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„Wir verkaufen keine Technik, wir verkaufen einen Sprachlehrer“

Quazel ist ein über App nutzbares Intelligent Tutor System, das mittels KI funktioniert. Gründer Philipp Hadjimina über die Anfänge, das Ist und die Zukunft dieser Art des Lernens.

„Wir verkaufen keine Technik, wir verkaufen einen Sprachlehrer“

Philipp, Quazel ist ein KI-Tutor zum Lernen von Fremdsprachen. Wie kamst du, wie kamt ihr auf die Idee, dieses zu entwickeln?

Philipp Hadjimina: Vor gut zwei Jahren habe ich bei einem Privatlehrerin Griechisch-Unterricht genommen. Und ich habe sehr schnelle Fortschritte gemacht, da alles auf mich zugeschnitten war. Ich konnte im Dialog mit ihm festlegen, was für mich relevant ist. Und die Lehrperson wusste immer, auf welchem Level bzw. Niveau ich zum jeweiligen Zeitpunkt war. Das habe ich als sehr dynamisch und effektiv erlebt. Anders als bei einem Schulbuch, das du von der ersten bis zur letzten Seite durchpaukst. Daraus entstand der Wunsch, dieses Erlebnis einer breiten Masse an Menschen zu ermöglichen. Während ich an meiner Masterarbeit schrieb, habe ich parallel einen Prototypen entwickelt. Das war im Frühjahr 2022. Zudem hatte ich immer schon Lust auf ein Start-up und konnte recht schnell zwei Freunde als Mitstreiter gewinnen. Samuel kenne ich schon aus dem Gymnasium und mit David habe ich zusammen studiert. Und ich bin froh, dass wir uns schon vorher kannten, denn ein Start-up auf die Beine zu stellen braucht viel Vertrauen im Team.

Wie funktioniert so ein intelligentes Tutor-System?

Als wir mit der Entwicklung von Quazel begonnen haben, gab es noch keine intelligenten Tutor-Systeme auf dem Markt. Zumindest nichts, was annähernd gut funktioniert hat. Demnach sind wir bei null gestartet und haben zuerst eine Liste an Konversationen programmiert. Doch uns war immer bewusst, dass das auf Dauer nicht spannend ist. Mit der KI ist nun die Dynamik möglich. Im nächsten Schritt haben wir daher auf einem bestehenden Learning-Management-System, kurz LMS, aufgebaut, das wir seitdem konstant mit neuen Elementen ergänzen. Die wichtigsten Fragen dabei sind: Wie würde eine reale Lehrperson agieren? Wie würde sie kommunizieren? Und die Antworten setzen wir technisch um und integrieren die Elemente in das System.

Take-aways:

  • Ein intelligenter Tutor ist mehr als ein LMS oder ein Text-to-Speech-System, er ist Technik, die sich KI zunutze macht, um individuelles E-Learning zu ermöglichen.
  • Sprache ist die wichtigste Interaktion, deshalb ist es wichtig, dass ITS den verbalen Dialog nutzen.
  • Niemand kann wirklich sagen, ob das mit der Skalierbarkeit der aktuellen Technologien so weitergehen kann oder irgendwann alles ein Ende findet.

Was an Technik steckt noch dahinter?

Wir verkaufen kein LMS und auch kein Text-to-Speech-System. Wir nutzen diese Dinge und ergänzen sie entsprechend, um ein Produkt anzubieten: den intelligenten Tutor. Unsere Arbeit ist vor allem Datenanalyse und Datenextraktion. Diese dienen der Weiterentwicklung von Quazel. Dazu gehören auch Dinge wie das App-Design oder das Anpassen der Lernmethodik. Es geht darum, das Erlebnis Sprache-Lernen weiter auszubauen. Dazu nutzen wir unter anderem auch ein NLP-Element, das wir inhouse entwickelt haben. 

Mit welchen Problemen habt ihr zu kämpfen – und wie habt ihr sie bislang lösen können?

Es ist spannend, zurückzuschauen. Als wir damals angefangen haben, sind wir rudimentär gestartet. Und mit „damals“ meine ich vor weniger als zwei Jahren. Heute würde unsere App mit der Technik, mit der wir mal angefangen haben, nicht einmal mehr funktionieren. Es kommt fast täglich neue Technik auf den Markt. Daher wenden wir viel Zeit auf und es ist nicht einfach, die Wahl zu treffen, welche Technik unsere App, unsere Dienstleistung noch besser machen kann.

