Vom Suchen und Finden
Manchen Menschen kann man das Paradies auf den Bauch binden – sie sind nicht bereit, es anzuerkennen. Weil Suchen ihre Nummer ist. Weil, selbst wenn sie es fänden, sie es allenfalls für die Vizelösung hielten. Sie haben immer das Gefühl, Entscheidendes zu versäumen: Das wahre Leben findet woanders statt, sie stehen am falschen Bahnhof.
Diese Menschen nehmen sich und ihre „suchende“ Einstellung mit zu jeder neuen Aufgabe. Es ist erstaunlich zu sehen, wie sie von einer Firma zur anderen wechseln, permanent auf der Suche nach der „richtigen“ Arbeitsstelle. Und es ist erstaunlich zu sehen, dass viele Menschen von einem Lebenspartner zum anderen wechseln (der meistens dem vorhergehenden überaus ähnlich ist), um ihn nach einiger Zeit wieder zu verlassen, „weil er doch nicht der Richtige war.“
Suchen ist eine Sehschwäche. Denn das Defizit ist keine Eigenschaft des Betrachteten, sondern des Betrachters.
Er vergisst, dass er selbst das Defizit mitbringt. Die Hopi sagen: „The sky is always perfect.“ Deshalb geht der kleine Bär in den Wald, um Pilze zu finden. Die meisten Menschen aber gehen in den Wald, um Pilze zu suchen.
Wer also glaubt, durch die äußere Veränderung der Lebensumstände etwas zu finden, das er nicht in sich selber trägt, reist von sich selbst weg und verliert sich im Äußeren. Wer außerhalb seiner selbst sucht, wird sogar den tollsten Partner dieser Welt allenfalls für den zweitbesten halten. Oder er wird bald wieder die Umstände beschuldigen, die wiederum nicht so beschaffen sind, dass er sich wohlfühlt.
Auch wenn Sie an Ihren Illusionen gerne festhalten wollen:
Niemand ist dafür da, Sie glücklich zu machen. Kein Chef, keine Regierung, kein Lebenspartner.
Wenn Sie mit Ihrer Arbeits- und Lebenssituation unzufrieden sind, dann haben Sie vergessen, für Ihre Wahl Verantwortung zu übernehmen. Für Sie ist dieses nahe Problem der Brei, um den Sie in der Ferne schleichen. Weil Suchen Ihre Einstellung ist. Nicht Finden. Nach einiger Zeit werden Sie weiterreisen. Aber: „Reisen ist des Narren Paradies“, sagt der amerikanische Unabhängigkeitsdenker Ralph Waldo Emerson. Denn: Wer lang genug sucht, vergisst irgendwann, wonach.
Wann aber wissen wir, wenn wir gefunden haben? Wenn wir begriffen haben, dass Anspruch Ablehnung ist. Wenn das Suchen einfach aufhört. Wenn wir das Begehren des immer und je Besonderen ablegen. Wenn es innerlich ruhig in uns wird.
Außer bei der Wahrheit. Die sollten wir suchen. Die sollte uns stets beunruhigen, nie „in Ruhe lassen“. Denn die Stimme der Wahrheit schweigt. Es sprechen nur ihre Interpreten. Wenn einer von denen sagt, er habe die Wahrheit gefunden, dann sollten wir das Weite – suchen.
Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares
S. Fischer VerlagDen Song dazu danke ich meiner Pessoa-Lektüre. Irgendwo in seinem Buch der Unruhe (das mich seinerzeit regelrecht umgehauen hat) steht etwas von einer Perlenkette.
Song
Songtext
Die Perlenkette
Seit du da bist
Bin ich wo ich bin
Seit du da bist
Regt sich mein Doppelsinn
Seit du da bist
Ist es ruhig in mir
Seit du da bist
Bin ich jetzt und hier
Seit du da bist
Spüre ich Wirklichkeit
Seit du da bist
Denke ich Endlichkeit
Seit du da bist
Weiß ich es fehlte was:
Das mitreißend Fremde
Die Furcht vor dem Ende
Ich hab eine Perlenkette
Aufgefädelt für dich
Die Perlen sind mein Finden
Der Faden mein suchendes Ich
Seit du da bist
Weiß ich was ich will
Seit du da bist
Ist es in mir still
Seit du da bist
Weiß ich es fehlte was:
Dass da nichts fehlte
Was mich beseelte
Ich hab eine Perlenkette
Aufgefädelt für dich
Die Perlen sind mein Finden
Der Faden mein suchendes Ich
Von Reinhard K. Sprenger zum Thema erschienen:
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