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Für Ihren individuellen Wissensvorsprung haben wir hier 2 getAbstract-Zusammenfassungen (2 Bücher mit insgesamt 450 Seiten) zum Thema recherchiert und praktisch eingeordnet. Hätten Sie diese Arbeit selbst übernommen, wären Sie nicht weniger als 532 Minuten (ungefähr 9 Stunden) beschäftigt gewesen. Erfahren Sie mehr.

„Wer sieben Stunden in Meetings sitzt, ist nicht mehr innovativ.“

An der Digitalisierung geht angeblich kein Weg vorbei – es sei denn, Sie tappen immer wieder in die gleichen Fallen. Wie Sie diesen aus dem Weg gehen, zeigt Nicole Gaiziunas.

„Wer sieben Stunden in Meetings sitzt, ist nicht mehr innovativ.“

Frau Gaiziunas, Sie sprechen in Ihrem Buch 44 Digitalisierungsfallen an – von den Vandalen-Werten über die Entscheidungsarthrose bis hin zum digitalen Babylon. Bei welchen Themen hapert es in den Unternehmen am meisten?

Nicole Gaiziunas: Um genau das zu erfahren, haben wir einen Test zur Digital Readiness entwickelt. Dieser misst, wie fit man eigentlich in bestimmten Themen ist und wo es noch Luft nach oben gibt. Alle Mitarbeitenden müssen den Test zu Beginn der Beratung durchlaufen, vom CEO bis hin zum Betriebsrat – dabei wird natürlich berücksichtigt, dass die Mitarbeitenden alle einen unterschiedlichen Hintergrund mitbringen und verschiedene Anforderungsprofile erfüllen müssen. Gerade bei fachspezifischen Themen wie etwa Datenmanagement, Coding, Software-Engineering und Innovation stellen wir immer wieder fest, dass es noch großes Entwicklungspotenzial gibt. Mit Blick auf die Unternehmenskultur, digitale Transformation und Leadership schneiden die Testteilnehmenden meist besser ab – theoretisches Wissen ist oft schon da. Wenn es aber an die Umsetzung geht, gibt es auch hier große Defizite.

Sie sagen, die Digitalisierung mache krank, depressiv und unproduktiv. Das gilt jedoch auch für die drohende Klimakatastrophe, grassierende Einsamkeit oder Entfremdung in der Gesellschaft. 

Natürlich ist die Digitalisierung nicht allein für das Übel in der Welt verantwortlich. Auch andere Faktoren können Ängste oder Depressionen auslösen. Aber eine Digitalisierung, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeht, kann ein entscheidender Faktor sein. Woran ich das festmache?

Vor allem während der Corona-Lockdowns haben wir gesehen, was passiert, wenn Mitarbeitende mit ihren Ängsten und Sorgen weitgehend alleingelassen werden.

Nicole Gaiziunas

Oft funktionierten die Tools nicht oder waren aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einsatzbereit. Die Menschen bekamen Angst, den Anschluss zu verpassen. Umgekehrt gibt es auch immer mehr Mitarbeitende, darunter interessanterweise viele junge Leute, die bewusst Digital Detox praktizieren. Sie schalten ihre Geräte zu bestimmten Zeiten aus, um produktiver arbeiten zu können oder einfach zu entschleunigen.

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Zusammenfassung (Buch)

Die 44 Fallen der Digitalisierung

Raus aus der analogen Schockstarre und rein in die digitale Zukunft!

Nicole Gaiziunas Haufe Verlag
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Bei vielen schlägt Angst aber auch in Abwehr und Sabotage um.

Ja, leider, aber die Frage ist doch: Wie kommt es dazu? Fast immer ist die Ursache ein Gefühl von Überforderung. Stellen Sie sich beispielsweise vor, in Ihrem Unternehmen sollen die Prozesse im Finanzwesen automatisiert werden. In so einem Fall verkündet jemand aus der IT: Ab morgen wird das umgesetzt, nutzt bitte alle unser neues digitales Tool; nach dem Motto „Friss oder stirb“. Dann sitzen die Mitarbeitenden davor und fragen sich: Was sollen wir jetzt machen? Sie bekommen Stress, lassen es einfach oder versuchen, die alten Systeme weiter zu nutzen.

