„… dann wird es das Ende der Demokratie in den USA sein.“
Herr Diamond, mit 82 Jahren gehören Sie in Zeiten von Corona der sogenannten „Hochrisikogruppe“ an. Wie haben Sie sich auf die aktuelle Situation vorbereitet – wo und wie schützen Sie sich?
Jared Diamond: In dieser Situation – wie in jeder anderen – praktizierte ich eine Art „konstruktive Paranoia“ – eine Haltung, die ich aus meiner lebenslangen Arbeit in Neuguinea gelernt habe. Das heißt: Ich denke an alles, was schief gehen könnte, bereite mich darauf vor und genieße dann das Leben. In der gegenwärtigen Situation bedeutet das: Ich bleibe zuhause. Eine Ausnahme mache ich nur zum allmorgendlichen Spaziergang zur Vogelbeobachtung. Ich habe auch nur einen einzigen Freund, der mich noch daheim besuchen darf: meinen Cellolehrer, den ich zu Sonaten von Bach und Beethoven auf dem Klavier begleite. Ich verbringe die restliche Zeit mit meiner Frau und meinen Söhnen, gebe Interviews und verfasse Beiträge über Covid-19, aber auch wissenschaftliche Artikel über die Vögel Neuguineas.
Sie haben den größten Teil Ihres wissenschaftlichen Lebens dem Aufstieg und Fall menschlicher Gesellschaften gewidmet. Eines Ihrer Lieblingsthemen ist, herauszufinden, inwieweit die Menschheit ihr Schicksal selbst in der Hand hat – oder auch nicht. Glauben Sie an Glück?
Natürlich glaube ich an Glück! Als ein Boot kenterte, mit dem ich in Neuguinea unterwegs war, fuhr das Kanu, das uns zufällig rettete, rund 15 Minuten vor Sonnenuntergang an uns vorbei. Hätte es die Stelle 15 Minuten später passiert, wäre es stockdunkel gewesen – und wir verloren. Aus diesem Grund bin ich überhaupt in der Lage, heute hier mit Ihnen zu reden. Aber ich glaube auch, wir können eine Menge tun, um unser Schicksal in den Griff zu kriegen. Nach dem Bootsunfall in Neuguinea bin ich zum Beispiel nie wieder in ein Motorkanu mit rücksichtslosen, übermütigen jungen Fahrern gestiegen – und hatte deshalb auch seither keinen zweiten solchen Unfall.
Ihr jüngstes Buch trägt den Titel Krise, aber schon Kollaps hat Sie weltberühmt gemacht. Ist das, was wir derzeit mit der Covid-19-Pandemie erleben, noch eine Krise oder bereits der Beginn eines Zusammenbruchs?
Es ist eine Krise, und sie wird nicht zu einem Zusammenbruch führen. Die Zahl der Todesopfer ist bei dieser Pandemie vergleichsweise gering, sie liegt bei ca. 2 Prozent. Das ist viel weniger als die 30 Prozent Todesopfer der Pest, 50 Prozent bei den Pocken, 70 Prozent bei Ebola und 100 Prozent bei Rinderwahnsinn und Aids. Das Besondere an der gegenwärtigen Pandemie ist vielmehr, dass Flugzeuge zu ihrer raschen Ausbreitung beigetragen haben, so dass diese Krankheit sich nun auf der ganzen Welt ausbreitet.
Dazu kommen wir später noch. Zuerst: Was sagt uns die Menschheitsgeschichte über den richtigen und falschen Umgang mit Pandemien?
Allein die letzten Monate haben uns schon enorm viel über den richtigen und den falschen Umgang mit Pandemien gelehrt! Hier in den Vereinigten Staaten wird zum Beispiel die Gesundheitspolitik weitgehend von unseren 50 Bundesstaaten und nicht von unserer Regierung in Washington bestimmt. Die Gouverneure der Bundesstaaten gehen die Herausforderung völlig unterschiedlich an: Einige von ihnen machen Dinge offensichtlich falsch, und andere machen die Dinge richtig – was man anhand von Statistiken zur Ansteckungsrate, zu den Todesfällen oder zur Auslastung der Intensivstationen sehen kann. Gouverneur Newsom hier in Kalifornien etwa ist vorsichtig gewesen: Er verhängte die erste Ausgangssperre – und infolgedessen hat sich die Lage in Kalifornien viel weniger stark zugespitzt als in anderen bevölkerungsreichen Bundesstaaten. Auf der anderen Seite haben zum Beispiel die Gouverneure von Bundesstaaten wie Texas, Georgia, Florida oder Mississippi es vorgezogen, abzuwiegeln oder das Problem zu leugnen. Die Ergebnisse sagen uns viel über den richtigen und falschen Umgang mit Pandemien.
