Mit dem Fünf-Finger-Modell Unternehmen fit für die Zukunft machen
Erfolgreiche Transformation von Geschäftsmodellen in disruptiven Zeiten

Mit dem Fünf-Finger-Modell Unternehmen fit für die Zukunft machen

Es ist den Autoren hoch anzurechnen, dass sie mit ihrem Buch die Angst vor Veränderung nehmen. Transformation wird hier zu etwas Normalem, sogar Erstrebenswertem. Den Weg zeigen die fünf Finger einer Hand. Sie stehen für Leistungsversprechen, Leistungsangebot und -erstellung, Kosten- und Ertragsmodell. Richtig einleuchtend wird das alles dank vieler Best (und Worst) Practices.

Gegen Disruption hilft vor allem eines: Selbstdisruption.

Eine Disruption beginnt gemäß den Autoren Thomas Rudolph und Markus Schweizer immer mit einer ungewöhnlichen Idee. Hinter der steckt eine technologische Innovation oder sie verändert das Kundenverhalten oder verwendet ein gänzlich neues Ertragsmodell. Oder auch alles zugleich.  

Alles, was die Kunden lieber mögen als das, was sie vorher gekannt haben, ist disruptiv.Jeff Bezos

Etablierte Unternehmen können den Newcomer ignorieren, ihn kopieren, bekämpfen oder schlicht aufkaufen. Alles besser, als nichts zu tun – siehe Nokia vs. Apple. Noch besser ist es aber, eine Selbstdisruption einzuleiten, empfehlen die Autoren. Dabei kommt man dem Disruptor zuvor und transformiert das eigene Geschäftsmodell aus eigenem Antrieb. Das im Buch vorgestellte MAPS-Konzept hilft, Risiko und Handlungsdruck richtig einzuschätzen. Es besteht aus vier Schritten:

  1. die Motive der Kunden bei der Unternehmens- und Produktwahl analysieren
  2. die Attraktivität potenzieller Angreifer mithilfe von Marktanalysen einschätzen
  3. die Potenziale der Abwanderung bestehender Kunden bewerten
  4. eine geeignete Strategie zur Verteidigung entwickeln

Die Autoren warnen eindringlich: Ergibt die MAPS-Analyse ein hohes Risiko einer disruptiven Veränderung, sollte man sein Geschäftsmodell zügig und entschlossen transformieren.

Eine Geschäftsmodelltransformation betrachtet fünf Handlungsfelder: Leistungsversprechen, Leistungsangebot, Leistungserstellung, Kostenmodell und Ertragsmodell.

Der High-5-Ansatz der Autoren liefert ein Modell für eine solche Transformation. Es beschreibt fünf Felder, die bearbeitet und koordiniert werden müssen. Man kann sie sich wie die fünf Finger einer Hand vorstellen:

  • Der Daumen steht für das Leistungsversprechen: den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens aus Kundensicht. Das Leistungsversprechen ist die treibende Kraft der Transformation, es stiftet Sinn und Orientierung, ist einzigartig, verständlich, allen bekannt und umsetzbar.
  • Der zweite Finger ist das Leistungsangebot: Was wird welcher Zielgruppe auf welchem Markt angeboten?
  • Der dritte Finger ist die Leistungserstellung: Welche Kernaktivitäten, Ressourcen und Arbeitsprozesse spielen zusammen, um die Leistung zu produzieren oder anbieten zu können?
  • Der vierte Finger ist das Kostenmodell: Wie sieht das Verhältnis von fixen und variablen Kosten aus? Werden Kosteneinsparpotenziale konsequent ausgeschöpft, etwa durch Digitalisierung oder die Senkung von Beschaffungskonditionen?
  • Der fünfte Finger ist das Ertragsmodell: Wie wird der Umsatz letztlich generiert? Welche Erlösquellen garantieren stabile Gewinnmargen?

Diese fünf Handlungsfelder funktionieren nur gemeinsam, so die Autoren. Als Beispiel führen sie das Unternehmen Ratiopharm an. Es verspricht günstige Generika, dies bei kleinem Sortiment, niedrigen Kosten und günstiger Produktion. Die Margen sind gering, deshalb muss das Unternehmen große Mengen absetzen. Bei Ratiopharm sind darum alle fünf Handlungsfelder gleichwertig und gleich dringend.

