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Sind Frauen bessere Führungskräfte?

Eine schwierige Frage, die nach einer noch schwierigeren Antwort verlangt.

Reinhard K. Sprenger, zvg

Im März dieses Jahres sah ich das Fußballspiel Deutschland – Peru. Ein Fußballspiel der Männer. Der Schiedsrichter war Maria Sole Caputi – eine Frau. Gibt es einen rationalen Grund, eine Frau als Schiedsrichter für Männermannschaften einzusetzen? Man wollte wohl zeigen, dass die Unterscheidung Mann/Frau in diesem Kontext keinen Unterschied macht.

Nun stellen Sie sich vor, bei der deutschen Mannschaft wäre eine Frau als Mittelstürmer aufgelaufen. Die meisten Zuschauer hätten diese Geschlechtermischung wohl abgelehnt. Weil es offensichtlich einen rationalen Grund gibt, Frauen nicht in einer Männermannschaft spielen zu lassen. Es gibt also Lebensbereiche, in der die Unterscheidung Mann/Frau keine Rolle spielt. Und es gibt Lebensbereiche, wo das sehr wohl der Fall ist.

Zu welchem Bereich gehört das Führungspotenzial?

Erstens: Individuen sind ungleich

Menschen sind in ihrer Funktion als Führungskraft im Unternehmen zunächst „Individuen“. Das ist das primäre Kriterium. Als Individuen sind sie per definitionem ungleich. Über das Besondere der Ungleichheit ist dann noch nichts ausgesagt.

Zweitens: Verengung zur Gruppengleichheit

Wenn man nun nicht mehr Individuen unterscheidet, sondern zwischen „Mann/Frau“, führt man ein sekundäres Kriterium ein. Die Ungleichheit wird dann zu einer Gruppengleichheit verengt. Wir sehen dann nicht mehr Einzelne in ihrer Besonderheit, sondern Kollektive in ihrer Allgemeinheit. Dazu die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn, die gerade in Paris ihre Werke ausstellt: „Mein Frausein ist mein öffentlicher Teil.“ Wer diesen „öffentlichen Teil“ zum erstrangigen Selektionskriterium für Führung machen will, muss das rechtfertigen. Er muss rechtfertigen, dass zum Beispiel Frauen in der Führung verstärkt eine Rolle spielen sollten.

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Zusammenfassung (Buch)

Wir brauchen Frauen, die sich trauen

Wirkkraft statt Macht: Wie weibliche Stärken Unternehmen helfen, zukunftsfähig zu werden.

Manuela Rousseau Ariston Verlag
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Drittens: Qualität und Quantität

Dadurch kommt eine weitere Leitunterscheidung ins Spiel: „Quantität/Qualität“. Bei der Quantität geht es heute vorrangig ums Frauenzählen. Man zielt auf Gleichstellung, auf eine Ergebnisgleichheit, zumindest auf verstärkte Repräsentation. Die Quantität gehört in die Sozialpolitik. Im System einer freien Wirtschaft hat Quantität nichts zu suchen. Man muss also andere gute Gründe haben, will man Frauen in Führungspositionen bevorzugen. Dann sprechen wir über Qualität. Das ist der Einsatzpunkt der Wissenschaft.

Viertens: kurzer Exkurs

Deshalb ein Abschweif für jene, die schnell „Follow the science!“ rufen. Grundsätzlich: Vorsicht! Es gibt nicht „die“ Wissenschaft. Es gibt keine Studie ohne Gegenstudie. Und nur weil uns ein Ergebnis gefällt, muss es nicht richtig sein. Gefragt werden muss: Wie unabhängig sind die Forscher? Wie sind die Daten erhoben worden? Wie repräsentativ ist die Menge der Daten? Wie belastbar ist die Qualität der Daten? Welchem Wirklichkeitsparadigma ist die Forschung verpflichtet?

Der Großteil der verfügbaren Forschung basiert auf dem eigenschaftstheoretisch-freudianischen Paradigma. Sie denkt von der Führungskraft her. Sie versucht, Geschlechtsstereotype von Frauen und Männern zu isolieren.

Nun, gibt sie uns Hinweise auf Eigenschaften von Frauen, die eine verstärkte Förderung als Führungskräfte rechtfertigen? Etwa kulturelle Prägungen durch geschlechtsspezifische Sozialisation? Oder hormoneller Art? Anders gefragt: Gibt es eigenschaftstheoretische Argumente für Führungspotenzial?

