4. Pfeiler der Vertrauenskultur
In meinen Anfangsjahren als Unternehmer hatte ich einen Early Stage Investor, von dem ich wusste, dass er mich herausfordern würde. Seine Investitionen waren enorm wichtig und ich informierte ihn immer umfassend, um die nötigen Lektionen von ihm zu lernen, mich aber auch zu beweisen. Es kam, wie ich dachte, nur viel schlimmer: Er hat mich in jedem Meeting zur Schnecke gemacht.
Nichts war ihm gut genug, immer hatte er etwas auszusetzen, stets forderte er mich zum Sparen auf. Als ich einen Dienstwagen wollte, hat er mich vor allen anderen ausgelacht. Irgendwann wollte er sogar, dass ich 50 Prozent meiner Leute entlasse. Ich protestierte, restrukturierte, schluckte Kröten. In den ganzen sechs Jahren, die ich auf sein Kapital angewiesen war, hatten wir nie ein gutes Gespräch im landläufigen Sinne.
Es kam der Moment, da ich ihm alle Aktien abkaufte, mich von ihm verabschiedete und auf eine eigenartige Weise hoffte, ihn nie wiederzusehen, aber doch seinen Respekt erarbeitet zu haben.
Zwei Jahre später, wir hatten nie wieder etwas voneinander gehört, erhielt ich eine Einladung zu ihm nach Hause. Abendessen, ganz formell mit Begleitung. Das interessierte mich, aber ich hatte keine großen Erwartungen. Als ich an dem Abend mit meiner Frau durch seine Wohnungstür trat, saßen am langen Tisch sämtliche C-Level-Größen der Schweiz mit ihren Ehefrauen. Die noch größere Überraschung allerdings folgte erst. Er stellte mich diesen Wirtschaftsführern nämlich mit den Worten vor: „Das ist Thomas. Er ist einer, der sich immer an alles gehalten hat, was er sagte und wofür er mit seinen Werten einstand – was sicher nicht immer einfach war. Er hat mein Vertrauen und meinen höchsten Respekt als Unternehmer.“
An diesem Abend sind für getAbstract und mich viele Türen aufgegangen, die vorher verschlossen schienen. Hätte ich ihm in den harten Anfangszeiten Zahlen verheimlicht, geschönten Blödsinn präsentiert, ihn hintergangen oder zu manipulieren versucht, wäre das nicht möglich gewesen.
Was ich damit sagen will: Vertrauen will auch erarbeitet werden. Es geht dabei nicht darum, Härten vertraulich ab- oder auszubügeln, nett zu sein. Es geht oft darum, standfest zu sein, indem man Werte vertritt, die auch einmal unpopulär oder schwierig sind. Es geht darum, transparent klarzumachen, wo man steht und warum. Das ist nicht immer einfach, wie der Investor richtig anmerkte. Aber es zahlt sich meistens aus, und zwar nicht nur in Form eines Dienstwagens.
Drei Regeln:
- Finden Sie heraus, was Ihre menschlichen und unternehmerischen Werte sind, und handeln Sie danach. Immer.
- Kommunizieren Sie offen, klar, aber freundlich. Und rezipieren Sie Feedback ebenso.
- Kehren Sie Unliebsames nicht unter den Tisch. Auch nicht, wenn Schweizer CEOs drum herumsitzen und aufs Essen warten.
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