Produktentwicklung – Methoden und ihr Zusammenspiel
Eine gute Strategie ist per se erst einmal ein guter Anfang, wenn es darum geht, ein neues Produkt oder eine Dienstleistung zu entwickeln. Schwierig wird es, wenn die Beteiligten sich dabei nicht auf eine einheitliche Strategie einigen können und quasi jeder sein eigenes Süppchen kocht. Doch genau das ist in vielen Unternehmen an der Tagesordnung: Ingenieure vertrauen auf die agile Produktentwicklung. Die Produktmanager setzen jedoch auf die Lean Start-up-Methode. Und die Designer verfolgen klar die Strategie des Design Thinking. Missverständnisse und nicht ineinandergreifende Produktionsprozesse sind die Folge.
Agilität – darum geht es
Bei der agilen Produktentwicklung geht es darum, möglichst schnell auf sich verändernde Umstände zu reagieren, die bei der Entstehung von neuen (digitalen) Produkten heute zum Alltag gehören. Hierbei versucht man möglichst schnell eine passende Antwort auf Konkurrenz, variable Märkte und konstante Veränderungen zu liefern. Beim agilen Ansatz wird mit deshalb kurzen Arbeitszyklen gearbeitet, den sogenannten „Sprints“.
Danach folgt eine Pause, die zur Bewertung der geleisteten Arbeit dient. Können die Teams an ihrem Weg festhalten? Oder braucht es eventuell Korrekturen? Oder sogar einen kompletten Abbruch und Neustart? Sprint und Bewertung wechseln sich dabei ab – so lange, bis das Produkt in sich stimmig ist und vor allem Kundenwünschen gerecht wird.
Um den Prozess des Lean Start-up (s. unten) effektiv und effizient zu machen, wurde zudem sogenannte DevOps eingeführt. Damit soll die Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Entwicklung (Development) und Systemadministration (Operation) optimiert werden – sprich: zwischen Theorie und Praxis. Denn agil funktioniert eben nur, wenn diese beiden Segmente gleiche (Qualitäts)Standards bei der täglichen Arbeit verfolgen.
Nachteil der agilen Produktentwicklung: Sie lässt sich nur schwer im großen Maßstab umsetzen. So besteht zwar mit dem Scaled Agile Framework ein Tool, mit dem sich die Methode skalieren lässt, doch werden dabei wesentliche Unternehmensbereiche wie das Produktmanagement sowie das Marketing und Design nicht integriert.
Lean Start-up – darum geht es
Beim Lean Start-up steckt der Grundgedanke bereits im Namen. Jedes neue Projekt/Produkt wird quasi als potenzielles Geschäftsmodell gesehen. Die Produktmanager schauen, ob die Idee von den Kunden wirklich angenommen wird. Der Kunde als Adressat steht im Fokus aller Überlegungen. Auch hier wird mit kurzen Zyklen gearbeitet – Experimentieren und Bewerten. Im Gegensatz zu den Ingenieuren fragen sich die Produktmanager jedoch nicht, ob das Produkt gebaut werden kann, sie fragen, ob es gebaut werden soll.
Beim Lean Start-up werden sogenannte Minimum Viable Products entwickelt, Prototypen, die den Kunden zur Verfügung gestellt werden. Ihr Feedback wird dann genutzt, um das Produkt zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um das Produkt als solches. Ebenfalls erhalten Unternehmen so notwendige Antworten auf Fragen der Preisgestaltung, Absatzwege und des Designs. Dahinter steht die vom Autohersteller Toyota entwickelte Lean-Methode, also der schlanke Produktionsprozess, der eine konstante Weiterentwicklung eines Produkts möglich macht.
Nachteil von Lean Start-up: Nur selten geben Unternehmen ihren Managern wirklich den Raum zum Experimentieren und Ausprobieren. Der Grund dafür: „Ressourcenverschwendung“ ist unerwünscht, es muss geliefert werden.
