw. Ihre BATNA liegt: Sie sollten wirklich dahinterstehen können und sie ggf. auch verteidigen (idealerweise, ohne Ihr Mindestergebnis als solches zu benennen). Das können Sie allerdings nur, wenn Sie gute Argumente haben, die Ihre Forderungen stützen.
2. Sammeln Sie Argumente
Wie bereits erwähnt, ist „Ich hatte schon lange keine Gehaltserhöhung mehr“ kein besonders starkes Argument – selbst dann nicht, wenn es zutrifft. Sie sollten Ihre Gehaltsforderungen deshalb immer auf Ihre Leistungen stützen. Auf den Wert also, den Sie für das Unternehmen haben. Was sind Ihre Alleinstellungsmerkmale? Wo haben Sie sich vielleicht seit der letzten Gehaltsverhandlung nachweislich verbessern können – oder das Unternehmen? Vielleicht haben Sie im Rahmen Ihrer Arbeit einen Prozess optimiert und Kosten gesenkt.
Wie Sie Gehaltsverhandlungen selbstsicher führen
Dr. Grace LeeSie verkaufen Ihre Fähigkeiten, Ihre Expertise. Und Sie treten für Ihre eigenen Interessen ein. Das dürfen und sollten Sie auch tun – solange Sie sich auf die Vorteile beziehen, die das Unternehmen durch Sie hat.
Ihre Argumente sollten sich nicht auf Ihre persönlichen Bedürfnisse stützen. Wenn Ihr Sohn gerade eine neue Zahnspange braucht oder Ihr Haus abbezahlt werden muss, sind das aus Ihrer Sicht legitime Gründe, sich ein besseres Gehalt zu wünschen – das Unternehmen jedoch profitiert davon nicht.
Und an die Moral Ihres Arbeitgebers zu appellieren, ist womöglich auch nicht in allen Fällen von Erfolg gekrönt.
3. Entwickeln Sie eine Strategie
Wenn Sie die wichtigsten Eckpunkte definiert und Ihre besten Argumente zurechtgelegt haben, sollten Sie überlegen, wie Sie die Sache angehen:
- Fall Sie Ort und Zeit der Verhandlung beeinflussen können, sollten Sie immer ein persönliches Gespräch bevorzugen – und einen Zeitpunkt, in dem Ihr Gegenüber möglichst entspannt und aufnahmefähig ist. Das Gespräch am Freitagabend um 18:30 Uhr noch irgendwie in den Terminplan Ihrer Chefin zu quetschen, ist also nicht wirklich sinnvoll.
- Auch sollten Sie das Gespräch, wenn möglich, von sich aus suchen – das zeigt Eigeninitiative.
- Sie wirken überzeugender, wenn Sie glaubwürdig sind. Glaubwürdigkeit setzt sich zusammen aus Vertrauen und Expertise. Wie sehr Ihr Gegenüber Ihnen vertraut, hängt von Ihrer Verbundenheit ab, von Ihrem Wertbeitrag – den Sie ja sowieso betonen sollten -, aber auch von Ihrer Zuverlässigkeit und davon, wie stark Ihr Eigeninteresse durchkommt.
- Betreiben Sie kurzfristige Imagepflege: Natürlich können Sie die Verbundenheit nicht innerhalb von Tagen beeinflussen, und dass Sie mit einer Gehaltsverhandlung primär eigene Interessen verfolgen, werden Sie ebenfalls kaum leugnen können. Dennoch kann es nicht schaden, in den Wochen vor dem Gespräch besonders zuverlässig zu sein und sich die verschiedenen Wertbeiträge, die Sie mit Ihrer Arbeit leisten, in Ihrem Arbeitsalltag bewusst zu machen – und sie vielleicht sogar zu notieren.
- Ein essenzieller Erfolgsfaktor in Verhandlungen ist zudem emotionale Intelligenz: Wahrzunehmen, wie Sie und Ihre Forderungen beim Gegenüber ankommen, vielleicht auch zu bemerken, wenn Sie aufgebrachter reagieren, als Sie sollten, oder auch Beziehungsmanagement zu betreiben – das alles gehört zur emotionalen Intelligenz. Sie tun also nicht schlecht daran, sich darin etwas zu üben.
