KI: Nutzung von Chatbots in Unternehmen
ChatGPT versetzt Unternehmen weltweit in Aufruhr. Und das nicht zu Unrecht: Der Chatbot könnte im Unternehmenskontext künftig Aufgaben etwa im Bereich Textproduktion, Recherche, Wissensmanagement oder Personalentwicklung übernehmen, schreibt Ingo Köhne, Experte für IT-Strategie und IT-Revision. Es ist kein Geheimnis, dass KI in der Industrie schon in großem Stil eingesetzt wird, nun allerdings klopfen die Chatbots auch bei Wissensarbeitern und Kreativdienstleistern an die Tür, die sich aufgrund ihrer Tätigkeiten bisher weitgehend „sicher vor Disruption“ wähnten.
Der eine oder andere wird aber schon vor dem ChatGPT-Hype von Chatbots gehört haben oder ihnen vielleicht sogar begegnet sein. Etwa bei Supportanfragen auf Websites. Generationen wie die Millennials (geboren 1981–1996) oder die Zoomer (1997–2010) haben sich schon längst an ihre Anwesenheit gewöhnt und setzen sie teils sogar voraus. So heißt es in einem Artikel der Seite IT-daily:
Mehr als die Hälfte der Zoomer und Millennials stimmen zu, dass Bots bei einfachen Problemen hilfreich sind. Insbesondere die Covid-19-Pandemie hat dazu beigetragen, dass jüngere Kund*innen KI häufiger nutzten.
IT-daily
Doch nicht nur bei kaufkräftigen jüngeren Generationen, sondern auch in ganzen Branchen spielt das dialogbasierte Kundenerlebnis eine immer größere Rolle – etwa in dem Finanzdienstleistungs-, dem Versicherungs- und dem Bankensektor. Nicht nur, um Prozesse für den Kunden einfacher zu gestalten, sondern auch, um anhand der Chatbot-Konversationen Daten über die Kunden zu sammeln, die dann im Vertrieb genutzt werden können, schreibt die Seite Brand Equity. Aber was genau können Chatbots? Und wann sind sie wo sinnvoll? In den folgenden Abschnitten und ausgesuchten Artikeln zum Thema im Journal erfahren Sie es!
Was können Chatbots?
Grundsätzlich sind Chatbots Computerprogramme, mit denen sich Nutzer gewissermaßen unterhalten können – und zwar je nach Bot mittels Sprache, Bildern oder Videos. Dabei funktionieren nicht alle Chatbots mit künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT. Ein Chatbot ist erst mal nur ein Interface, das über eine Dialogform arbeitet. Einige sind auch einfach eine zugänglichere Form einer FAQ-Seite. Sophie Hundertmark, die Unternehmen zum Einsatz von Chatbots berät, schreibt in ihrem Buch:
Damit ein Chatbot zusätzlich auch noch intelligent ist oder zumindest ansatzweise wie ein Mensch dazulernt oder sein Gegenüber von alleine einschätzen und verstehen kann, braucht es künstliche Intelligenz bzw. Algorithmen, bei denen versucht wird, die Funktionsweise unseres menschlichen Gehirns nachzubauen.
Sophie Hundertmark
Der Teil, der bei Chatbots auf Basis von KI funktioniert, ist das sogenannte Natural Language Processing (NLP), das auch bei der Antwortgenerierung von ChatGPT zum Einsatz kommt. Einfach gesagt ist dies der Teil des Chatbots, der es ihm ermöglicht, uns zu „verstehen“, wenn wir genau so sprechen bzw. schreiben, wie wir es eben tun. Das ist auch, was viele bei ChatGPT so beeindruckt: Wie gut er unsere Sprache nicht wirklich spricht, aber doch simulieren kann.
Viele kennen Chatbots aus einem kleinen Randfenster auf einer Website. Sie können aber genauso gut in Messengern, Apps oder Werbung integriert sein: Schon ganz einfache Chatbots können Nutzern zum Beispiel das lange Suchen nach einer bestimmten Information auf der Website ersparen. Chatbots zeichnen sich dabei generell durch ihre zugängliche und einfache Bedienung aus. Dabei können sie auch so tun, als transportierten sie Emotionen, mitunter sind sie sogar darauf trainiert, eine Art Persönlichkeit darzustellen – und zwar je nach Situation, in der sie zum Einsatz kommen, und dem Zweck, den sie haben. Entsprechend sind sie auch ein probates Mittel, wenn es um organisationsspezifisches Storytelling und Kundenbindung geht; nicht zuletzt, weil sie immer erreichbar sind.
