Deutschlands schwaches Wachstum
Die kürzlich veröffentlichten deutschen Wachstumszahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden dürften viele Beobachter überrascht haben: Mit nur 0,6 Prozent (zum Vergleich: 2017 waren es 2,5 Prozent, 2018 immerhin noch 1,5 Prozent) fiel das Wachstum im Jahr 2019 deutlich schwächer aus als von allen relevanten Wirtschaftsforschungsinstituten prognostiziert.
In einem kurzen, sehr anschaulichen Beitrag erklärt Niklas Záboji in der FAZ, woran das liegt:
„0,6 Prozent Wachstum bedeuten mehr Stagnation denn Aufschwung, solide Binnenkonjunktur hin oder her. Die Gründe führen […] ins Ausland:
Das Wachstum des Welthandels tritt seit einiger Zeit auf der Stelle, die Vielzahl an Handelskonflikten schwächt die Investitionsdynamik deutlich ab.
Zu spüren bekommt das allen voran die außenhandelsorientierte deutsche Industrie.“
Was bedeutet das für 2020? Die Analysten sind sich uneinig: Einige sehen Anzeichen für eine baldige Erholung, andere gehen von einer längeren Periode schwachen Wachstums aus. Einig sind sie sich nur darin, dass ein Unsicherheitsherd (Brexit) zum Jahreswechsel an Bedeutung verloren hat, der US-amerikanische Handelskonflikt mit China das aber mehr als „kompensiert“. Damit wiederum stimmen sie weitgehend überein mit den aktuellen Prognosen des IMF (englischsprachiges Abstract hier) und jenen des Industries in 2019-Reports der Economist Intelligence Unit (englischsprachiges Abstract hier), auch für die Trends über 2019 hinaus.
Warum ist Wachstum relevant?
Selbst jene Wirtschaftswissenschaftler, die Wachstum regelmäßig kritisch hinterfragen, wie zum Beispiel der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger, sind sich mittlerweile weitgehend einig, dass es keine (ernsthaften) Alternativen zum marktwirtschaftlichen System und dem damit eng verbundenen Prinzip gibt, selbst wenn letzteres Nebeneffekte zeitigt, die auf lange – und paradoxerweise: immer längere – Sicht die existenziellen Grundlagen aller untergraben.
In seinem jüngsten Buch Der Wachstumszwang führt Binswanger aus: „Wachstum ist in einer kapitalistischen Wirtschaft zwar eine Notwendigkeit, aber es muss nicht zwingend ein maximales Wachstum sein.“ Im globalen Kontext und unter Berücksichtigung der (subjektiven) Sättigungsgrade vieler entwickelter Volkswirtschaften erscheinen also die neusten Zahlen aus Deutschland weniger alarmierend. So lange aber Volkswirtschaften existieren, die zum einen kompetitiv sind und zum anderen auch auf maximales Wachstum setzen (koste es, was es wolle), bleibt allen anderen Ökonomien wenig mehr übrig als der Versuch, mitzuhalten.
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