Über die Kunst, etwas draus zu machen
Das Schreiben von Buchzusammenfassungen ist nicht jedermanns Sache. Zwar geht es dabei eigentlich „nur“ darum, ein Buch, einen Artikel oder einen anderen komplizierteren Beitrag auf den Punkt zu bringen, aber wenn das immer so einfach wäre, hätten es die Urheber wohl gleich selbst gemacht. In dieser Kolumne gebe ich künftig monatlich Auskunft darüber, wie man das redlich und ansprechend macht – also kürzt, ohne zu verkürzen; und auf welche Probleme man dabei stößt.
Beginnen wir mit einem Buch, das uns Zusammenfasser gleich vor eine der größten Herausforderungen überhaupt stellt, nämlich „Der Minuten-Manager“ von Kenneth Blanchard, Patricia und Drea Zigarmi. Dabei handelt es sich um ein in jeder Hinsicht überschaubares Büchlein von 160 Seiten, die teilweise halb leer sind – oder halb voll, wie man’s nimmt. Die Geschichte ist obendrein sehr leicht verdaulich: Eine stressgeplagte Unternehmerin erzählt, wie die Führungsaufgaben im Berufsalltag ihr über den Kopf wachsen, und der „Minuten-Manager“ erklärt ihr, wie man alles in den Griff kriegt, indem man situativ führt – also „perfekt abgestimmt“ auf jeden Mitarbeiter und dessen jeweilige Aufgabe. Die Quintessenz des Büchleins? Bei verschiedenen Aufgaben ein und desselben Mitarbeiters können ganz unterschiedliche Führungsstile angemessen sein. Lesen, umsetzen, Erfolg haben – das verspricht der Autor.
Und das ist der Stoff, aus dem fast alle Management-Bestseller gestrickt sind. Der „Minuten-Manager“ ist seit Jahrzehnten so einer, und Kenneth Blanchard hat drumherum ein ganzes Imperium aufgebaut – mit Headquarters und einem halben Dutzend Zweigstellen auf der ganzen Welt. Nun also komm‘ ich, will ein Abstract schreiben und frage zuallererst: Was gibt’s denn hier zusammenzufassen? Wo ist denn das Konzept? Ein Abstract soll schließlich nicht die Kurzfassung einer Erzählung sein (und dieses Buch ist im Grunde eine Erzählung), sondern die verständliche Kurzform eines Konzepts liefern.
„Der Minuten-Manager“ hat nun aber weder eine thematische Gliederung, noch Kapitel, die eine solche reflektierten. Das Konzept – wenn man es denn so nennen will – versteckt sich irgendwo in der netten Geschichte und in den Variationen des berühmten, mit Paul Hersey entwickelten „Situative Führung“-Schaubilds. Und das kennt doch ohnehin jeder, der mal ein Management-Lehrbuch aufgeschlagen hat.
All jenen, und das sind bei der Kundschaft von getAbstract nicht wenige, stellt sich also womöglich dieselbe Frage wie mir: Welche Führungskraft will ernsthaft situativ führen? Oder, schlimmer noch: Wer will situativ geführt werden? Stellen Sie sich vor, Sie sind Experte auf einem Gebiet. Dort werden Sie mit Hochachtung behandelt, im nächsten Moment bei der nächsten Tätigkeit aber wie ein Idiot. Wollen Sie das? Und wollen Sie mit Ihren Mitarbeitern so umgehen? Glauben die Autoren wirklich, dass sich ein intelligenter Mensch so etwas gleichmütig bieten lassen und es auch noch produktiv finden würde?
Fragen über Fragen! Und damit sind wir bei einer der größten Herausforderungen beim Verfassen von Buchzusammenfassungen: Schlimmstenfalls muss man in diesem Job auch aus einem vermeintlichen Nichts ein Etwas machen können.
Und nach einigem Überlegen, mit etwas Phantasie und Kreativität, ließ sich sogar aus Blanchards zunächst so profan anmutender Geschichte eine Punkt-für-Punkt-Anleitung zum situativen Führen extrahieren. Einer dieser Punkte lautet destilliert: „Es muss eindeutig erkennbar sein, wann ein Ziel erreicht oder eine Aufgabe erfüllt ist“. Ob mir das mit dem Abstract gelungen ist? Bei mir und den Kollegen von getAbstract ist das erst der Fall, wenn Sie, werte Leserin oder werter Leser, unsere Zusammenfassung tatsächlich nachvollziehen können. Probieren Sie es aus – hier.
Frohe Lektüre und bis zum nächsten Mal!
Ihr
Hagen Rudolph
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