Vom Hallodri zum Superchef
Das neue Führen

Vom Hallodri zum Superchef

Rauschendes Partyleben, eine dramatische Entführung, niederschmetterndes Feedback und Besinnung im Kloster: Bodo Janssen hat viel erlebt. In seinem Buch erzählt er, wie ihn die Launen des Schicksals zu einem bewunderten und beliebten Chef gemacht haben.

Es ist nicht selbstverständlich, dass Bodo Janssen heute zu Deutschlands beliebtesten Sachbuchautoren und Chefs gehört. Immerhin begann der Millionärssohn seine Karriere als Barkeeper, Model und Partylöwe – und wäre 1998 mit nur 24 Jahren beinahe ums Leben gekommen. Der damalige BWL-Student wurde entführt, gefoltert und acht schreckliche Tage lang mit dem Tod bedroht. Mitstudenten wollten seinen schwerreichen Vater Werner Hermann Janssen, Eigentümer der Hotelkette Upstalsboom, erpressen.

Janssen konnte befreit werden, aber ruhig verlief sein Leben nicht lange. 2007 kam der Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Janssen musste unvorbereitet in seine Fußstapfen treten, und stolperte gehörig. Ein „Hallodri“ sei er damals gewesen, sagt er selbst – und ein arroganter, rücksichtsloser Chef. Eine Mitarbeiter-Befragung öffnete ihm die Augen. Dort standen Aussagen drin wie: „Die Führungskräfte bekommen Zucker in den Arsch geblasen, wir bekommen Tritte in den Hintern.“ Janssen war schockiert – und nahm sich erst mal eine Auszeit im Kloster. Dort lernte er Pater Anselm Grün kennen, mit dem er später ein Buch schrieb (Stark in stürmischen Zeiten). Und er lernte jede Menge über sich selbst.

Führender und Geführter

„Ohne sich dessen bewusst zu sein, übernimmt jeder Mensch nicht nur die Rolle des Führenden, sondern ebenso die des Geführten“, schreibt Janssen in seinem neusten Buch. Geläutert und in Meditation geschult, begann er, auf seine Leute zu hören und ihre Bedürfnisse über die eigenen zu stellen. Zum Ziel setzte er sich aber nicht simple Mitarbeiterzufriedenheit, sondern Selbstverantwortung und Resilienz auf allen Hierarchiestufen. Der Entwicklung von Menschen sei die gleiche Bedeutung zuzumessen wie er Entwicklung von Produkten, sagt Janssen. Wer langfristig erfolgreich sein wolle, müsse der Menschlichkeit den Vorrang vor wirtschaftlichen Sachzwängen geben. Das schließt seiner Meinung nach Erfolgsstreben keineswegs aus, bedeutet aber, den Mitarbeitenden mit Respekt und Empathie zu begegnen.

Jeder Mensch führt in sich einen Kampf, von dem wir nichts wissen.Bodo Janssen

Psychologische Sicherheit sieht Janssen als entscheidend an. Das dafür notwendige Vertrauen entsteht nicht durch Worte, sondern durch Handeln. Und die Vertrauensfrage gilt wechselseitig: Engagierte Mitarbeitende fragen sich, wie sie das Vertrauen ihrer Vorgesetzten gewinnen und rechtfertigen können. Führungskräfte wiederum sollten laut Janssen regelmäßig der Frage nachgehen, wie sie das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden gewinnen und pflegen. Für beide Seiten lohnt es sich zu fragen: Wie würden unsere Projekte laufen, wenn alle so arbeiteten wie ich? Die Antwort darauf gibt Hinweise, wie man Vertrauen gewinnen, verlieren oder zurückgewinnen kann.