Was sollten Unternehmen stattdessen tun?

Sie müssen die Menschen von Anfang an kommunikativ mitnehmen und erklären, warum etwa die Digitalisierung von Prozessen wichtig ist, welche praktischen Vorteile sie bringen wird und wie genau sie funktioniert. Begleiten und qualifizieren Sie Ihre Mitarbeitenden. Stellen Sie sicher und kommunizieren Sie klar, dass diese die nötige Zeit für die Umstellung erhalten und dass ihnen geholfen wird, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.

Manche haben vielleicht auch Angst, dass ihr eigener Job wegrationalisiert wird.

Ganz unberechtigt ist diese Sorge nicht. Aus meiner Sicht bietet so eine Transformation aber vor allem die Chance, neue digitale Jobs im Unternehmen zu etablieren. Deshalb ist das Thema Reskilling so entscheidend. Das, was ich heute mache, fällt vielleicht in Teilen weg. Es entstehen aber auch viele neue digitale Jobprofile, für die sich Mitarbeitende qualifizieren können. Führungskräfte müssen ihren Mitarbeitenden Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten oder die Chance zur Neuqualifizierung geben, damit diese tatsächlich von der Digitalisierung profitieren können.

Werden solche Angebote denn immer dankbar angenommen?

Es stimmt wohl, die meisten Menschen sind nicht unbedingt wild auf Veränderungen. Im besten Fall mögen sie die Arbeit, die sie gerade machen. Auch hier kommt es darauf an, transparent zu kommunizieren und Chancen aufzuzeigen, zum Beispiel beim Thema Automatisierung: Sie können sagen: „Okay, diese Jobs fallen vielleicht in zwei Jahren weg. Aber wir bieten euch etwas Neues an!“  Wenn Mitarbeitende das Gefühl bekommen, dass ihr Unternehmen gemeinsam mit ihnen die Verantwortung übernimmt, sie in einen neuen Job zu bringen, dann funktioniert das nach meiner Erfahrung sehr gut. 

Auf höheren Führungsebenen steht dem oft überzogenes Anspruchsdenken im Weg. Sie berichten von Mitarbeitenden, die agile Rollen verweigern oder nur halbherzig ausführen, weil sie dafür nicht offiziell befördert werden und die Gattin keinen Zweitfirmenwagen erhält.

Ja, vor einigen Jahren sagte der Geschäftsführer in einem großen Konzern tatsächlich zu mir:

Nicole, herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Projekt, aber Sie werden damit erst Erfolg haben, wenn auch die Gattin ein Auto erhält.

Nicole Gaiziunas

Der ist ja lustig – dachte ich zunächst. Aber es war kein Witz! In manchen Unternehmen gibt es gewachsene und verkrustete Strukturen, die nur sehr schwer zu durchbrechen sind. Es wird aber inzwischen zunehmend versucht. Und ich glaube, dass die junge Generation da entscheidend mithilft, indem sie ein ganz anderes Anspruchsdenken an den Tag legt. Vertreter der Gen Z sind eher Purpose-Driven als statusorientiert. Sie fragen weniger nach Boni und Firmenwagen, sondern nach nachhaltigen Geschäftsmodellen und Work-Life-Balance.

Außerdem kritisieren Sie eine völlig aus dem Ruder gelaufene Meetingkultur in Deutschland. Was läuft falsch?

Eines ist doch klar: Wer an einem achtstündigen Arbeitstag sieben Stunden lang in Meetings sitzt, die nicht einmal effizient strukturiert sind, kann gar nicht innovativ sein. Aus meiner Sicht ist Innovation aber das Hauptthema der Digitalisierung. Man braucht Zeit, um sich mit neuen Ideen auseinanderzusetzen, Wettbewerber zu recherchieren und in Workshops kreativ neue Geschäftsmodelle auszuarbeiten. In dieser Hinsicht hinkt Deutschland extrem hinter anderen Ländern her. In den großen Techunternehmen im Silicon Valley oder in China verbringen die Menschen maximal ein Drittel ihrer Arbeitszeit in Meetings. Die restliche Zeit wird genutzt, um ihre Kreativität in Innovationen zu stecken. Hierzulande ist es oft umgekehrt. Mitarbeitende verbringen nicht selten 70 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings.