Anwendungsmöglichkeiten von Chatbots
Doch wo im Unternehmen können Chatbots überhaupt eingesetzt werden? Längst nicht nur bei häufig gestellten Fragen auf der Website:
- Chatbots können Nutzer bei sich wiederholenden Prozessen wie Adressänderungen oder Essensbestellungen unterstützen.
- Sie helfen bei der Mitarbeitergewinnung, indem sie etwa Kandidaten per WhatsApp ansprechen.
- Sie unterstützen die Schulung von Mitarbeitenden, etwa indem sie zentrale Prozesse erklären.
- Sie entlasten die IT-Abteilung hinsichtlich Supportanfragen und Coding.
- Sie machen Kunden komplexe Produkte verständlich.
- Sie helfen Kunden dabei, das passende Produkt zu finden, etwa indem sie Beratungsgespräche führen und Produkte vorschlagen. Dabei können sie auch Bestellungen tätigen.
- Sie können in Ads auf Websites eingesetzt werden, um in einem ersten „Gespräch“ Interesse für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu wecken.
- Sie werden im HR-Bereich für anonyme Gespräche eingesetzt, zum Beispiel um Umfragen durchzuführen.
Dies sind nur einige Beispiele von Anwendungsmöglichkeiten. Natürlich ergeben sich bei fortschreitender Entwicklung der Bots auch mehr Einsatzmöglichkeiten. Mit ChatGTP lassen sich heute aber schon einige Aufgaben bewältigen:
- in Sekundenschnelle eigene, auf spezielle Fähigkeiten fokussierte Coaching- und Journaling-Programme aufsetzen,
- Marketingtexte schreiben,
- themenspezifische Recherchen vereinfachen und vertiefen,
- beim Programmieren neue Code-Stücke ergänzen,
- Musikstücke generieren,
- herausfinden, ob ein Chatbot Urheber eines Textes ist oder nicht,
- und vieles mehr.
Neben ChatGPT können auch viele andere KI-Werkzeuge am Arbeitsplatz enorm hilfreich – und ganz einfach in den Alltag einzubauen – sein. Mein Kollege Michael Wiederstein hat ein paar davon in diesem Artikel zusammengetragen.
Risiken von Chatbots
Je besser die Chatbots sind und je mehr wir uns an sie gewöhnen – etwa im Rahmen der digitalen Assistenten wie Google oder Alexa –, desto mehr müssen wir uns bewusst machen, dass sie keine Alleskönner sind. Nur schon, um Enttäuschungen – bei Kunden sowie bei uns selbst – vorzubeugen, warnt Hundertmark.
Gerade Chatbots mit KI sind keine Selbstläufer. Nach wie vor gilt: Auch der intelligenteste Chatbot versteht heute nicht, was er sagt – was seinen Einsatz an Orten, wo es um Vertrauen und Zuverlässigkeit geht, bislang gefährlich macht, da seine Einlassungen falsch oder zumindest unvollständig sein können, und kaum je durch überprüfbare Quellen abgesichert sind. Wer darüber nachdenkt, einen neuartigen Chatbot einzusetzen, sollte bedenken, dass sie je nach Verwendungszweck zu trainieren sind und man dazu genug Daten braucht.
Auch rechtlich fischen aktuelle Nutzer von KI-gesteuerten Chatbots (und Anbieter von auf KI-Antworten basierenden kommerziellen Angeboten) noch im Trüben: Die Maschinen geben kaum Auskunft über die Herkunft ihrer Einlassungen, und eine ganze Heerschar von Anwälten wartet nur darauf, dass erste klare Verstöße gegen geltendes Recht durch Nutzung von Copyright-geschützten Daten bekannt werden.
Aktuell sorgen auch wissenschaftliche Artikel, die unter Mitwirkung von ChatGPT entstanden sind, für schnelle Neuregelungen und Bot-Verbote in den Einreichungsvoraussetzungen bei Fachzeitschriften und -plattformen. Journalistische Versuche mit der textenden KI endeten mitunter in Skandalen. Was falsch ist und was richtig, wissen Chatbots aber nicht nur faktisch nicht, sondern auch moralisch. Und so sind auch die besten unter ihnen etwa nicht gegen Sexismus und Rassismus gefeit.
