Folge 14: Das Problem Multitasking
Mit dem vollen Wäschekorb auf dem Arm steht Nina im Fahrstuhl. Sie denkt an die wichtige Mail, die unfertig in ihrem Entwurfsordner wartet. Eigentlich hätte sie diese schon gestern Abend versenden sollen, doch dann war irgendwas dazwischengekommen. Was? Nina kann sich nicht einmal mehr erinnern. Zurück in der Wohnung – und seit vielen Wochen nun auch schon im Homeoffice – stellt sie die Wäsche in den Flur. Jetzt aber, denkt sie, und öffnet in ihrem E-Mail-Programm den Entwürfe-Ordner. Nach etwa zehn Minuten klingelt das Telefon. Die Nummer verrät: der Handwerker. Da muss sie ran. Wie erwartet, wird es kompliziert, und als sie auflegt, zeigt das Display ihres Handys: 15:26 Uhr. In vier Minuten fängt das Meeting an. „Das lohnt sich jetzt auch nicht mehr“, denkt Nina und loggt sich lieber schon einmal ein. Die E-Mail muss warten.
Ungefähr 40 Minuten später: Nina hat im Meeting einen dringenden Auftrag bekommen. Sie soll bis zum Abend eine Tabelle auswerten. Nach sechs Zeilen merkt sie, dass sie sich irgendwie nicht konzentrieren kann. Vielleicht ist ein wenig Abwechslung hilfreich, und so wechselt sie wieder zu ihrer Mail. Fast fertig, wird sie von einem Anruf ihres Chefs unterbrochen: „Wie weit bist du mit der Tabelle?“ Am Ende des Tages steht die Wäsche immer noch im Flur, die Tabelle hat sie gerade so hinbekommen und die E-Mail wartet unabgeschickt im Ordner „Entwürfe“.
Multitasking – das klingt erst mal effizient. Kleinere Aufgaben lassen sich so abschließen oder Dinge erledigen, die keine konstante Aufmerksamkeit benötigen – wie die Wäsche waschen –, während man an einer größeren Aufgabe sitzt. Warum Dinge nacheinander tun, wenn man in derselben Zeit mehrere Tasks gleichzeitig erledigen könnte?
Doch gerade da liegt ein enormer Denkfehler: Multitasking schadet der Produktivität. Und zwar gewaltig. Das erklären Beate Schneider und Martin Schubert in
Die Multitaskingfalle – und wie man sich daraus befreit
orell füssli Verlag AGSo haben wir zwar das Gefühl, Zeit zu sparen, weil wir ständig beschäftigt sind und in hohem Tempo rotieren. Dass unser Gehirn jedes Mal eine Anlaufzeit von mehreren Minuten braucht, wenn wir die Aufgabe wechseln – und zwar unabhängig davon, wie oft wir multitasken –, bemerken wir nicht. Ebenso wenig ist uns bewusst, dass in der Zeit, in der wir etwa einen Anruf entgegennehmen, wieder neue Aufgaben hinzukommen, die bei dieser Arbeitsweise zusätzlich ins Gewicht fallen.
Ein paar Telefonate oder Unterbrechungen durch das Lesen und Beantworten von E-Mails, und ein halber Tag ist dahin.
Beate Schneider & Martin Schubert
Wir sind also zwangsläufig weniger bei der Sache. Und das führt zu mehr Fehlern. Hier liegt eine weitere Tücke des Multitaskings: Wenn wir eine Aufgabe nur halbherzig erledigt haben, weil uns durch die verminderte Konzentration keine optimalen Lösungen eingefallen sind, registriert das unser Unterbewusstsein. Wir werden nervös und unzufrieden, während unser Unterbewusstsein hintergründig weiter nach einer besseren Lösung sucht. Auf die Nervosität folgt daher ein Gefühl der Überforderung, die schnell in Wut umkippt. Wir verlieren Kreativität und Motivation.
Gerade beim Lesen dieses letzten Punkts muss Nina schlucken. Wie oft hat sie sich nach einem Arbeitstag frustriert gefühlt, als hätte sie nichts wirklich erreicht, obwohl sie sich gefühlt die ganze Zeit angestrengt hatte. Als sie jetzt darüber nachdenkt, wie oft sie kurz auf den Handybildschirm neben sich tippt und die erhaltenen Nachrichten schnell beantwortet, wird ihr vieles klar. Sie nimmt sich vor, ihre Aufgaben ab jetzt strikt in Blöcke einzuteilen und Ablenkungen so gut es geht nicht zuzulassen.
Ninas Welt
Nina ist 28 und Angestellte im Bereich Marktforschung. In ihrem Büroalltag erlebt sie immer wieder Situationen, in denen sie sich denkt: „Ich kann nicht die einzige mit diesem Problem sein.“ Wie gut, dass sie jetzt Zugang zur getAbstract-Bibliothek hat und ihre Lösungsvorschläge Gegenstand unserer neuen monatlichen Arbeitsweltkolumne sind, finden Sie nicht?