Folge 4: Liebe im Büro
Wieder ist es mitten in der Nacht und Nina schläft nicht. Nein, sie ist hellwach. Aber anders als an anderen Tagen, ist es ihr egal. Sie grinst breit ins Dunkel und liest sich innerlich dieselbe Zeile immer und immer wieder vor:
wir können uns auch gerne mal auf einen kaffee treffen…
Genau mit diesen Worten hatte Johannes sie zum ersten Mal tatsächlich um eine Verabredung gebeten. Sie kannte ihn natürlich schon vom Büro. Da war er zwar immer nett, aber viel mit ihm zu reden, das hat sie sich nie getraut. Dann kam das Home Office, und damit die Möglichkeit, berufliche Anliegen über Chat zu klären. Nach und nach wurden die beruflichen Themen in den Chats jedoch immer belangloser, eher Mittel zum Zweck. Nina hatte sich sogar bei dem Wunsch ertappt, Johannes zu fragen, ob “die eine Mail” zum Ersatz für den geplanten Firmenausflug schon gekommen sei – statt einfach selbst danach zu sehen.
Dann kehrten viele wieder ins Büro zurück. Erst fürchtete Nina, dass das mit Johannes auch künftig im Chatroom bleiben würde. Umso glücklicher war sie, als ein richtiges Treffen plötzlich in greifbare Nähe gerückt war. Glücklich – und in der nächsten Sekunde nahezu panisch. Was, wenn aus ihr und Johannes tatsächlich mehr wird? Was sollen die Kollegen denken? Was ihr Chef? Sollte sie es verheimlichen? Oder besser: Einfach die Finger davonlassen?
Nina muss also abwägen, wie viel Privates sie in ihr berufliches Leben lassen will. Und damit ist sie im heutigen Arbeitsumfeld nicht allein. Gerade im Home Office bedarf es mehr als nur einer Work-Life-Balance, meinen Saskia Eversloh und Isabel Schürmann, denn hier gehen berufliche und private Aspekte unweigerlich ineinander über – wir erfahren ein “Work-Life-Blending“. Wie man mit den daraus resultierenden Problemen umgeht, beschreiben sie in
Weil Arbeit und Privatleben heute kaum mehr zu trennen sind, überrascht es nicht, dass der Arbeitsplatz der zweithäufigste Ort ist, an dem wir unseren Partner kennenlernen – häufiger als auf Datingportalen. Eversloh und Schürmann betonen, dass private Beziehungen am Arbeitsplatz zwar rechtlich erlaubt sind, aber trotzdem oft Probleme bergen. Will man Professionalität wahren und sich vor bösen Gerüchten schützen, gilt es, dem Chef (und allen Kollegen) zu zeigen, dass die Arbeit nicht unter der Beziehung leidet. Geheimhalten sollte man – gerade ernsthafte Beziehungen – allerdings nicht: Das führt nur zu Spekulationen. Oder einem wird unterstellt, sich mit der Beziehung berufliche Vorteile sichern zu wollen. Besser, man steht offen dazu, trennt aber trotzdem strikt Berufliches und Privates, wo es geht:
E-Mails sollten ‘safe for work’ und der Kopierer einzig und allein Büromaterial bleiben.
Jeder Vierte hat seinen Partner am Arbeitsplatz gefunden, wiederholt Nina. Warum also sollte sie sich etwas verbieten, das schon so oft funktioniert hat? Und so treffen sie und Johannes sich öfter mal auf einen Kaffee zu zweit – meist nach der Arbeitszeit, oder in brav eingehaltenen 15-Minuten-Pausen. Sie haben inzwischen ihre Handynummern ausgetauscht, sodass sie sich unabhängig vom Arbeitschat Nachrichten schicken können. Die beiden arbeiten zwar ohnehin nur selten zusammen, aber wenn sie es doch tun, hält sich Nina stark zurück. Manchmal muss sie sich gar dazu ermahnen, trotz allem ihre Inputs zu geben – wohlwissend, dass Johannes versuchen wird, ihre Meinung so objektiv wie möglich zu betrachten.
Nina schließt die Augen, auch wenn sie nicht wirklich glaubt, dass sie einschlafen kann. Mit dem Treffen zum Kaffee hatte es angefangen. Dabei war beiden schnell klar geworden, dass es auch weitere Treffen geben würde. Nina weiß jetzt zwar, wie sie sich beruflich zu verhalten hat, aber viel ruhiger wird sie dadurch nicht. Obwohl sie still daliegt, kann sie fühlen, wie stark ihr Herz klopft. Morgen sieht sie Johannes wieder – und zum ersten Mal auch seine Wohnung.
Ninas Welt
Nina ist 28 und Angestellte im Bereich Marktforschung. In ihrem Büroalltag erlebt sie immer wieder Situationen, in denen sie sich denkt: «Ich kann nicht die einzige mit diesem Problem sein.» Wie gut, dass sie jetzt Zugang zur getAbstract-Bibliothek hat und ihre Lösungsvorschläge Gegenstand unserer neuen monatlichen Arbeitswelt-Kolumne sind, finden Sie nicht?