Anders sieht es aus, wenn schon Konkurs droht. In dem Fall muss vordringlich das Überleben gesichert werden, erst dann können neue Angebote entwickelt werden.

Nicht das Einzeloptimieren der fünf Handlungsfelder fördert den Erfolg, sondern erst das kybernetische Wirkungsverständnis aller Mitarbeiter und damit die Einsicht, nur abteilungsübergreifend eine Transformation bewältigen zu können.Rudolph/Schweizer

Am trügerischsten ist es, wenn die Lage noch rosig ist und die Umsätze sprudeln. Hier ist es besonders schwierig, die Belegschaft aufzurütteln. Die Autoren raten, in diesem Fall am Leistungsangebot zu schrauben: Wo lassen sich Services neben den alten Produkten oder statt diesen anbieten, wo neue Leistungs- und Ertragsmodelle einführen, wo lässt sich ein eigenes Ökosystem schaffen?

Das Leistungsversprechen ist der Dreh- und Angelpunkt. 

Ein anderes Beispiel im Buch ist Flixbus: In nur fünf Jahren eroberte der Busreisevermittler 90 Prozent des Marktes. Das Leistungsversprechen ist auf der Website nachzulesen: „Dank einfacher Buchung und einem täglich wachsenden Angebot bieten wir Millionen Reisenden die Möglichkeit, für wenig Geld die Welt zu entdecken.“ Flixbus hebt sich gemäß den Autoren durch konkurrenzlose Preise, eine moderne Buchungs- und Ticketing-App und ein dynamisches Preismodell ab. Zum Leistungsversprechen gehören auch gesellschaftlicher und ökologischer Mehrwert, visualisiert durch den in grün gehaltenen Marktauftritt, und höchste Sicherheits- und Umweltstandards. Als geradezu revolutionär sehen die Autoren die Leistungserstellung an: Flixbus erbringt die Transportleistung nicht selbst, sondern kauft sie bei bestehenden Busbetrieben zu. Entsprechend niedrig sind die Personalkosten.

Disruption gelingt, wenn etablierte Unternehmen die neue Geschäftsidee nicht ernst nehmen. So war es bei Flixbus.Rudolph/Schweizer

Anders als Flixbus ist der FC Bayern München kein Newcomer, sondern ein Fußballclub mit über hundertjähriger Geschichte. Auch ihm widmen sich die Autoren ausführlich. Nach krisenreichen Jahren änderte der FC Bayern sein Leistungsversprechen: „Das Erfolgsgefühl FC Bayern München für jeden Fan weltweit und zu jeder Zeit kommunizieren.“ Damit wandelte sich der Sportverein zum multimedialen Unterhaltungskonzern. Vorher hatte man einmal wöchentlich beim Match Kontakt mit den Fans, jetzt sendete man zu jeder Zeit und über alle Kanäle unterhaltsame und informative Inhalte. Die Strategie machte den FC Bayern zum weltweit populärsten Fußballclub, gemessen an der Zahl der Mitglieder. Und mehr Reichweite bringt auch mehr Sponsorengelder, mit denen man sich wiederum bessere Spieler leisten kann.

Schuld am Scheitern sind oft unklare Leistungsversprechen oder Schockstarre.

Nicht alle schaffen die Transformation – entsprechend liefert das Buch auch Beispiele des Misslingens. TomTom etwa gilt als Urvater aller Navigationssysteme, verschlief aber den Vormarsch von Navis auf dem Handy. Der Baumarkt Praktiker scheiterte an einem Zack-Zack-Kurs widersprüchlicher Leistungsversprechen, die er nie einhielt. Das Leistungsversprechen von Air Berlin war anfangs klar: „Eine günstige Charterairline, die deutsche Flugreisende von regionalen Flughäfen an attraktive Reiseziele am Mittelmeer bringt.“ Das Unheil begann, als man auch Geschäftsreisende ansprechen wollte. Das passte nicht zusammen. In der Folge kaufte man hektisch Airlines hinzu, die operativen Kosten explodierten. In der Zwischenzeit hatte die Konkurrenz das Billiggeschäft übernommen. Am Ende musste Air Berlin Konkurs anmelden.

Zu guter Letzt geben die Autoren einen eindringlichen Rat: Nie an einer Stellschraube allein drehen, immer die Organisation ganzheitlich betrachten. Damit die Transformation gelingt, müssen alle Abhängigkeiten und Wechselwirkungen bedacht werden.

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