Was haben Alexander der Große, Julius Cäsar und Napoleon Bonaparte gemeinsam? Natürlich waren sie geborene Führer und hervorragende Feldherren. Aber vor allem zeichneten sie sich durch die Kunst des strategischen Denkens aus: Ihr militärischer Erfolg beruhte vor allem darauf, dass sie ihren Gegnern stets mindestens einen gedanklichen Schritt voraus waren.
Scharf nachdenken für Führungspersonen
Michael Watkins legt mit Die Kunst des strategischen Denkens ein durchdachtes, stringentes Buch vor: Vom Inhaltsverzeichnis über den Aufbau der einzelnen Kapitel bis hin zur Sprache, alles an diesem Buch ist absolut logisch und verständlich. Watkins beginnt mit der Feststellung, dass die Kunst des strategischen Denkens in der heutigen VUCA-Welt wichtiger sei als je zuvor.
Ein Unternehmen zu führen ist wie Simultanschach, bei dem man mehrere Partien gleichzeitig spielt.Michael Watkins
Ob Führungskräfte diese Kunst beherrschen oder nicht, entscheide oft über den Untergang oder das Überleben ihres Unternehmens. Watkins ist der Auffassung, dass jeder diese Kunst erlernen kann, und geht dann auch direkt in medias res: Seiner Meinung nach fußt diese Kunst auf sechs Säulen:
- Mustererkennung,
- Systemanalyse,
- geistige Beweglichkeit,
- strukturierte Problemlösung,
- Vision und
- politisches Geschick.
Die Basis des strategischen Denkens bilden Mustererkennung und Systemanalyse
Die Fähigkeit der Mustererkennung lässt sich laut Michael Watkins vor allem durch die Beschäftigung mit Simulationen ausbauen. Außerdem sei es wichtig, neugierig zu sein und sich über aktuelle Trends in der eigenen Branche auf dem Laufenden zu halten. Eine Routine, sich Informationen in Fachzeitschriften und im Internet zu besorgen, ist dafür eine gute Angewohnheit.
Auf der Mustererkennung baut in Watkinsʼ Konzept die Fähigkeit zur Systemanalyse auf. Sie dient dazu, Modelle des Unternehmens und seines Umfeldes zu erstellen. Mit deren Hilfe lässt sich Komplexität besser bewältigen und lassen sich mögliche Lösungen genauer erkennen.
Geistige Beweglichkeit ermöglicht Perspektivwechsel
Jedes der sechs Kapitel im Buch beginnt mit einer einleuchtenden theoretischen Erklärung. So schreibt Watkins zum Beispiel zum Thema geistige Beweglichkeit, dass sie vor allem in der Kunst bestehe, die Perspektive zu wechseln.
Wenn Sie zwischen den Ebenen wechseln, können Sie Chancen und Risiken aus verschiedenen, einander ergänzenden Perspektiven betrachten.Michael Watkins
Der zweite Bestandteil der geistigen Beweglichkeit ist das Spiel bzw. die Fähigkeit, verschiedene Ebenen im Unternehmen und am Markt aus der Sichtweise der Spieltheorie zu betrachten. Wer kann welche Züge machen? Welche Reaktionen wird das bei den anderen Mitspielern hervorrufen?
Klare Schritte führen vom Problem zur Lösung
Spannend ist die Sichtweise des Autors auf die strukturierte Problemlösung. Mithilfe verschiedener Schaubilder bringt Watkins Ordnung in das Durcheinander der Ideen. Wenn erst einmal ein drohendes Problem oder eine entstehende Chance identifiziert wurde, schlägt Watkins die folgenden Schritte vor, um logisch damit umzugehen:
- Verantwortlichkeiten festlegen und das Verfahren kommunizieren: Wie ist die Zusammenarbeit organisiert?
- Formulierung des Problems: An welchen Kriterien wird der Erfolg gemessen?
- Suche nach möglichen Lösungen: Wo wollen Sie suchen und was sind die Kriterien für eine gute Lösung?
- Auswahl der besten Option: Hier schlägt der Autor eine interessante Matrix vor, mit der auch Lösungen, die gern vorschnell abgetan werden, eine faire Chance erhalten.
- Festlegen auf einen Handlungsplan: Welche Ressourcen werden dafür benötigt und wer übernimmt welche Aufgaben?
Politisches Geschick und Vision runden den Strategen ab
Politisches Geschick ist laut Watkins sowohl mit der geistigen Beweglichkeit als auch der Mustererkennung verknüpft. Hier geht es darum, dynamische Entwicklungen als Ausdruck von politischem Handeln zu begreifen. Jeder Akteur, sowohl im Unternehmen als auch am Markt, handelt nach seiner eigenen Agenda. Wer diese erkennt, hat einen Vorteil.
Eine mitreißende Vision schließlich dient als Kompass. Sie hilft dabei, Entscheidungen zu treffen, die langfristig in die richtige Richtung weisen.
Vision ist die Fähigkeit, sich ehrgeizige, aber realistische Varianten der Zukunft vorzustellen und Ihr Unternehmen zu mobilisieren, um sie zu erreichen.Michael Watkins
Im letzten Abschnitt des Buches adressiert Watkins explizit sein Kernpublikum: Menschen, die strategisches Denken nicht nur verstehen, sondern vor allem auch erlernen wollen. Deswegen bezieht sich dieser Abschnitt auf alle sechs Säulen und beschreibt genauer, wie man die entsprechenden Fähigkeiten trainieren kann. Die Tipps sind umsetzbar und teilweise überraschend. Da zum Beispiel die geistige Beweglichkeit zum Teil auf der spielerischen Betrachtung der Situation fußt, lautet die Empfehlung, Schach zu spielen, um sich hier zu verbessern.
Für wen ist Die Kunst des strategischen Denkens geeignet? Grundsätzlich muss man sagen, dass das Buch kein Pageturner ist, den man gar nicht mehr aus der Hand legen kann. Wer sich schon intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wird nicht viel Neues finden. Vor allem Einsteiger können von dem Buch allerdings profitieren. Didaktische Inhalte wie Zusammenfassungen, Checklisten und Literatur zur Vertiefung machen es besonders wertvoll und ermöglichen es, das Buch auch als Nachschlagewerk zu benutzen.