In den USA scheint sich also die Geschichte zu wiederholen. Viele der Fehler, die Politiker während der Pandemie von 1918 gemacht haben, werden heute, 100 Jahre später, von anderen Politikern erneut gemacht. Während die einen – in Übereinstimmung mit der Wissenschaft – persönliche Freiheiten zeitweise einschränken, um eine katastrophale Ausbreitung zu verhindern, tun andere nichts, raten höchstens zum Beten. In Ihrem letzten Buch Krise haben Sie genau dieses Fehlen ehrlicher Selbsteinschätzung oder die Weigerung, von anderen zu lernen, als Probleme der Vereinigten Staaten beim strategischen Krisenmanagement hervorgehoben …
Es ist tatsächlich eines der rätselhaftesten Merkmale der Vereinigten Staaten, das sowohl für Nichtamerikaner als auch für viele Amerikaner selbst schwer zu verstehen ist: Warum steht das Land mit der fortschrittlichsten Wissenschaft und Technologie der Welt, wenn es darauf ankommt, der Wissenschaft oft gleichgültig oder sogar ablehnend gegenüber?
Und vor allem: Warum geschieht genau das in einem so hoch entwickelten Land?
Ich werde über zwei verschiedene Gründe spekulieren. Der erste Grund ist, dass die Vereinigten Staaten nicht nur eine Demokratie sind; sie sind eine Hyperdemokratie, wir Amerikaner sind hyper-individualistisch. Der amerikanische Glaube oder Mythos, dass alle Menschen gleichwertig sind, führt in manchen Situationen übersteigert dazu, dass suggeriert wird, unwissende Menschen stünden den Gebildeten in nichts nach. Das ist auch der Grund dafür, dass unsere Politiker – oft sehr gut ausgebildet und hochdekoriert – sich nicht mit Titeln schmücken oder ihre Expertise in Form von Abschlüssen hervorheben. Oft benutzen sie in der Öffentlichkeit deshalb nicht einmal ihre Geburtsnamen, sondern ziehen populäre, „geerdete“ Spitznamen vor. Nicht William und Albert waren Präsident und Vizepräsident unseres Landes, sondern „Bill“ Clinton und „Al“ Gore. Ein zweiter Faktor ist die Rolle populistischer Religionsgemeinschaften in den Vereinigten Staaten.
Können Sie das näher erläutern?
Seit den Anfängen der Besiedlung Nordamerikas strebten viele Siedler nach Religionsfreiheit gegenüber den etablierten Kirchen. Diese ursprüngliche Rolle der Religion bei der Besiedlung wurde durch die Geschichte der Vereinigten Staaten als „rollende Grenze“ noch verstärkt: Sie begann an der Ostküste, rollte westwärts durch das Land – und jeder Quadratzentimeter der Vereinigten Staaten war irgendwann in unserer Geschichte einmal eine Grenze. Von diesen Grenzen waren Regierungen und höhere Bildung weit entfernt, weshalb sich dort eine Vielzahl fundamentalistischer Religionsgemeinschaften gründeten: Hunderte von ihnen, von denen sich einige wenige – insbesondere die Mormonen, Adventisten und die Zeugen Jehovas – dann über die ganze Welt ausbreiteten. Es ist offensichtlich, dass diesen Freikirchen oder Sekten Wissenschaft oft gleichgültig war, man ihr sogar ablehnend gegenüberstand. Ich kenne kein anderes Land der ersten Welt, in dem beispielsweise der Widerstand gegen die Evolutionstheorie so stark ist wie in den Vereinigten Staaten. All diese historischen Fakten über unser unverwechselbares Land tragen zu dem Paradox bei, dass wir in der Wissenschaft weltweit führend sind, aber auch im Aufbegehren dagegen.