Fehler sind weder gut noch schlecht

Die von Janssen überwundene „toxische“ Führung ist seiner Meinung nach nicht mal das häufigste Problem, wenn die Chemie zwischen Chefs und Mitarbeitenden nicht passt. Viel häufiger, glaubt er, passen einfach die Aufgaben einer bestimmten Person nicht zu ihren Fähigkeiten, Eigenschaften und Kompetenzen. Janssen sieht hier eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für Verbesserungen. Er legt viel Wert darauf, Leute mit den richtigen Qualifikationen für die jeweilige Rolle einzusetzen, und gestaltet auch die Erfolgsmessung entsprechend. Er versucht transparent und berechenbar zu sein und erratisches Verhalten zu vermeiden – die Unsicherheit, die solches verbreitet, frustriert und lähmt die Leute, weiß er aus eigener leidvoller Erfahrung. Und er versucht die Resilienz seiner Belegschaft zu stärken: Wer widerstandsfähig ist und das so wichtige Vertrauen des Chefs genießt, kommt auch mit mitunter schwierigen Situationen zurecht. Ausserdem macht man sich damit weniger abhängig von den Meinungen und Launen anderer.

Große Bedeutung misst Janssen der richtigen Fehlerkultur bei: „Fehler sind weder gut noch schlecht. Sie definieren lediglich eine Investition in die Weiterentwicklung“, schreibt er. Statt im Fall eines Fehlers sofort nach dem oder der Schuldigen zu suchen, schlägt Janssen vor, sinnvolle Fragen zu stellen, die auf eine Verbesserung der Situation abzielen. Damit sei viel mehr gewonnen. Und wer das häufiger tue, reduziere damit das Konfliktpotenzial im Unternehmen systematisch.

Aus Betroffenen werden Beteiligte

Zu Janssens interessantesten Tipps gehört der Vorschlag, Vorgesetzte von der Belegschaft wählen zu lassen. Er entspricht seinem grundsätzlichen Motto, „aus Betroffenen Beteiligte zu machen“. Janssen hat die Erfahrung gemacht, dass Leute, die das Zeug dazu haben, eine inspirierende Führungsrolle zu übernehmen, oft bereits im Unternehmen tätig sein. Wer kennt diese Leute und ihre Fähigkeiten besser als das Team selbst? Also soll das Team auch selbst bestimmen, wem es folgen will. Karrieristen hingegen sieht Janssen skeptisch: „Menschen, die von sich aus nach Führungspositionen greifen, nutzen sie meist nur als Mittel zum Zweck für ihre persönliche Karriere oder um ein höheres Gehalt zu bekommen.“

Ähnlich wie in Personalfragen gehen er und Upstalsboom bei wichtigen Entscheidungen vor: Beraten wird immer im Plenum, und bevor überhaupt an eine Beschlussfassung gedacht wird, muss geklärt werden, wer das letzte Wort haben soll. Das muss nicht unbedingt der Ranghöchste sein, sondern vielleicht eine Fachkraft, die sich mit dem Thema besonders gut auskennt. Auf jeden Fall aber jemand, dem das Team die Entscheidung zutraut.

Neue Führung ist also mehr eine Frage der Haltung als die einer Methode.Bodo Janssen

Mehr Mitsprache heißt logischerweise auch mehr Mitverantwortung. Janssen warnt Führungskräfte davor, ihren Mitarbeitenden schwierige Aufgaben einfach abzunehmen: „Diejenigen, für die sich jemand anderes starkgemacht hat, lernen sehr schnell, dass es bequem ist, wenn andere ihre Probleme lösen.“ Vielmehr gehe es darum, ihnen den Weg aufzuzeigen, wie sie ihre Probleme selbst lösen können. Und er zitiert Albert Schweitzer: „Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen, es ist die einzige.“

Bodo Janssen ist offensichtlich in diese Vorbildrolle hineingewachsen – trotz aller kleinen, grossen und riesigen Stolpersteine. Sein Buch liest sich streckenweise fast wie ein Märchen. Ist es zu schön, um wahr zu sein? Auf jeden Fall schön genug, um Nachahmung zu verdienen.

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