Design Thinking – darum geht es
Auch beim Design Thinking steht der Kunde im Mittelpunkt, jedoch meistens eher auf theoretischer Basis. Aufgrund von Big Data werden Kunden in Personas eingeteilt. Diesen gilt es, das optimale Produkt bereitzustellen. Die Designer fragen sich dabei: Lösen wir ein echtes Problem für einen echten Kunden auf sinnvolle Art und Weise? Sobald man hier zu einem Konsens gekommen ist, wird dieser auf seine geschäftliche und technische Umsetzbarkeit geprüft.
Der Vorgang des Design Thinking teilt sich in die folgenden Schritte ein:
- Verstehen: Welches Problem hat der Kunde und wie sind die Rahmenbedingungen? Jedes Teammitglied braucht hier das gleiche Verständnis bzw. den gleichen Kenntnisstand.
- Beobachten: Auseinandersetzung mit dem Kunden. Wie löst er derzeit sein Problem? Wo sieht er Verbesserungsmöglichkeiten bei der bestehenden Lösung?
- Standpunkt definieren: Definition des Kunden und des konzeptionellen Rahmens. Wer ist der präferierte Kunde und was ist sein Problem? Definition der Persona.
- Ideen entwickeln: Zunächst sammeln die Teams Ideen oder eben mögliche Lösungsansätze. Dann werden diese bewertet und anschließend priorisiert.
- Prototyping: Entwicklung eines zweckmäßigen Prototypens.
- Testen: Dem Kunden den Prototypen zur Verfügung stellen und Feedback einholen.
Nachteil des Design Thinking: Herrscht in den ersten Brainstormings Ideenlosigkeit, findet oftmals kein zweites mehr statt.
Lean vs. Agile vs. Design Thinking
Sense & Respond PressUnd nun? Profitieren Sie von allen Methoden!
Alle drei Methoden arbeiten bis zu einem gewissen Grad nach ähnlichen Prinzipien. Im Detail aber unterscheiden sie sich grundlegend. Damit dennoch niemand auf der Strecke bleibt und Sie als Unternehmen am Ende dem Kunden das optimale Produkt zum besten Preis über den idealen Vertriebsweg bereitstellen können, ist eine Zusammenarbeit zwischen allen Unternehmensbereichen mit konstantem Informationsfluss und unter Abgleich der eingeschlagenen Wege unabdingbar. Damit das aber möglich ist, muss zunächst für alle klar sein, dass jede Bemühung nur dem Zweck dient, Kundenbedürfnisse zufriedenstellend zu erfüllen. Und dafür gibt es in der Regel nicht die eine richtige Methode.
Daher sollten Sie stets schauen, welche Teilbereiche einer Methode in Ihrem Unternehmen gut funktionieren und vor allem zu umsatzstarken Produkten führen. Besteht ein technisches Risiko mit Blick auf die Neuentwicklung, kann der agile „Spike“-Ansatz helfen. Wollen Sie wissen, ob das Nutzerversprechen stark ist, versuchen Sie es mit dem A/B-Test, wie ihn die Lean Start-up-Methode empfiehlt. Und auf die Frage, ob das Produkt das Kundenbedürfnis erfüllt, liefert die „kontextbezogene Vor-Ort-Besichtigung“ des Design Thinking eine Antwort.
Fazit
- Identifizieren Sie Systeme, die in Ihrem Unternehmen, in Ihrer Organisation nicht nur gut funktionieren, sondern sich auch skalieren lassen.
- Schaffen Sie einen gesunden Mix aus agilen, schlanken und Design-Thinking-Praktiken.
- Und bleiben Sie offen gegenüber anderen Methoden oder erfinden Sie die, die am besten zu Ihrem Unternehmen passt einfach selbst.
- Wichtig ist es, dass die jeweiligen Manager ihre Teams begleiten und Produktentwicklung nicht im stillen Kämmerlein der jeweiligen Abteilung platziert wird.
- Sorgen Sie für multidisziplinäre Teams, bei dem Ingenieure, Produktmanager und Designer gemeinsam planen.
So werden Sie von allem das Beste in den Arbeitsprozess einfließen lassen können.