Oder im „Leugnen“, wie Sie in Krise vor anderthalb Jahren bereits ausgeführt haben. In der amerikanischen Gesellschaft, so Ihre These, hat sich nie breitenwirksam die Einsicht durchgesetzt, dass die wachsende soziale Ungleichheit im Land auf existenzbedrohende Ausmaße zusteuert, sprich dass gewalttätige Unruhen in absehbarer Zukunft sehr wahrscheinlich sind.
So ist es. Die politische und soziale Polarisierung und daraus resultierende Unruhen sind heute in den Vereinigten Staaten große Probleme – vielleicht ist es sogar das größte Problem, das dieses Land hat.
Wird also die gegenwärtige Pandemie zu einer erneuten Annäherung der Kulturen führen – oder den Zerfall, den Sie vorhersagen, beschleunigen?
Wird sie zu das Streben nach Einheit fördern oder stattdessen zu weiterer Desintegration? Stellen Sie mir diese Frage in zwei Jahren nochmal! Nur so viel: Wäre der Präsident der Vereinigten Staaten ein vorbildlicher Staatenlenker, wie es die Gouverneure von Kalifornien, New York, Montana und einigen anderen Staaten sind, könnte er unser Land führen, indem er alle Amerikaner auffordert, sich auf das zu konzentrieren, was uns eint, und gemeinsam gegen die Epidemie vorzugehen. Wenn aber unser Präsident nach den Wahlen am 3. November weiterhin einer ist, der sich darauf konzentriert, die Gesellschaft zu spalten, statt sie zu einen, dann wird es aller Voraussicht nach das tatsächliche Ende der Demokratie in den USA sein.
Das muss nachdenklich stimmen. Vor allem, wenn man in Betracht zieht, dass viele Ihrer Vorhersagen in der Vergangenheit richtig waren. In Krise schrieben Sie außerdem, dass der Mangel an staatlichen Investitionen in Humankapital, also in Bildung, Infrastruktur und Gesundheitsversorgung, die technologische Führungsrolle der Vereinigten Staaten bedroht. Gegenwärtig sieht es so aus, als erhärte sich auch dieser Verdacht: Das amerikanische System scheint von der Verbreitung eines Virus schneller und härter betroffen zu sein als viele europäische Länder. Wie sehen Sie das?
Es stimmt nicht, dass die Vereinigten Staaten härter getroffen werden: Innerhalb Europas sind Italien und Spanien sowie das Vereinigte Königreich stärker betroffen als die Vereinigten Staaten. Aber es stimmt, dass es die Vereinigten Staaten schlimmer getroffen hat als Australien, Neuseeland, Vietnam und Taiwan. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist, dass die Vereinigten Staaten stark mit dem Rest der Welt verbunden sind, viel stärker als Neuseeland oder Taiwan. Das bedeutet: täglich Hunderte von internationalen Flügen aus China und von anderen Orten, an denen das Virus bereits ausgebrochen war. Ein weiterer Faktor ist unser föderales System, das ich oben erwähnt habe: Macht ist in den Vereinigten Staaten föderal verteilt, sodass es nicht möglich ist, von der Hauptstadt aus eine Abriegelung des ganzen Landes anzuordnen, wie es in einigen anderen Ländern möglich wäre. Ein dritter Grund ist immer noch unsere Bevölkerungsgröße: Wir sind das drittbevölkerungsreichste Land der Welt. Das bedeutet, dass es mehr Amerikaner gibt, die der Virus töten kann, als Australier, Neuseeländer, Vietnamesen und Taiwanesen zusammen. Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ja, das Gesundheitssystem der USA war und ist im Vergleich zu den Gesundheitssystemen aller anderen großen Demokratien notorisch schwach.
Nun wäre aber doch genug Zeit gewesen, sich andernorts beim Krisenmanagement etwas abzuschauen. Anstatt Verantwortung zu übernehmen und sich selbst ehrlich einzuschätzen, suchte man die Schuld politisch aber bei anderen – bis heute. Was sagt uns ihr jüngstes Buch über geeignetere Arten, ein Problem zu lösen?
