Inklusion als Chance

Die Schule soll Kindern die Möglichkeit geben, Vielfalt zu erleben und Toleranz zu üben. Leider sieht es in der Unterrichtspraxis und später im beruflichen Alltag oft anders aus.

Inklusion als Chance
Photo by Cortney White on Unsplash

Diskriminierung hat einen hohen Preis. Dieser schlägt sich nicht nur in menschlichem Leid, sondern auch in nackten Zahlen nieder. Die afroamerikanische Ökonomin Lisa DeNell Cook hat herausgefunden, dass wirtschaftliche Benachteiligung und rassistische Gewalt gegenüber Afroamerikanern zwischen 1870 und 1940 die Innovationskraft der USA nachhaltig bremsten: Insgesamt gingen dem Land etwa so viele Patente verloren, wie im gleichen Zeitraum in den Niederlanden angemeldet wurden.

Ihr Fazit: „Wenn Menschen ihre Ideen nicht frei entwickeln können, dann hemmt das die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt. Und das gilt für alle Volkswirtschaften.“ Übrigens: Von den rund 9000 Wirtschaftsprofessoren in den USA sind 20 Schwarze. Seit kurzem ist Cook eine von ihnen.

Auf dem Weg dorthin musste sie sich gegen enorme Widerstände durchsetzen: Ganze zehn Jahre hat es gedauert, bis sie ihre bahnbrechende Forschung veröffentlichen konnte. Immer wieder mauerten meist männliche Kollegen und hinterfragten ihre Kompetenz. Kein Einzelfall in ihrem Fachgebiet: Frauen und Minderheiten sind in den Wirtschaftswissenschaften nach wie vor unterrepräsentiert. In Getting from Diversity to Inclusion in Economics schreibt Mary C. Daly, dass Visionen und Leitbilder zur Vielfalt das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen – es sei denn, sie werden in aktive Inklusionsmaßnahmen übersetzt. Zum Beispiel mithilfe einer simplen Regel, die Unterbrechungen innerhalb der ersten fünf Minuten eines Vortrags verbietet.

Janet Stovall fordert zu den Themen Vielfalt und Inklusion: Hört auf für Veränderungen zu beten. Verändert lieber die Verhältnisse! Und zwar vor allem in Unternehmen, denn nur diese könnten Rassismus wirksam abbauen. Allerdings darf es dabei nicht bei wohlklingenden Lippenbekenntnissen bleiben. Inklusion muss zur gelebten Unternehmenskultur werden.

Bei diesen Worten muss ich an das vernichtende Urteil meiner Tochter denken. Inklusion in der Schule war für sie immer ein Reizthema: Theoretisch wunderbar, aber in der Praxis frustrierend – die einen langweilen sich bei der x-ten Wiederholung, die anderen stören permanent den Unterricht, und die Lehrer raufen sich die Haare. Beim Thema Bildungsinklusion ist Italien anderen Ländern eigentlich um Längen voraus. Seit 1977 gibt es hier faktisch keine Förderschulen mehr, und 99 Prozent aller Kinder werden bis Ende der Mittelschule in gemischten Klassen unterrichtet. Leider fehlt es an Konzepten und Ressourcen, diese an sich guten Ideen zum Erfolg zu führen.

Natürlich ist die Teilhabe von Kindern mit Lernschwächen oder Behinderungen nicht eins zu eins mit kultureller Vielfalt und Integration von Minderheiten in Unternehmen zu vergleichen. Doch es gibt auffallende Parallelen: In Bildungseinrichtungen wie in der Wirtschaft gelten Vielfalt und Inklusion nach wie vor eher als notwendiges (Quoten-)Übel denn als Quelle für Innovationen und (Persönlichkeits-)Wachstum.

Tatsächlich ist ein echter kultureller Wandel im Unternehmen aber auch und vor allem gut fürs Geschäft, wie Stephen Frost in The Inclusion Imperative ausführt. Und Karin Schreiner beschreibt in Kulturelle Vielfalt richtig managen, wie Sie die Potenziale der Vielfalt nutzen und Herausforderungen als Chance begreifen können.

Unsere Tochter ist jedenfalls der Ansicht, dass Inklusion in der Schule neu erfunden werden sollte. Ich würde dem hinzufügen: Nicht nur in der Schule, sondern auch im Leben insgesamt ist bei dem Thema noch viel Luft nach oben.


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