Und natürlich ist immer die Frage, was sich technisch in unser System integrieren lässt, und zwar so, dass es zu unseren Ansprüchen passt. Und das ist nicht nur bei einem ITS so.

Es geht immer darum, Bestehendes mit Neuem zu einem ansprechenden und attraktiven Produkt zu vereinen, das auch morgen noch den Menschen unterstützt und seinen Zielen näherbringt.

Du sagtest einmal in einem Gespräch, dass eure größte Herausforderung war, die von euch genutzten, öffentlich zugänglichen Sprachmodelle zu bändigen. Was meinst du damit? 

Es gibt zahlreiche bestehende Modelle, die bereits sehr gut funktionieren. In einem Umfeld, für das sie speziell entwickelt wurden. Sie sollen jedoch final das tun, was wir wollen und was zu Quazel passt. Das meinte ich mit bändigen. Wenn ich einen normalen Code schreibe, sage ich: Wenn das kommt, dann machst du als Maschine oder System das. Also alles sehr statisch oder besser deterministisch. Und genau das ist Quazel nicht. Bei einem guten LMS gibst du zweimal etwas Gleiches ein, erhältst aber immer neue Antworten. Und zwar die, die zu dir, deinen Ansprüchen und deinem Lernlevel passen. Das umzusetzen war am Anfang schwierig. Wie ich sagte, es gab keine Mitbewerber. Es war komplettes Neuland. Mittlerweile stellen wir fest, dass viel von dem, was wir selbst in den letzten rund zwei Jahren entwickelt haben, sich zum Best Practice am Markt mausert. Das ist spannend.

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Menschen nutzen eure Ideen und ihr, wie du sagtest, ebenfalls bestehende Technik. Gibt es heute bereits eine ausreichende Auswahl?

Es gibt bereits viel, sehr viel. Aber das bedeutet nicht, dass alles zu unserem Produkt passt. Fakt aber ist, dass wir als Start-up mit einem Team von fünf Personen viel zu viel Geld und Zeit investieren müssten, um alles selbst zu schreiben und zu programmieren. Und noch einmal: Wir verkaufen keine Technik, sondern wir verkaufen einen Sprachlehrer. Und das ist wesentlich vielfältiger als Narrow-Technologie. Wir entwickeln inhouse das, was Quazel einzigartig und konstant besser macht. Aber wir entwickeln nichts, was andere einkaufen sollen.

Wenn du Einzigartigkeit ansprichst: Mit Quazel muss man nicht schreiben, sondern man kann „frei heraus“ reden. Welchen Effekt zeigt dieser Umstand beim Lernen?

Frage mal jemanden, warum er eine andere Sprache lernen oder verbessern will. Zu 90 Prozent antworten dir die Menschen, dass sie sich in dem Land selbst oder mit anderen Menschen, die diese Sprache sprechen, unterhalten möchten. Bislang gab es Bücher und entsprechende Übungen oder Apps, die sich aufs Schreiben konzentriert haben. Oder man musste Dinge anklicken. Das Reden aber selbst war nicht existent. Und das ist für mich fundamental nicht nachvollziehbar. Das ist, als wenn du Autofahren lernen willst, indem du ein Buch liest.

Für uns ist das gesprochene Wort die wichtigste Interaktion. Unser Ziel ist es also, den Menschen den besten Standard einer Sprachausbildung zu ermöglichen.

Deshalb konzentrieren wir uns auf den verbalen Dialog mit einem „Sprachlehrer“. Und die beste Umsetzung ist individualisiert und zugänglich über eine App.

Wie wichtig ist die „natürliche“ Sprache beim Lernen? KI-Audio fällt ja weiterhin oft durch eine künstliche, synthetische Stimme auf – und sorgt so für sinkendes Lern-Engagement.

Ich würde das gerne in zwei Dinge unterscheiden. Zuerst einmal: Wie natürlich muss KI rüberkommen? Hier lautet die Antwort, dass KI heute schon sehr menschlich sein sollte, damit sie auch genutzt wird. Das ist daher ein Kernthema bei uns. Wir schauen jeden Tag, wie wir das verbessern können. Und wenn wir von menschlich reden, sind wir auch wieder bei der Personalisierung. Es ist wichtig, dass die KI mit dir über Dinge spricht, die dich interessieren. Also auf deine Wünsche eingeht. Und die andere Frage, die ich mir selbst persönlich sehr oft stelle, ist: Wie wichtig ist es, dass der Sprachlehrer ein echter Mensch ist?

