Den Arbeitsalltag selbst gestalten
Eine zentrale Frage in unseren Workshops ist die, was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den letzten Monaten selbstbestimmt in ihrer Arbeitsorganisation oder Zusammenarbeit verändert haben. Und das ist offenbar keine leichte Frage. Derzeit hat die Antwort immer mit der Veränderung durch Corona zu tun. Wir bekommen erzählt, welche Anpassungen durch die Pandemie angeordnet und dann umgesetzt wurden. Doch diese Antwort passt nicht zur Frage. Wir fragen ja nach selbstbestimmten Änderungen und nicht nach auferlegten. Menschen machen offensichtlich innerhalb ihres Arbeitsalltags keinen Unterschied zwischen extern angeordneten und von ihnen eigenständig innitierten Veränderungen – das verwundert mich sehr.
Es zeigt sich immer wieder und auch in unseren Workshops, dass die meisten Menschen aufoktroyierte Veränderungen als anstrengend und ermüdend empfinden. Sicher gibt es Dinge, die unausweichlich sind. Denn wer findet die derzeitigen Video-Meeting-Marathons nicht ermüdend? Und wer leidet nicht durch die soziale Distanz, die Tür-und-Angel-Gespräche, gemeinsame Mittagessen und das zufällige Treffen in der Kaffeeküche unmöglich machen? An Veränderungen wie diesen lässt sich derzeit wenig ändern. Auf der anderen Seite aber kommt es mir so vor, als würden wir Menschen häufig – insbesondere in Arbeitszusammenhängen – Anordnungen einfach folgen, auch wenn wir darüber schimpfen und sie ermüdend finden. Sie innerhalb des Möglichen selbst zu gestalten, kommt dabei sehr wenigen in den Sinn. Ich habe keine wissenschaftlichen Beweise dafür, aber mir erscheint es logisch, dass selbstbestimmte Veränderungen zu mehr Zufriedenheit und dem Gefühl der Selbstwirksamkeit führen, wohingegen fremdbestimme Änderungen Ermüdung und Widerstand auf den Plan rufen. Also: Warum sind erstere so selten zu finden?
Neulich hatte ich eine interessante Diskussion mit einem Mitglied eines Teams, das wir derzeit begleiten. Die engagierte Frau wollte sich dafür einsetzen, dass sich ihre Kolleginnen und Kollegen auch untereinander Feedback geben, statt lediglich auf das Feedback der Chefin zu setzen. Wir sprachen darüber, wie sie die Kolleg*innen überzeugen könne mitzumachen. Ich empfahl ihr verschiedene Strategien. Nach ein paar Minuten antwortete sie: „Also wieso soll ich mir hier eigentlich so den Kopf zerbrechen? Die müssen das doch auch wollen. Warum muss ich mir jetzt überlegen, wie ich die anderen überzeuge?“ Ein interessanter Einwand, wie ich fand. Wir änderten also den Fokus und sprachen nun darüber, was sie selbst davon haben könnte, wenn sie die anderen von ihrer Idee überzeugen würde. Wir kamen auf Folgendes:
- Sie lernt, andere von eigenen Ideen zu überzeugen, so dass ihre Meinung ein starkes Gewicht in der Gruppe hat.
- Sie kann diese Fähigkeit überall mit hinnehmen – privat, in den Sportverein, in den nächsten Job…
- Sie lernt etwas Neues, was sie interessiert.
- Sie macht die Einführung ihrer Idee wahrscheinlicher und vergrößert damit potenziell ihre Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit.
Durch unsere Diskussion wurde ihr klar, welche Vorteile sie davon habe, wenn sie den Vorschlag einbringen würde. Nun war sie viel motivierter, über Einführungsstrategien zu sprechen.
Das beschriebene Phänomen begegnet mir häufig: Eine Situation in einer Gruppe ließe sich verbessern, es gibt aber in der Gruppe niemanden, der sich dafür verantwortlich fühlt. Oder noch besser: Jemanden, der in dem Aufwand für die Einführung einen eigenen Nutzen erkennt. Dabei ist jetzt die allerbeste Zeit, um in dem ganzen Haufen von angeordneten neuen Regeln und Verhaltensweisen nach Dingen Ausschau zu halten, die man selbst oder als Team anders und besser machen kann. Es gibt immer Dinge, die anders gehen. Besonders kreativ fand ich folgende Ideen, dir mir entweder live berichtet wurden, die wir selbst im Team umsetzen oder von denen ich gehört habe. Es gibt natürlich noch viele weitere Ideen, die einem in den Sinn kommen, wenn man sie lässt. Gestalten Sie Ihr Arbeitsleben neu und machen Sie es schöner. Los geht’s!
#retrospektive
- Zweimal in der Woche verschickt jeder ein Lob an eine Kollegin und einen Kollegen (z.B. mit Kudobox).
- Einmal im Monat kommt man zusammen und spricht über die Zusammenarbeit: Was klappt gut, was klappt nicht so gut und was könnte man ausprobieren? Siehe auch Workhacks.
- Meetings starten immer zu ungeraden Zeiten, damit Platz zwischen den Terminen bleibt.
- Jedes Meeting startet mit einem Checkin, damit die Stimmung von jedem kurz eingefangen wird (z.B. mit Tscheck).
- Das Team macht ein Daily, das zur Hälfte aus einem ganz normalen Daily besteht und die nächsten 15 Minuten sind einfach zum „quatschen“ da – gänzlich ohne Agenda.
„Hey, Lydia!„
Das bin ich. Meine Passion ist das „Hacking“: mit kleinen Tricks und Kniffen eine möglichst große Wirkung erzeugen. Und in dieser Kolumne gebe ich einmal im Monat Auskunft über die neusten Zugänge meiner Workhacks-Bibliothek. Feedbacks zur Nützlichkeit gern unmittelbar an: ls@workhacks.de