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Manager, die Berge versetzen

Trainings sind oft verschwendetes Geld. Zeit für neue Regeln.

Nicole Gaiziunas mi-Wirtschaftsbuch
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70 Prozent? Das hält doch niemand aus!

Absolut. Aber genauso ist es. Es kommt auch immer wieder vor, dass die Meetings back-to-back stattfinden, eine Person also von einem Termin direkt in den nächsten hetzen muss. Diese Person kommt also nicht mehr dazu, sich vorher oder hinterher Gedanken zu den besprochenen Themen zu machen. Deshalb müssen wir Meetings dringend anders strukturieren, neue Spielregeln entwickeln und einfach mehr Rücksicht nehmen.

Angefangen bei der Frage: Welche Mitarbeitenden müssen an einem Meeting zwingend teilnehmen? Wer ist überhaupt entscheidungsbefugt? Und was sind das Ziel und das angestrebte Ergebnis?

Nicole Gaiziunas

Wichtig ist auch das Thema Wertschätzung. Natürlich ist nicht alles interessant, was besprochen wird, aber parallel E-Mails zu schreiben oder andere Dinge zu tun – das geht gar nicht.

Sie schreiben, die heutige Jugend sei oft genauso digitalisierungsresistent wie ihre Eltern. Das überrascht. Warum ist das so?

Natürlich sind Digital Natives mit allen erdenklichen digitalen Tools aufgewachsen. Aber sie sind in erster Linie Konsumierende und noch lange keine Expert:innen. In unserem Bildungssystem klaffen dahingehend riesige Lücken. Es gibt natürlich engagierte junge Menschen, die von sich aus Coding-Camps besuchen. Aber in die Lehrpläne sind etwa Coding oder Software-Engineering nicht integriert. Dabei wäre es so wichtig, dass diese Themen bereits Sechst- und Siebtklässler:innen nahegebracht werden. Wir haben an der XU Exponential University die Erfahrung gemacht, dass viele junge Leute gar nicht wissen, welche Möglichkeiten und Berufsbilder es im Digitalbereich überhaupt gibt.

Gleichzeitig entwickelt sich auch Widerstand, gerade unter jungen Leuten. Manche sprechen sogar von einer Entdigitalisierung, parallel zur Entglobalisierung. Ist die Digitalisierung am Ende, bevor sie richtig begonnen hat?

Spannendes Thema, dazu gibt es sicherlich unterschiedliche Hypothesen. Aber nein, diese Prognose unterschreibe ich nicht. Wir leben in einer zunehmend digitalen Welt – so wie wir beide uns übrigens in diesem Moment mithilfe eines Videokonferenzprogramms unterhalten können. Vor allem unsere Arbeitswelt wird zwangsläufig digitaler, und es spricht ja nichts dagegen, diesen Prozess mitzugestalten. Im Gegenteil. Je mehr Teilhabe und Eigeninitiative, desto besser. Wichtig ist es, die richtige Balance zwischen on- und offline zu halten.

Nennen Sie abschließend drei Gründe, warum wir uns auf eine bessere und beschleunigte Digitalisierung freuen sollten.

Also erstens begünstigt die Digitalisierung aus meiner Sicht nachhaltiges Wirtschaften. Zweitens eröffnet sie ungewohnte Perspektiven, schafft neue Potenziale und ermöglicht Innovationen. Und drittens macht sie unser Arbeitsleben in der Summe flexibler.

Über die Autorin
Nicole Gaiziunas ist Gründerin und Co-CEO der Online-Education-Plattform XU und Mitinitiatorin der XU Exponential University of Applied Sciences, einer staatlich anerkannten privaten Hochschule in Potsdam.

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2 Für diesen Beitrag haben wir die praktischsten Einsichten aus 2 Zusammenfassungen zum Thema herausgesucht.
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