Das klingt spannend …

Und darauf haben wir noch keine wirklich fundierte Meinung gefunden. Dennoch haben wir beschlossen, komplementär zu unserer App ein Online-Tandem anzubieten. Sprich: Nutzer unserer App loggen sich in einen Zoom-Call ein und können sich dort – in der entsprechenden Sprache – mit anderen Nutzern austauschen. Was ich sagen kann, ist, dass wir in zwei, vielleicht auch einem Jahr von der fachlichen Bildungsperspektive her genauso gut sein werden wie ein Fachlehrer. Betonung auf „fachlich“ und „Bildungsperspektive“.

Stichwort Zukunft: Was wird KI in deinen Augen in zehn Jahren können, werden ITS das Lehrpersonal an der ETH ersetzen?  

Es gibt diese These, dass man Technologie in „Short Term“ überschätzt und in „Long Term“ unterschätzt. Und ja, Universitäten wird es immer noch geben, denn es dauert ewig, bis sich da Veränderungen umsetzen lassen. (lacht)

Die Frage ist in meinen Augen vielmehr, ob die Bewegung, die wir jetzt erleben, so weitergehen kann. Oder ob das Skalieren irgendwann einen Peak erreicht. Vielleicht ist mit ChatGPT10 alles fertig.

Ich habe kürzlich von Sam Altman gehört, dass das Long-Term-Ziel ist, dass KI Antworten auf alle Probleme der Welt geben wird. Aber ob das in zehn Jahren erreicht ist, kann ich genauso wenig sagen wie, was das gesellschaftlich mit uns machen wird. Das ist eine große Findungsphase.

Ihr sprecht neben dem Einzelnutzer konkret Unternehmen an, eure App zu nutzen. Welche Vorteile haben diese durch Quazel? In welchen Kontexten soll die App eingesetzt werden? Welche Rolle werden sie in deinen Augen im beruflichen Kontext einnehmen?  

Sprachschulen können sie zum Beispiel komplementär nutzen. Auf der einen Seite als Ergänzung für die Lernenden, auf der anderen aber steht dem Lehrpersonal damit ein Tool zur Verfügung, mit dem sie sich persönlich weiterbilden können. Geht es um Unternehmen aus anderen Bereichen, ist es so, dass gewisse Dinge wie Übersetzungssysteme Konversation heute schon möglich machen. Gerade im beruflichen Kontext ist es jedoch wichtig, die Sprache der Kollegen sehr gut zu sprechen. Nur dann lässt sich effektiv zusammenarbeiten. Und auch wie Kommunikation in einem Unternehmen passiert hängt viel vom gegenseitigen Verständnis ab. Da kann ein einzelnes Wort den Unterschied machen.

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Was kann Quazel noch nicht bzw. woran arbeitet ihr gerade im Hinblick auf die Weiterentwicklung?

Technologien sind nie fertig. Daher erweitern wir konstant unser Team und suchen nach neuem Know-how. Wir entdecken Neues, wollen immer besser werden. Es sind noch viele Innovationen möglich. Wir machen schon viel, aber es kommen auch immer neue Dinge dazu. Was genau wir tun, kann ich natürlich hinsichtlich Wettbewerb nicht sagen. Wir wollen natürlich unsere Pionierrolle in manchen Bereichen auch nicht wieder abgeben oder teilen.

Verständlich. Daher eine letzte Frage: Was würdest du als Unternehmer denjenigen raten, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, KI in ihre Lernanwendungen zu integrieren?

Baue nie etwas, was die Welt jetzt braucht, sondern etwas, was sie zukünftig braucht. Wer jetzt erfolgreich sein möchte, der muss lernen, wohin die Reise geht. Was morgen wichtig und relevant ist. Oder das Morgen mitzubestimmen. Und sich dann dort zu positionieren, diese Nische zu besetzen. Die Bewegung im Markt ist zu schnell, als dass man im Jetzt denken kann. Wir haben angefangen mit einer Liste von Konversationen. Heute sind wir an einem intelligenten Tutor dran und morgen? Wir werden es sehen. Arbeiten aber schon jetzt daran.

Über den Gesprächspartner:
Philipp Hadjimina hat gemeinsam mit seinen Freunden David Niederberger und Samuel Bissegger die Sprach-Lern-App Quazel entwickelt. Das ITS ermöglicht es, durch Gespräche mit einer künstlichen Intelligenz (KI) Fremdsprachen zu lernen.

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