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Im Zweimannzelt mit Richard Branson (und Hannibal Lecter)

Kreativität ist weder „nett“ noch „schrullig“ – sondern unbequem, widerständig, manchmal sogar tödlich. Trotzdem sollte man ihr Raum lassen.

In den Achtzigerjahren bekam der Golfprofi Jack Nicklaus den Auftrag, auf Grand Cayman einen 18-Loch-Golfplatz anzulegen. Blöderweise ist die Insel viel zu klein, um so einen riesigen Platz zu bauen. Wie also konzipiert man einen 18-Loch-Golfplatz auf einer Insel mit der Größe einer Telefonzelle? Unmöglich! Aber Jack Nicklaus fand trotzdem eine Lösung, indem er eine andere Frage stellte: „Was muss ich verändern, damit ich einen 18-Loch-Golfplatz auf kleinstem Raum bespielen kann?“ Er dachte nach und entwickelte einen speziellen Cayman-Ball, der bei gleicher Schlagkraft nur halb so weit fliegt. Clevere Frage, brillante Antwort! 

Die Fähigkeit, kreative, unorthodoxe Fragen zu stellen, ist in der Businesswelt leider nicht sehr verbreitet. Topmanager sind in der Regel aufgestiegen, weil sie sehr gut Antworten geben können. Aber sie haben wenig Erfahrung im Stellen von Fragen. Denn wer Fragen stellt, gibt indirekt zu, dass er etwas nicht weiß. Und das kann für eine Konzernkarriere tödlich sein: „Würde der Welt wirklich etwas fehlen, wenn es unser Unternehmen nicht gäbe? Welche Leistung bieten wir an, die ein Computer nicht besser erledigen könnte? Aus wie vielen Fehlbesetzungen besteht meine Abteilung? Und habe ich mich selbst mitgezählt?“

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Als Vortragsredner spricht unser Kolumnist Vince Ebert auf Kongressen, Tagungen und Firmenfeiern in deutscher und englischer Sprache zu den Themen Erfolg, Innovation und Digitalisierung. Hier können Sie Vince Ebert als Keynote-Speaker für Ihren Event engagieren.

In klassischen Firmenstrukturen gelten kreative Fragesteller und unorthodoxe Denker weniger als Inspirationsquelle, sondern eher als Querulanten. Kein Wunder, denn: Wer möchte schon in einem auf Effizienz getrimmten Unternehmen Leute haben, die permanent Abläufe hinterfragen und alle anderen mit ihren wirren Ideen nerven? Besonders, da doch letztes Jahr die Jungs von McKinsey die Firma neu durchstrukturiert haben. Seitdem läuft alles in Workflows und Prozessbahnen. Jeder Mitarbeiter ist Teil der Wertschöpfungskette. Die Zeit zum Nach-, Vor- und Querdenken ist wegoptimiert worden.

Ich will endlich was bewegen!“, klagt der kreative Kopf. „Dann werden Sie doch Liftboy“, antwortet der Berater.

Wenn überhaupt, dann schicken Konzerne ihre Führungskräfte ab und an in ein Kreativitätsseminar, wo sie dann aufgefordert werden, „über den Tellerrand zu schauen“. Outside the box halt … Das ist lustig und wird von den Leuten meist als „sehr inspirierend“ empfunden. Und weil es sich so gut anfühlt, denken die Leute, sie seien grad kreativ. Doch das ist Quatsch: Ihr Körper fühlt sich gut, weil er Endorphine ausschüttet. Das hat nichts mit Kreativität zu tun, sondern mit Hirnchemie.

Wenn also in einem Workshop eine Idee als absolut inspirierend empfunden wird, ist sie nicht selten absoluter Müll, nichts als geschickt verpacktes, konservatives Nullachtfünfzehn-Denken. Echte Kreativität ist etwas Provokantes, etwas Gefährliches, etwas Radikales. Und all das ist nicht besonders beliebt. Im Gegenteil. Nicht selten lösen kreative Prozesse bei den Beteiligten Widerstand, Unbehagen, Zweifel und Unsicherheit aus.