Nennen wir einige Beispiele. Manche Forschungen (keineswegs alle!) bescheinigen Frauen im Vergleich zu Männern grundsätzlich eine größere Empathiebegabung, sozial-fürsorgliche Neigung, Teamfähigkeit. Aber selbst wenn die Forschungen wirklichkeitsnah wären: Sind diese Eigenschaften grundsätzlich für Führung „gut“? Wird dadurch Führungserfolg wahrscheinlicher? Nein, denn wie alle Eigenschaften ist auch Empathie ambivalent. Empathie kann Konflikte vermeiden. Sie kann aber auch lähmen: Wer zu einfühlsam ist, handelt nicht.

Grundsätzlich gilt: Es gibt keine Stärke, die nicht gleichzeitig eine Schwäche wäre. Und umgekehrt. Ob es eher das eine oder das andere ist, hängt ab von der Situation. 

Man will auch nachgewiesen haben, dass Frauen „wettbewerbsavers“ seien. Wenn es so ist, dann liegt es auf der Hand, dass das weder gut noch schlecht ist. Für Zusammenarbeit kann es Vorteile haben. Für die Marktdynamik am Point of Sale kann es nachteilig sein. Es kommt auf den Kontext an.

Eine Meta-Studie von 2014 zu diesem Thema, die die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Wahrnehmung der Führungseffektivität in 99 unabhängigen Stichproben aus 95 Studien der letzten 50 Jahre (mit insgesamt über 100 000 Selbst- und Fremdeinschätzungen) quantitativ zusammenfasst, kam zu dem Ergebnis, dass „wenn alle Führungskontexte betrachtet werden, Männer und Frauen sich“ auch „in der wahrgenommenen Führungseffektivität nicht unterscheiden“.

Kurz und gut: Aus wissenschaftssynoptischer Sicht besteht – Stand heute – kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen der Führung und dem wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen. Es ist irrelevant, ob der Geschäftsführer charismatisch, bescheiden, visionär, technokratisch, selbstsicher, zurückhaltend, vorbildlich oder authentisch ist. Oder ein Mann oder eine Frau.

Aus der eigenschaftstheoretischen Perspektive können wir also keine generelle Bevorzugung von Frauen gegenüber Männern ableiten. Aber ebenso wenig eine generelle Bevorzugung von Männern gegenüber Frauen. Wir notieren daher: Eine entsprechende Wissenschaft hat zum Thema nichts zu sagen.

Fünftens: die systemische Perspektive

Wenn wir uns von dem eigenschaftstheoretischen Narrativ befreien wollen, müssen wir wechseln zur systemischen Perspektive. Die systemische Sicht spekuliert nicht über intrapsychische Dispositionen oder personenbezogene Eigenschaften. Sie schaut nüchtern auf Wechselwirksamkeiten. Sie schaut auf die Resonanzen, die zwischen Menschen beobachtbar sind. Worauf schon Bert Brecht in seiner Mutter Courage hingewiesen hat: „Situationen sind die Mütter der Menschen.“

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Mutter Courage und ihre Kinder

Brechts Meisterwerk des politischen Dramas: eines der wichtigsten und meistgespielten Theaterstücke des 20. Jahrhunderts.

Bertolt Brecht Suhrkamp Verlag
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Nehmen wir Beispiele aus dem historischen Fundus – Führungskräfte wie etwa: Johanna von Orleans, Rosa Luxemburg, Nelson Mandela, Charles de Gaulle, Martin Luther King, Gandhi, Jesus, Mohammed, John F. Kennedy oder Granit Xhaka. Was verbindet sie, wenn wir alles Unterschiedliche beiseitelassen?

Darauf gibt es nur eine Antwort: Führende haben Folgende. Führende finden Menschen, die ihnen folgen. Freiwillig folgen. Führende erzeugen Sog, nicht Druck. Weil sie etwas zur Lebensqualität der Folgenden beitragen – was immer das sei: Überleben, Arbeit, Weg, Ziel, Sinn, Materielles, Spirituelles. Letztlich geht es um Vertrauen. Vertrauen ist die Basis von Führung.

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Das Ende der Männer

Frauen an die Macht? Die haben sie doch bereits!