Es scheint fast so, als könnten die Leser meines jüngsten Buches noch in einigen Jahren annehmen, ich hätte es nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie geschrieben. Tatsächlich hatte ich das Manuskript aber schon im Dezember 2018 fertiggestellt, und mein Buch wurde im Mai 2019 veröffentlicht. Es ist sehr gut auf die heutige Situation anwendbar, denn es handelt von Krisen im Allgemeinen. Und Covid-19 ist aus dieser Perspektive eine recht „typische“ Krise.
Was bedeutet „typisch“?
Nun, das Ziel des Buchs war, zu verstehen, warum Nationen im Umgang mit nationalen Krisen erfolgreich bzw. erfolglos sind. Meine Perspektive auf solche Krisen und ihre Bewältigung war die Erfahrung meiner Frau Marie, einer klinischen Psychologin mit dem Spezialgebiet Krisentherapie. Sie hilft Menschen, akute persönliche Krisen rasch zu bewältigen. Dabei handelt es sich nicht um die konventionelle Psychotherapie, bei der Menschen über viele Jahre hinweg chronische Probleme bewältigen. Marie und ihre Therapeutenkollegen müssen ihren Klienten schnell helfen, da im schlimmsten Fall das Risiko besteht, dass jemand von einer Krise derart überwältigt wird, dass er einen Selbstmordversuch unternimmt.
Was haben Sie durch diesen Perspektivwechsel gelernt?
Jede Woche überprüften Marie und ihre Kollegen den Fortschritt jedes einzelnen Patienten in dieser Woche und führten Buch darüber. So kristallisierten sich bald ein gutes Dutzend Faktoren heraus, anhand derer sich vorhersagen lässt, ob es einer einzelnen Person gelingen wird, eine persönliche Krise zu überwinden. Anhand meiner Erfahrungen zum Beispiel in Deutschland – wo ich gerade lebte, als die Berliner Mauer gebaut wurde – und in vielen anderen Ländern wurde mir klar, dass die Vorhersagekraft dieser Faktoren sich nicht auf persönliche Krisen beschränkte, sondern auch nationale Krisen erfasste. Selbst die globale Krise, die wir aktuell erleben, lässt sich so analysieren – und damit auch die Werkzeuge, von denen wir uns Erfolg beim Lösen derselben versprechen.
Lassen Sie uns also kurz die Schritte des Krisenmanagements durchgehen, die Sie in Krise identifiziert haben. Wo fängt man an?
Den ersten Schritt zur Bewältigung einer Krise – ob persönlicher oder kollektiver Art – kennt jeder. Denn wirklich jeder von uns hat schon mal eine Krise durchgemacht: Es geht zuallererst darum, überhaupt anzuerkennen, dass man sich in einer Krise befindet. Denn solange man leugnet, dass es eine Krise gibt, macht man natürlich keine Fortschritte bei ihrer Lösung. Auf Covid-19 bezogen bedeutet das: Leugnet man die Krise zu lange, kommt es zu Tragödien wie in Indonesien oder bei uns in den USA. Erkennt man sie an, hat man einen ersten Schritt zu raschen und bemerkenswerten Erfolgen getan – wie etwa die Verantwortlichen in Vietnam und Singapur, die bei der Eindämmung der Pandemie führend waren oder es noch sind. Der zweite Schritt bei der Krisenbewältigung, der uns allen ebenso aus persönlicher Erfahrung vertraut ist, besteht darin, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass man selbst etwas gegen die Krise tun muss und dass man durch Schuldzuweisungen oder Selbstmitleid nichts erreicht. Auch hier kennt Covid-19 sowohl gute als auch schlechte Beispiele: Mein eigener Präsident liefert wie gehabt das schlechte Beispiel, indem er sich darauf konzentriert, China die Schuld für die Pandemie zuzuschieben. Vietnam, Australien und Neuseeland hingegen liefern gute Beispiele, weil sie sich darauf konzentriert haben, etwas gegen die Krise zu unternehmen, ohne Zeit damit zu verplempern, anderen Vorwürfe zu machen.