Mein Lieblingsbeispiel dafür ist der Automobilkonzern General Motors. Vor längerer Zeit hat die Unternehmensführung seine männlichen Fahrzeugdesigner mal in einem Kreativitäts-Workshop in Pumps und Frauenkleider gesteckt. Kein Witz. Für die Männer war das eine extrem unbehagliche Situation. Aber als sie in dem Fummel in ihre Autos einsteigen mussten, haben sie plötzlich eine Menge über die Komfortbedürfnisse ihrer weiblichen Kundschaft gelernt. Und wahrscheinlich noch ein bisschen mehr über sich selbst.

Wenn wir in der Zeitung von kreativen Regelbrechern oder innovativen Genies hören, dann denken wir gerne an nette, etwas schrullige Nerds, die die Büroklammer, die doppelte Buchführung, die Zwölftonmusik oder den Kubismus erfunden haben.

Doch auch die Attentäter des 11. Septembers waren „kreativ“ bei ihrem mörderischen Regelbruch. Die Foltertechnik Waterboarding mag grausam sein, aber dass ihr Erfinder in üblichen Mustern gedacht hat, ist auszuschließen. Und die Figur des Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer fasziniert uns gerade deswegen, weil sie vollkommen unkonventionelle Schlüsse zieht und auf eine bizarre, aber hochintelligente Art und Weise Regeln bricht. Trotzdem möchten wir mit solchen Typen nicht unbedingt einen dreiwöchigen Norwegenurlaub im Zweimannzelt verbringen. 

Erfolgreiche Macher, Kreative, sind häufig ebenfalls ziemlich anstrengende Zeitgenossen. Richard Branson ist ein großes, pubertierendes Kind. Steve Jobs war ein charismatischer Choleriker, der Onkologen für Idioten hielt und seine Krebserkrankung lieber mit esoterischer Naturheilkunde bezwingen wollte. Vom Schraubenlieferant Reinhold Würth kursieren legendäre Geschichten, wie er unterdurchschnittliche Vertriebsleute angeblich mit Negativ-Incentives demütigte. Ganz nach dem Motto:

Der umsatzschwächste Mitarbeiter bekommt eine Woche Aufenthalt in Hannover. Aber nur bei schlechtem Wetter. Bei Sonnenschein wird abgesagt!

Natürlich ist das jetzt kein Plädoyer dafür, Soziopathen, Kriminelle oder Irre ins Unternehmen zu holen. Und natürlich sind hocheffiziente Workflows und Prozessbahnen in Unternehmen nicht unwichtig. Doch genauso wichtig für die Zukunftsfähigkeit eines Konzerns sind eben Dinge wie Infragestellen, Regelbrechen, Kreativität und Herumexperimentieren.

Viele revolutionäre Innovationen trugen anfangs den Stempel der Ablehnung. Star Wars wurde in Hollywood von allen Studios abgelehnt – außer von einem. Die Sitcom Seinfeld fiel sogar beim Testpublikum durch und kam nur ins Programm, weil zufälligerweise ein Sendeplatz in den Ferien frei wurde. Weder AltaVista noch Yahoo glaubten an den Suchalgorithmus, den Larry Page und Sergey Brin entwickelten. Die Welt lachte vorher schon über Galileo, über Darwin, und sie lachte über die Gebrüder Wright. Und auch als ich zum ersten Mal erzählte, Wissenschaft und Humor auf der Bühne zu verbinden, lachten die Leute. Jetzt lachen sie nicht mehr!


Vince Ebert ist Diplom-Physiker, Wissenschaftskabarettist und Bestsellerautor. Sein Anliegen ist die Vermittlung wissenschaftlicher Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors. Seit 2004 ist er erfolgreich auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs, aktuell mit seinem neuen Programm „Make Science Great Again!“ (Tickets & mehr …). Seine Bücher verkauften sich über eine halbe Million Mal und standen monatelang auf den Bestsellerlisten. In der ARD moderiert er regelmäßig die Sendung „Wissen vor acht – Werkstatt“.


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Foto: Frank Eidel

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