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Evolutionär ist der Spinner klar im Vorteil

Warum Menschen Verschwörungstheorien und mystische Geschichten für glaubhafter halten als solide Wissenschaft.

Manchmal habe ich einen Traum. Ich stelle mir vor, in die Zeit vor der Besiedlung durch die Europäer zu den amerikanischen Ureinwohnern zurückzureisen. Und zwar kurz vor einer Sonnenfinsternis. Dann würde ich mich vor sie hinstellen und mit bedrohlicher Stimme rufen: „Ich habe die Macht, die Sonne zu verdunkeln, und wenn das geschieht, werdet ihr alle sterben.“

Und in dem Moment, da die Sonnenfinsternis einsetzt, und alle auf mich zustürmen, um mich zu erschlagen, würde ich ihnen zurufen: „Hey Leute, das war nur ein Scherz! In Wirklichkeit verdunkelt sich der Himmel, weil der Mond aufgrund einer physikalischen Kraft um die Erde kreist, die proportional zu seiner Masse ist und mit dem Quadrat seines Abstandes abnimmt …“ Und dann würden alle plötzlich ihre Waffen aus der Hand legen und in erleichterndes Lachen ausbrechen. „Haha, da haben wir ja gerade nochmal Glück gehabt! Erzähle uns bitte mehr von diesen interessanten physikalischen Phänomenen…“

Natürlich ist das Blödsinn. Vermutlich hätten sie keine Sekunde gezögert, mich zu erschlagen! Schon immer neigten wir Menschen nämlich dazu, mystische Geschichten für glaubhafter zu halten als solide Wissenschaft.

Rationales Denken hat es schwer

Das hat sich nicht großartig geändert. In unsicheren Zeiten wie den heutigen sind die Menschen besonders empfänglich für Fake-News, absurde Erklärungen und Verschwörungstheorien.

Mal wird Bill Gates für die Entwicklung und Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht, mal der KGB. Ein islamischer Kleriker behauptete, dass Corona ein Soldat Allahs sei, um die ungläubigen Chinesen zu vernichten. Ein Kollege von ihm erklärte seiner staunenden Gemeinde gar, dass das Virus von Gott über die Welt gebracht wurde, um Homosexuelle zu bestrafen. Kurze Zeit später erkrankte er selbst daran. Zufall?

Vince Ebert

Selbst der Papst sieht die Pandemie als ein Zeichen, dass wir „die Natur missbrauchen“. Am 27. März 2020 predigte er dazu bei strömendem Regen auf dem menschenleeren Petersplatz. Jetzt sieht er mal, wie es mir bei meinen ersten Open-Air Veranstaltungen ging.

Wir alle sehen uns gerne als rational denkende Wesen, die stets auf der Suche nach der Wahrheit sind. Evolutionsbiologisch gesehen jedoch wurde unser Gehirn überhaupt nicht für Wahrheitsfindung konstruiert. Genaugenommen ist unserem Gehirn die Wahrheit vollkommen wurscht. Es hat sich nicht entwickelt, um herauszufinden, ob die Erde eine Scheibe, eine Kugel oder ein Rotationsellypsoid ist, sondern, um in einer Kleingruppe von 30, 40 Menschen überleben zu können. Und dafür war es vor allem wichtig, zusammenzuhalten.

Der rationale Individualist, der in der Steinzeit sein eigenes Ding gemacht hat, ist im Zweifel vom Säbelzahntiger gefressen worden. Von dem stammen wir nicht ab. Wir stammen von denen ab, die abends in der Höhle am Lagerfeuer saßen und mit großen Augen einem Typen zuhörten, der mit einem Tierschädel auf dem Kopf herumgetanzt ist und dabei abstruse Zauberformeln vorgesungen hat. Heute hat sich das Ganze nur auf Youtube verlagert.

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Evolutionär ist also der Spinner klar im Vorteil. Und trotzdem sind wir in den letzten 300 Jahren wissenschaftlich ziemlich weit vorangekommen. Inzwischen wissen wir, wie alt das Universum ist, warum manche Menschen farbenblind sind oder dass sich Licht mal wie eine Welle und mal wie ein Teilchen verhält. Wir können auf den Mond fliegen, mit einem iPhone über eine Entfernung von 4000 Kilometern kommunizieren, aber gleichzeitig haben wir immense Probleme, ein simples Virus zu bekämpfen. Und es fällt uns schwer, das zu akzeptieren. Warum?

Alles andere als einfach

Die meisten von uns wollen für hochkomplizierte Sachverhalte am liebsten einfache, klare Lösungen: Was muss ich machen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen? Wie kann ich Hautkrebs vermeiden? Wodurch werden Allergien ausgelöst? Unglücklicherweise sind die meisten Antworten darauf uneindeutig. Wissenschaft lebt von der Idee, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt. Das, was heute Standardwissen ist, kann sich morgen schon als unvollständig oder im Extremfall sogar als falsch erweisen. In der Wissenschaft irrt man sich sozusagen nach oben.

Als man zum ersten Mal männliche Samenzellen unter dem Mikroskop gesehen hat, glaubte man noch, es wären Parasiten. Noch vor 150 Jahren waren bayrische Ärzte der Meinung, dass Bahnfahren zu psychischen Erkrankungen führt. Und als vor Kurzem das neue Tarifsystem eingeführt wurde, konnte man es auch beweisen.

Ironischerweise ist das Eingestehen von Unwissen eine der größten Stärken der Wissenschaft. Denn nur dadurch ist Fortschritt möglich. Oder wie Albert Einstein einmal sagte: Wenn wir wüssten, was wir tun, wäre es keine Forschung.

Vince Ebert

Die Methode der Wissenschaft ist aufwändig, langwierig und fehlerbehaftet. Aber sie ist die einzige Möglichkeit, zu fundiertem Wissen zu gelangen. Und auch wenn derzeit eine Menge Verschwörungstheorien durch die Welt geistern, so zeigen Umfragen, dass in Zeiten von Corona eben auch die allgemeine Wertschätzung für Wissenschaft und Forschung in der deutschen Bevölkerung sprunghaft angestiegen ist. Und mal ehrlich: Wer hätte gedacht, dass ein Virologe der Charité-Klinik einmal mehr Twitter-Follower hat als Deutschlands erfolgreichster Comedian Mario Barth?

Corona wirft uns zum ersten Mal seit langer Zeit wieder zurück auf fundamentale, existenzielle Probleme. Für die Wissenschaft könnte das eine große Chance sein. Das zeigt nicht zuletzt die Geschichte: Isaac Newton zum Beispiel kam auf seine besten Ideen im Home Office, und zwar während England von der Pest heimgesucht wurde. Allerdings hatte er währenddessen auch keinen Stress mit der Kinderbetreuung. Wären um ihn herum zehn, zwölf quengelnde Bälger gerannt, die Theorie der Optik wäre wahrscheinlich nie verfasst worden. So ist das halt mit der Wissenschaft: Sie ist schön, macht aber auch verdammt viel Arbeit.


Vince Ebert ist Diplom-Physiker, Wissenschaftskabarettist und Bestsellerautor. Sein Anliegen ist die Vermittlung wissenschaftlicher Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors. Seit 2004 ist er erfolgreich auf deutschsprachigen Bühnen unterwegs, ab Herbst 2020 mit seinem neuen Programm „Make Science Great Again!“ (Tickets & mehr…). Seine Bücher verkauften sich über eine halbe Million Mal und standen monatelang auf den Bestellerlisten. In der ARD moderiert er regelmäßig die Sendung „Wissen vor acht – Werkstatt“.


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