Hanna Rosin Berlin Verlag
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Wenn einer Führungskraft nicht vertraut wird, hat sie keine Existenzberechtigung. Eine Führungskraft, die wirklich wirksam sein will, ist mithin von der Zustimmung der Geführten abhängig. Das ist ein natürliches Gesetz. Und vertrauensbasierte Zustimmung lässt sich nicht erzwingen, weder als Mann noch als Frau.

Führungserfolg ist demnach nicht von der Führungskraft aus zu denken, sondern von den Geführten.

Es sind die Geführten, die einen Menschen zur Führungskraft machen. Das war schon bei der Gruppenbildung der ersten Hominiden so, das ist anthropologisch unwidersprechlich. 

Sechstens: Angriffe auf die Würde

Kommen wir zum Schluss zu der tragischen, weil unerkannten Paradoxie des Themas. Denn was schwächt die Möglichkeit, dass einer Frau Führungspotenzial in gleicher Weise zuerkannt wird wie einem Mann? Eben: die Dominanz der eigenschaftstheoretischen Perspektive. Zum Beispiel die Dauerbetonung weiblicher Stärke und Vorzüge. Bei Frauen hält man es offenbar für nötig, ihre Stärke zu betonen – so, als seien sie eine seltene hybride Pflanze. Traut man den Fähigkeiten der Frauen etwa nicht? Bei Männern, die Spitzenpositionen in Wirtschaft, Kultur und Politik einnehmen, betont niemand ihre Stärke.

Ein weiteres Beispiel: das Frauenbild der Frauenförderungspolitik. Frauen würden daran gehindert, Führungspositionen zu übernehmen. Entweder individuell bewusst von Männern oder strukturell unbewusst durch Institutionen. Stichwort: Glasdecke.

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Wie man die gläserne Decke zertrümmert

Sechs Superkräfte, die berufstätige Frauen einsetzen sollten.

Shaz Kahng Talks at Google
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Da ist die Frau das Opfer, die Behinderte, Diskriminierte, die sich nicht selbst zu helfen weiß. Weshalb man sie dauernd „ermutigen“ muss, Karriere zu machen. Oder ihr „geholfen“ werden muss durch Quoten, Lohnpolizei und Arroganztrainings. Man will, dass Frauen Karriere machen – obwohl man sie offenbar als hilfsbedürftige Wesen betrachtet. Ich habe das immer für einen Angriff auf die Würde von Frauen gehalten. Sollten sie aber tatsächlich so schwach sein, wie die Frauenförderer behaupten, hätten sie in der Führung nichts verloren.

Unbeabsichtigte Nebenwirkungen

Lassen Sie mich auf eine unbeabsichtigte Nebenwirkung dieser Fördermaßnahmen aufmerksam machen: Viele junge Männer entwickeln keinen Karrierewillen mehr, weil sie sehen, dass die Aufstiegskanäle verstopft sind durch „gesetzte“ Frauen. Nach einer Epoche der Freiheit fällt man auf das zurück, was spätestens seit dem 19. Jahrhundert als überwunden galt: die mittelalterliche Ständegesellschaft. Das Wichtigste ist nun nicht mehr, was jemand leistet, sondern was einem angeboren ist.

Ein junger Manager formulierte das so: „Warum soll ich mich anstrengen, wenn ich ohnehin nur zum Zuge komme, wenn sich partout keine Frau finden lässt?“ Diese strukturelle Diskriminierung, die ich dieses Jahr bereits ausführlicher kommentiert habe, erzeugt einen gravierenden Verlust an Systemvertrauen. Einen Verlust an Bindung und Commitment, da die Organisationen offenbar keinen Rahmen mehr bieten, auf den es sich dauerhaft einzulassen lohnt. Müssen wir uns wundern, wenn Quiet Quitting, Teilzeitarbeit und Viertagewoche ins Kraut schießen?

Öffnen wir zum Schluss die Linse: Merkmalsbasierte Identitäten bedeuten Krieg. Egal, ob das Identitäten als Frau oder Mann, Christ oder Jude, Russe oder Ukrainer sind. Die einzige Möglichkeit, diese Antinomien aufzulösen, besteht darin, auf einem Universalismus gleicher Individuen zu beharren. Nicht auf einer merkmalsbasierten Identität. Wir brauchen Menschen, Individuen. Nicht Frauen oder Männer. Und für das Führungspotenzial gilt, was der Fußballer schon immer wusste:

Die Wahrheit liegt auf dem Platz.

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