Dieser Schritt ist von großer Bedeutung für den dritten, entscheidenden Schritt, nicht?
Ja. Denn nun kommt die Krisenlösung, die wir erneut alle aus eigener Erfahrung kennen: Um eine Krise zu lösen, suchen wir nämlich nach Modellen dafür, wie andere ein ähnliches Problem gelöst haben. Dasselbe gilt für Länder, ihr Führungspersonal und deren Lernwilligkeit: Der Präsident Brasiliens versucht aktuell, meinen eigenen Präsidenten, der im Abwiegeln eigentlich schon ziemlich gut ist, zu übertrumpfen, indem er sich noch beharrlicher weigert, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Vietnam hingegen hat sogar seine eigenenschlechten Erfahrungen im Umgang mit der Sars-Epidemie von 2003, die das Land seinerzeit besonders hart getroffen hatte, zum Vorbild genommen: Bereits im Januar, noch bevor es im Land überhaupt einen Fall von Covid-19 gab, setzte die vietnamesische Regierung auf präventive Abriegelung und konsequentes Testen – mit Blick auf die Erfahrungen von 2003. Es ist diese Art Selbstkritik und Lernfähigkeit, die mich hinsichtlich des Ausgangs der gegenwärtigen globalen Covid-19-Krise vorsichtig optimistisch stimmt.
Das klingt, als seien wir an einem Wendepunkt angelangt, der die Zukunft unserer Gesellschaften wahrscheinlich verändern wird.
Das historisch Einzigartige an der Covid-19-Krise ist, dass es sich um die erste weltweite Krise handelt, die die Welt auch tatsächlich als gemeinsame Krise begreift. Natürlich ist die Welt auch mit anderen Krisen konfrontiert – insbesondere mit dem Klimawandel, mit Ressourcenknappheit, sowie mit extrem ungleicher Ressourcenverteilung. Aber der Klimawandel tötet Menschen nicht innerhalb von zwei Tagen. Und Menschen, die an Atemwegserkrankungen, Nahrungsmittelknappheit und anderen langfristigen Folgen des Klimawandels sterben, sagen nicht: „Ich sterbe an den Folgen des Klimawandels!“ Stattdessen sagen sie, dass sie keine Luft kriegen, Hunger haben oder Durst. Covid-19 aber tötet schnell. Und wenn Sie daran sterben, besteht kein Zweifel, dass Sie daran sterben. Daher ist die Welt gezwungen anzuerkennen, dass Covid-19 eine weltweite Krise ist – eine Krise, die jedes Land betrifft. Und kein Land kann sie allein überwinden. Selbst wenn Deutschland Covid-19 innerhalb der eigenen Grenzen vollständig besiegt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Virus aus Moldawien, Libyen oder einem anderen Land, wo es überlebt hat, zurückkommt und Deutschland wieder infiziert wird.
Was stimmt Sie also optimistisch für den Rest des Jahres – und für die folgenden Jahre?
Es klingt ironisch – ja grausam ironisch –, wenn man sagt, dass eine Pandemie, die Millionen von Menschen töten wird, Anlass zu Optimismus gibt. Aber ich glaube das tatsächlich. Es ist meine begründete Hoffnung, dass Covid-19, so wie es uns zu einer weltumspannenden, gemeinschaftlich koordinierten Problemlösung antreiben wird, auch als Modell dafür dienen kann, die anderen großen Probleme, mit denen wir kämpfen, auf dieselbe Art zu lösen. Diese Krise und unser Umgang mit ihr könnten den Weg für einen globalen Ansatz zur Lösung der weltweiten Krisen des Klimawandels, schwindender natürlicher Ressourcen und zunehmender Ungleichheit bahnen. Wenn es uns gelingt, die weltweite Covid-19-Krise gemeinsam zu bewältigen, schaffen wir damit einen Präzedenzfall für die Lösung anderer globaler und gemeinsamer Probleme – und das wäre doch in der Tat ein Silberstreif am Horizont.
Über den Autor
Jared Diamond ist Historiker, Evolutionsbiologe und Professor für Geografie an der Universität von Kalifornien, Los Angeles. Er wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Pulitzer-Preis, und schrieb mehrere internationale Bestseller, darunter Kollaps.