Folge 2: Unruhige Nächte
Nina tastet nach ihrem Handy und sieht auf dem grellen Display nach der Zeit: 1:19 Uhr. Sie schlägt das Handy zurück auf den Nachttisch und starrt an die Decke. Frustriert geht sie im Kopf noch einmal durch, weshalb es für sie eigentlich keinen Grund gibt, nervös zu sein: Ihr Chef wurde versetzt. Die Meetings sind nun entspannt. Niemand will ihr etwas Böses und niemand ist gemein zu ihr. Trotzdem: Bei dem Gedanken, dass sie morgen ein Meeting hat, durchströmt Nina eine Welle der Nervosität und rüttelt an dem hart erkämpften bisschen Müdigkeit. Und mit jeder vergangenen Stunde, die Nina an Schlaf so abhanden geht, wird sie wütender und verzweifelter. Schließlich schläft sie, wie jedes Mal, um ungefähr 3 Uhr ein – und verbringt den ganzen nächsten Tag im Delirium.
Was ist es, das Nina so hartnäckig wachhält? Das spielt tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle, erklären Michael Waadt und Jens Acker in ihrem Ratgeber:
Bei den eigenen Gedanken setzt auch die Akzeptanz-und-Commitment-Therapie an, die Waadt und Acker vorstellen. Ein Ansatz, um den ersten Anzeichen eines Burn-Outs entgegenzuwirken – zu denen auch die Schlaflosigkeit gehört. Speziell dafür stellen die Autoren Achtsamkeitsübungen vor, in denen negative Gefühle verdinglicht und akzeptiert werden. Ob es nun Ninas Introvertiertheit ist, die sie wegen der Meetings nervös macht, oder aber die schlechten Erfahrungen der letzten Monate, die noch immer nachhallen: Wichtig ist, dass Nina die schlechten Gefühle bewusst zulässt, sie wahr- und annimmt – sie sogar begrüßt. Denn
Gerade der Versuch, Unglück und Leiden aus dem Leben vollständig herauszuhalten, führt dazu, dass unsere psychischen Probleme größer werden und nicht kleiner.
Waadt / Acker
Damit, dass wir Gefühle wie Angst und Nervosität als gut gemeinten Beitrag unseres Köpers verstehen, nehmen wir eine andere Haltung zu ihnen ein: Sie sind weder Herrscher über uns noch Gegner, die es zu bekämpfen gilt. Kurzum: Sie verlieren ihre Bedrohlichkeit – und halten uns so auch nicht mehr bis in alle Nacht wach.
Nach anfänglichem Zögern beschließt Nina, dass sie sich an einer Achtsamkeitsübung versuchen will. Sie schläft ja so oder so nicht ein, was also kann es schaden. Nach einer halben Stunde im Bett merkt Nina, wie sie unruhig wird. Aber statt sich zwanghaft abzulenken, konzentriert sie sich diesmal auf die Nervosität, die in ihr aufsteigt. Sie dankt ihr, denn ohne sie wäre sie in vielen Stresssituationen aufgeschmissen. Auch der Angst, die bald darauf folgt, dankt sie, denn die will nur, dass sie vorsichtig ist. In Nina steigen Gedanken auf, wie „So liege ich noch Stunden wach“ und „Das wird furchtbar morgen“. Sie stellt sich die Gedanken als geschrieben vor, projiziert sie an die Wand. Sie konzentriert sich darauf, was die Gedanken in ihr auslösen, wie sich ihr Herzschlag beschleunigt und sie zu schwitzen beginnt. Sie beobachtet alles, ohne es zu bewerten. Und mit der Zeit erkennt sie, dass die einzelnen Gedanken zwar kommen – aber auch wieder gehen. Tatsächlich merkt Nina, wie sie ruhiger wird. Zwar schläft sie nicht viel früher ein, aber trotzdem hat sie am nächsten Morgen das Gefühl, die Situation besser unter Kontrolle zu haben. In den nächsten Wochen probiert sie es wieder und wieder – und ist nun schon bei 00:30 Uhr.
Ninas Welt
Nina ist 28 und Angestellte im Bereich Marktforschung. In ihrem Büroalltag erlebt sie immer wieder Situationen, in denen sie sich denkt: «Ich kann nicht die einzige mit diesem Problem sein.» Wie gut, dass sie jetzt Zugang zur getAbstract-Bibliothek hat und ihre Lösungsvorschläge Gegenstand unserer neuen monatlichen Arbeitswelt-Kolumne sind, finden Sie nicht?