- Selbstvertrauen üben: Machen Sie sich immer bewusst, dass Sie sich gut vorbereitet haben – und dass Sie die Grenzen, die Sie gesetzt haben, aus guten Gründen gewählt haben. Wenn Sie dann doch wieder einlenken oder sich provozieren lassen, wirken Sie nicht mehr souverän.
4. Stellen Sie Fragen
Viele Menschen glauben, dass sie bei Gehaltsverhandlungen eine passive Rolle spielen müssten: Sie nennen ihre Forderungen und versuchen dann, für diese zu argumentieren. Allerdings vergessen sie dabei, dass eine Verhandlung immer in beide Richtungen geht.
Nur wenn Sie auch Fragen stellen, finden Sie heraus, was die Bedürfnisse oder vielleicht auch Bedenken Ihres Vorgesetzten sind, und können Ihre Argumente entsprechend anpassen.
Außerdem geben Sie Ihrem Gesprächspartner damit auch das Gefühl, dass Sie wissen wollen, was ihm wichtig ist. Denn gerade weil Sie eine Forderung stellen, sollten Sie sich um eine Lösung bemühen, mit der beide Parteien zufrieden sind – allein schon, um eine gute Basis für die nächste Gehaltsverhandlung zu legen.
4. Bleiben Sie souverän – und innerhalb Ihrer Grenzen
Gerade Frauen tendieren häufig dazu, sich mit weniger zufriedenzugeben, als sie verdienen – oder bekommen könnten. In der Gehaltsverhandlung selbst gilt es, selbstbewusst zu verhandeln und zu sich zu stehen. Das bedeutet nicht, einfach stur zu widersprechen, sondern sich nicht unter Druck setzen zu lassen – und die eigenen Grenzen zu respektieren.
Wenn Sie aufgrund faktenbasierter Argumente zum Schluss gekommen sind, dass Sie eine bessere Entlohnung für Ihre Arbeit verdienen, dann dürfen Sie sich nicht vertrösten lassen – schlagen Sie stattdessen Ihre BATNA als Zugeständnis vor.
Da eine Gehaltsverhandlung in gewisser Weise immer den Wert eines Mitarbeiters für eine Organisation zum Thema hat, kann sie auch durchaus emotional werden. Das sollten Sie verhindern.
- Sie können sich behaupten, ohne dass das Gespräch zum Streit wird. Wichtig ist dabei, dass Sie sich zum einen bewusst machen, dass Sie das, was Sie fordern, auch verdienen, sich selbst also nicht kleinreden und provozieren lassen, zum anderen aber auch überlegen, warum Ihr Gegenüber vielleicht gerade so reagiert: Vielleicht ist Ihre Chefin verunsichert von Ihrem selbstbewussten Auftreten, weil sie selbst schon lange keine Gehaltserhöhung mehr bekommen hat? Vielleicht fühlt sich Ihr Chef unter Druck gesetzt und sorgt sich darum, wie er Ihre Forderung durchbringen soll?
- Zeigen Sie Größe und bleiben Sie respektvoll.
- Betonen Sie den Nutzen, den Sie Ihrem Vorgesetzten durch Ihre Mitarbeit liefern, und die gemeinsamen Ziele, die Sie in der Firma verfolgen.
6. Bei virtuellen Verhandlungen: Fokus auf die Sachebene
Immer häufiger wird eine Verhandlung vor Ort – im Büro – gar nicht mehr möglich sein. Das hat Vor- und Nachteile.
Da die emotionale Ebene eines virtuellen Gesprächs viel weniger präsent ist, heißt das für Sie, sich noch mehr auf die Qualität Ihrer Argumente zu konzentrieren.
Daneben gilt für virtuelle Verhandlungen dasselbe wie für alle anderen virtuellen Meetings:
- Fassen Sie sich kurz, um die niedrige Aufmerksamkeitsspanne nicht zu überstrapazieren.
- Stellen Sie sicher, dass die Technik funktioniert und dass Sie sie beherrschen, um nervige Störungen zu vermeiden, die die Laune Ihres Gegenübers trüben könnte.
- Gegebenenfalls lohnt es sich, einen Experten miteinzubeziehen, der die Verhandlung aus dem Hintergrund beobachtet und Ihnen bei dem Verfolgen Ihrer Ziele hilft.
getAbstract wünscht Ihnen bei den anstehenden Gehaltsverhandlungen viel Erfolg und rät bei sich hartnäckig haltenden Unsicherheiten zum Stöbern in unserem Themenkanal: