Die Nachteile einer „tollen Atmosphäre“
Menschen sind Herdentiere und für ihr Überleben auf die Gruppe angewiesen. Deshalb gehen wir mit denjenigen, die uns nahestehen, ungern auf Konfrontationskurs. Einer der Orte, an denen wir Konflikte am allerliebsten vermeiden, ist das Büro. Besonders homogene Teams (mit Menschen ähnlicher Herkunft und vergleichbarer Lebenserfahrung) neigen zum „Gruppendenken“: Abweichende Meinungen und konträre Ideen werden nicht angesprochen. Und selbst wenn Mitglieder mit Aussagen und Entscheidungen ganz und gar nicht einverstanden sind, lassen sie diese unkommentiert. Sie schweigen aus Furcht, Beziehungen zu gefährden und die Harmonie und den Zusammenhalt zu stören.
Untersuchungen zeigen, dass drei von vier Menschen sogar bewusst falsche Antworten geben, um der Mehrheitsmeinung zu folgen.
Das mag sich gut und harmonisch anfühlen, hat aber negative Konsequenzen: Solche Teams merken nämlich nicht – oder erst zu spät –, dass wichtige Informationen und Ideen übersehen werden. Dass sich alle schnell einig sind, nehmen die Beteiligten als Beleg für die Qualität ihrer Arbeit.
Dadurch, dass keiner das Ergebnis hinterfragt, stellt sich die Frage nach anderen Möglichkeiten oder einer eventuell notwendigen, radikalen Richtungsänderung nicht. Mitunter geht das so lange, bis eine Reaktion unmöglich wird – es ist dann buchstäblich „zu spät“.
Teams, die Alternativen abwägen, kommen zu besseren Ergebnissen und innovativeren Vorgehensweisen.
Aber weil sie um die beste Lösung ringen und sich über den richtigen Angang streiten, sind sie tendenziell unsicherer und weniger zufrieden mit ihren Arbeitsergebnissen – selbst bei objektiv besseren Leistungen. Was Sie sich bei diesen Teams abschauen sollten:
- Wählen Sie das richtige Framing bzw. die richtigen Worte: Damit unterschiedliche Gedanken und Ideen sichtbar werden, laden Sie zu einer „engagierten Diskussion“ oder „kritischen Auseinandersetzung“ ein – statt vorzugeben, dass „das Team gemeinsam zu einer guten Lösung kommen soll“.
- Beim Start gilt: Post-its statt Plenum: Beginnen Sie Diskussionen, die der Ideen- oder Entscheidungsfindung dienen, indem sich alle zunächst allein Gedanken machen, Sie diese sammeln und erst anschließend im Plenum diskutieren lassen.
- Bei heikleren Themen lohnt es sich, Ideen und Überlegungen zu zweit oder in kleinen Gruppen zu besprechen, und erst dann dem kompletten Team vorzustellen. Die meisten Menschen trauen sich nämlich eher, Bedenken im kleinen Kreis zu äußern. Sie dann einmal ausgesprochen zu haben, gibt ihnen Sicherheit, um dann in einer größeren Runde zu bestehen.
- Wenn sich starke Teammitglieder am Anfang der Diskussion deutlich positionieren, halten sich andere mit abweichenden Meinungen eher zurück. Daher hilft es, zunächst die zu Wort kommen zu lassen, die sich nicht ohnehin zum Reden „berufen“ fühlen.
- Beauftragen Sie Teammitglieder, verschiedene Positionen einzunehmen. Nutzen Sie zum Beispiel die „sechs Denkhüte“ von Edward de Bono. Bei dieser Übung übernehmen alle Teilnehmenden eine (von ihrer eigenen eventuell abweichende) Rolle, die durch die Farbe eines Hutes vorgegeben wird.
Stellen Sie die richtigen Fragen?
Harvard Business ManagerSie werden sehen: Ihr Team wird zu völlig anderen Schlüssen kommen – und mit der Zeit wird auch die Unsicherheit im Umgang mit heiklen Themen oder untereinander kleiner werden. Denn: Erfolge stellen sich auf diesem Wege beinahe zwangsweise ein, und die geben Ihren Kollegen die nötige Sicherheit, Kritik zu äußern und auch anzunehmen.
Nächste Schritte:
Weitere praktische Tipps und Tricks bietet Fair führen. Das Buch wurde mit dem getAbstract International Book Award 2020 ausgezeichnet. Laut Jury liefert es „nicht weniger als das erforderliche Rüstzeug für zukunftsfähige Unternehmen – eloquent, sachkundig und inspirierend.“