Generation Burn-out

Eine WHO-Studie kommt zu dem Schluss: Rund 30 Prozent der heutigen Schüler fühlen sich erschöpft, und immer mehr junge Menschen leiden an schweren Burnout-Symptomen. Warum? Und was kann man dagegen tun?

Generation Burn-out
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Bei unserer 14-jährigen Tochter begann es vor knapp drei Jahren mit Schwindelanfällen. Es folgten schwere Migräne, Seh- und Schlafstörungen, Panikattacken und schließlich ein Hörsturz. Ihre Erfahrung deckt sich mit denen einer wachsenden Zahl von Schülern weltweit: In Deutschland soll heute fast jeder zweite Schüler unter Stress leiden. In unserer Wahlheimat Italien fühlen sich drei von vier jungen Menschen in der Schule unglücklich. Schlimmer wird‘s nimmer? Schön wär‘s: Italienische Studierende sind angeblich die unzufriedensten und deutsche Arbeitnehmer die lustlosesten weltweit.

Natürlich sind solche Erhebungen nicht untereinander vergleichbar und generell mit Vorsicht zu genießen. Dennoch geben sie mir zu denken. „Ich habe seit einiger Zeit beschlossen, im Moment zu leben“, sagte unsere Tochter im getAbstract-Interview auf die Frage, wie sie sich denn ohne den Besuch einer Regelschule auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten wolle. Denn in der Schule hatte sie den Spaß am Lernen und Leben verloren – und war zum Jahresbeginn fest entschlossen, ihn durch eine neue Art des selbstbestimmten Lernens zu Hause wiederzufinden.

Diese Freude währte zunächst nur bis zum Beginn der Sommerferien: Denn während ihre Freunde in der mehr als drei Monate langen schulfreien Zeit die Seelen baumeln lassen, paukt sie für die Jahresabschlussprüfung am italienischen Gymnasium. An drei Tagen Ende August soll sie beweisen, dass sie genauso viel Stoff durchgekaut hat wie ihre Klassenkameraden in einem ganzen Jahr.

Manche tun die Sorgen über die Zunahme von Erschöpfungsdepressionen unter Kindern und Jugendlichen als Jammern auf hohem Niveau ab: Schülern werde heute nicht zu viel, sondern viel zu wenig abverlangt. In Wettkampf um die Klugen beklagt Gunnar Heinesohn, dass der Westen im Vergleich zu Asien dramatisch verdumme. Der durchschnittliche IQ von Japanern übertrifft den von Amerikanern und Briten um fünf Punkte, bei PISA-Tests haben chinesische Kinder die Nase vorn, und Bildungsinvestitionen sind seiner Meinung nach Augenwischerei: „Mädchenförderung in Technikfächern bewirkt kaum etwas.“

Dass Suizid in China inzwischen die häufigste Todesursache für junge Menschen zwischen 15 und 35 ist, erwähnt er nicht; auch nicht, dass bis zu eine Million „Hikikomori“ (Eingeschlossene) in Japan ein trostloses Dasein fristen – verbarrikadiert in ihren Kinderzimmern, zermürbt von Versagensängsten und unfähig, der Welt zu begegnen.

Das Phänomen gibt es nicht nur in Asien. Anne Helen Petersen beschreibt in How Millenials Became the Burnout Generation, wie die Generation der zwischen 1981 und 1996 Geborenen sich verzweifelt abstrampelt und trotzdem nicht vom Fleck kommt. Das Versprechen, es einmal besser zu haben als die eigenen Eltern, wird sich für sie nicht erfüllen. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass der ewige Zwang zu Wachstum und (Selbst-)Optimierung nicht nur das eigene Leben, sondern auch unseren Planeten zerstört.

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How Millennials Became the Burnout Generation

Maybe millennials aren’t lazy and hopelessly entitled. They’re overworked and chronically exhausted.

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Diskussionen darüber führen wir mit unseren Töchtern derzeit häufig. Unsere Älteste zweifelt gleich am System: Warum sollte sie sich mit einem Schul-Burn-out den Job-Burn-out teuer erkaufen, um damit den Planeten-Burn-out zu beschleunigen? In diesem Sommer hat sie trotz der Prüfungsvorbereitungen ihre alte Begeisterung fürs Lernen wiedergefunden. Allein zu Besuch bei einem guten Freund in der Bretagne hat sie vormittags gebüffelt und nachmittags gesurft, gesegelt, und gelebt wie eine Göttin in Frankreich. Nebenbei hat sie ihr wichtigstes Etappenziel erreicht: Fließend Französisch zu sprechen. Zwar wird sie in einer Woche just in diesem Fach nicht geprüft. Vermutlich hat es ihr aber gerade deshalb so viel Spaß gemacht.


Nächste Schritte
Erschöpfungsdepressionen, Angst- und Panikattacken sind kein Zeichen von Schwäche, sondern ein lebenswichtiges Warnsignal. In unserer neuen Arbeitswelt-Kolumne „Ninas Welt“ lernen Sie, wie Sie erste Anzeichen erkennen und erfolgreich gegensteuern: Folge 2 Unruhige Nächte

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