Ganz abgesehen davon, ob Sie ChatGPT verwenden oder nicht, bedeutet ein Einsatz von KI auch immer bis zu einem gewissen Grad Kontrollverlust. Zwar wissen Sie, mit welchen Daten Sie den Chatbot füttern. Doch was genau der Bot wie ausspuckt, was also der Endnutzer sieht, liegt nicht mehr in Ihrer Hand.
Sollten Sie in Ihrem Unternehmen Chatbots einsetzen?
Sophie Hundertmark, Autorin von Digitale Freunde, hat eine klare Antwort auf diese Frage:
Die Aussage ‚Alle haben jetzt einen Chatbot, wir wollen auch einen‘ ist kein sinnvoller Grund.
Sophie Hundertmark
Konzept und Umsetzung eines Chatbots können sehr schnell sehr kostenintensiv werden. Auch möglich ist es, dass ein Chatbot in einem Unternehmen zwar durchaus sinnvoll eingesetzt werden könnte, aber andere Projekte einfach dringender und wichtiger für den Unternehmenserfolg sind. Stellen Sie sich zur Evaluation der Möglichkeiten die folgenden Fragen:
- Haben wir viele sich wiederholende Prozesse oder Fragen, die wir automatisieren könnten?
- Haben wir Prozesse oder komplexe Produkte, bei denen es sinnvoll ist, sie in einer Dialogform abzubilden bzw. zugänglich zu machen?
- Haben wir Marketing-Kampagnen, deren Storytelling von einem Chatbot profitieren würde?
- Erreichen wir einen großen Teil unserer Zielgruppe besser über Messenger wie etwa WhatsApp?
- Haben wir Probleme bei der Leadgenerierung, bei denen ein Chatbot hilfreich wäre?
- Gibt es einen Bedarf nach anonymen Gesprächen, den nur ein Chatbot decken könnte?
Ein Chatbot sollte als Lösung in einem oder mehreren dieser Bereiche funktionieren, Kunden- bzw. Mitarbeiterzufriedenheit oder Umsatz steigern oder generell Kosten senken.
Sollten Sie sich für einen Chatbot entscheiden, gilt: Chatbots, die auf Basis von KI arbeiten, sind nicht automatisch die bessere Wahl. Soll der Chatbot in einem sehr spezifischen Kontext eingesetzt werden, in dem die Fragen meist auf dieselbe Art und Weise und in derselben Reihenfolge gestellt werden oder in dem Antwortmöglichkeiten vorgegeben werden können, reicht ein sogenannter regelbasierter Chatbot. Soll der Chatbot möglichst breit gefächert antworten können und unabhängig von einer festen Reihenfolge der Fragen, ist eine Integration des NLP und damit einer künstlichen Intelligenz sinnvoll, ihr Training aber aufwändig und dessen Erfolg abhängig von den zur Verfügung gestellten Daten.
Wenn Sie über eine Integration mit KI nachdenken, finden Sie hier weiterführende Titel:
Bei dem ganzen Hype sollten Sie sich außerdem bewusst machen: ChatGPT-3.5 ist eine Demoversion. Das heißt, dass das Unternehmen OpenAI jetzt, da es eine gewisse Bekanntheit hat, Wege finden wird bzw. muss, um mit dem Chatbot Geld zu verdienen. ChatGPT-4 ist so ein Weg, denn die Nutzung der neusten Generation kostet Geld. Die hier zahlenden Premiumnutzer freuen sich auch über einen bevorzugten Zugang zu neuen Features.
Abgesehen davon sollte die Demoversion, gerade in Unternehmen, nicht als fertiges Produkt angesehen werden. Vielmehr geht es darum, das Sprachmodell selbst mit Informationen zu füttern, um es für das eigene Unternehmen genau da nützlich zu machen, wo es nützlich sein kann. Ingo Köhne schreibt dazu:
Ganz konkret kann das für Unternehmen heißen, dass sie sich ihre internen Daten und Informationen und ihr Wissen unter dem Gesichtspunkt anschauen müssen: ‚Wie können wir unser Wissen nicht nur unseren Mitarbeitern zur Verfügung stellen – sondern auch einer künstlichen Intelligenz?‘
Ingo Köhne